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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 14 (2. Aprilheft1903)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0114

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Bezeichnend für die krankhafte Eitelkeit GortschakowS waren
einige gelegentliche Aeußerungen mir gegenüber, gelegentlich sciner
Berliner Anwesenhcit im Mai 1876. Er sprach von seiner Ermüdung
und seiner Neigung, abzuschciden, und sagte dabei: „äs no puis as-
pLnäant mo prsssnksr äsvant 8aint-?isrrs an oisl sans avoir prs-
siäö la moinärs otioss sn blnrons." Jch bat ihn in Folge dessen, das
Präsidium in der damaligen Diplomatenconferenz, die aber nnr eine
officiöse war, zu übernehmen, was er that. Jn der Muße des Zu-
hörens bei seiner längeren Präsidialrede schrieb ich mit Bleistift:
xompons, xomxo, xoinx, xom, xo. Mein Nachbar, Lord Odo Russell,
entriß mir das Blatt und behielt es.

(Graf Harrh Arnim.)

Graf Harrh Arnim vertrug wenig Wein und sagte mir
cinmal nach cincm Frühstücksglasc: „Jn jedem Vordermannc in dcr
Carriöre sehe ich einen persönlichen Feind und behandle ihn dcment-
sprechend. Nur darf cr es nicht mcrken, so lange er mein Vorgcsetzter
ist." Es war dies in der Zeit, als er nach dem Tode seiner ersten
Frau aus Rom zurückgekommen, durch eine italienische Amme seines
Sohnes in roth und gold Ausschn auf den Promenaden erregte und
in politischen Gesprächen gern Macchiavell und die Werke italienischer
Jesuiten und Biographen citirte. Er posirte damals in der Nolle
eines Ehrgeizigen, der kcine Scrupel kannte, spielte hinreißend Klavier
und war vermöge seiner Schönheit und Gewandheit gefährlich für
dic Damen, denen er den Hof machte. Diese Gewandheit anszu-
bilden, hatte er frühzeitig begonnen, indem er als Schüler des Neu-
stettiner Gvmnasiums von den Damen einer wanderuden Schauspieler-
truppe sich in die Lehre nehmen ließ und das mangelnde Orchcster
am Clavier ersetzte.

*

Nachdem Arnim sich 1873 in Berlin überzeugt hatte, daß seine
Aussichten, an meine Stelle zu treten, noch nicht so rcif waren, wie
er angenommen hatte, versuchte er einstweilcn das frühere gute Ver-
hältniß herzustellen, suchte mich auf, bedauerte, daß wir durch Miß-
vcrständnisse und Jntrigen Andrer auseinander gckommcn wären,
und erinnerte an Beziehungen, die er einst mit mir gehabt und ge-
sucht hatte. Zu gut von seincm Treiben und von dem Ernst seines
Angriffes auf mich unterrichtet, um mich täuschen zu lassen, sprach
ich ganz offen mit ihm, hielt ihm vor, daß er mit allen mir feind-
licheu Elementcn in Verbindnng getreten sei, um meine politische Stel-
lnng zu erschüttern, in der irrigen Annahme, er werde mein Nach-
folger wcrdeu, und daß ich au seine versöhnliche Gesinnung nicht
glaube. Er verließ mich, indem er mit der ihm eignen Leichtigkeit
des Weincns eine Thräne im Auge zcrdrückte. Jch kannte ihn von
seiner Kindheit an.

2. Aprilheft 190z

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