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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 14 (2. Aprilheft1903)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0115

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Literslur.

ttunascdau.

G Neue Lyrik.

tzans Bethge nennt scinen dritten
Band Gedichte „Die Feste der Jugend"
(Berlin Schuster L Löffler). Zuge-
eignet ist er:

Den goldenen Tagen in goldener Ferne,
Den Nächten, darin die Schünheit war,
Dem Leuchten meiner guten Sterne,
Holden Frauen, Rosen im Haar.

Das klingt schon etwas bedenklich
„poetisch" nach jener billigcn Verskunst
hin, dic durch stimmungsvollc Anord-
nung klingcnder Worte den Mangel
an Anschauung zu verbergen weiß.
Der ganze Band ist denn auch über-
reich mit den kostbaren Requisiten
„GoldcnerTage" und „silberner Nächtc"
ausgestattet, und da sie uns der Ver-
fasser mcist auf spanischcm Boden vor-
stellt, so tun denn wohlklingende Namcn
wie Lolita, Carmen, Bombita Chico,
Dolores Pepita und Juanita ein
übriges. Man dürfte ja ganz zufrieden
sein, wcnn aus der eintönigen Be-
schaulichkeit, die bei Tag und bei Nacht,
am Meer und auf den Bergen immer
denselben kleinen Krcis zärtlicher Weh-
mut und sanften Genießens durchirrt,
wenigstens ein oder das andere Mal
ein unmittelbarer Gefühlslaut ans
Herz rührte. Aber in mir wenigstens
blieb alles trostlos still. Die »große
Stille", das „große Sein', der «große
Jnselfrieden"; »unserer Sehnsucht gol-
dene Beete", das „silberne Vergessen",
sowie auch der ,wundervolle Tag"'
zwingen mich persönlich noch nicht zu
einer bestimmten Vorstellung. Wenn
nach den noch vorstellbarcn „frommen
Händen" gar die »seligen Finger" in
lyrische Mitleidenschaft gezogen werden,
so ist es schwer, ernst zu bleiben. Bethge
wie auch Bodman (Neue Lieder,
München, Langen) — sie besprechen,
was sie fühlen, sie schildern und
pflastern sozusagen ein Mosaik aus
pointierten Wendungen von absicht-
licher Einfachheit. Die Einfachheit

S4

wäre schon gut, wenn nur die Absicht
nicht durchschiene. Uebrigens gibt
Bodman denn doch weit klarere Bilder,
auch ist er mannigfaltiger in seinen
Stimmungen, und wenn man den
zisrlichcn Sächelchen im „Simplizissi-
mus" begegnet, so wirkcn sie, als Un-
terhaltungs-, als Zierstücke genommen,
manchmal sogar recht hübsch. Jm
Buche gesammclt, gcnügen sie strenge-
ren Ansprüchen doch noch nicht. Sie
ermüden schlietzlich durch ihr feierliches
Formwesen, das vom Gehalt, von
der Kraft der Gefühle nicht gefüllt,
geschwcige denn gar gesprengt wird.
Ein Talent, dem die Leidenschaft ernst-
lich zu schasfen macht, ist Gustav
Schuler. Seine „Gedichte" (Verlag
Nenaissance, Berlin-Schmargendorf)
kommen zwar im Ganzen über die
prächtig pathetische Rede noch nicht
zur klar beschränkten, zur notwendigen
Form. Aber ccht lyrische Ansätze
finden sich häufig und ungesucht bei
ihm. Jn einigen Stücken, die mir einst-
weilen als seine besten erschcinen,
schlägt er einen sangbaren Volkslieder-
ton an, naiv, frisch und persönlich.
Wie fein beredt und kurz läßt er das
Mädchen von seinem Fall wehklagen:
„Mit Händen hat's gezogen,

Dic Sternlein halfen mit-

Hab' immer nach oben gesehen,

Als ich so niederglitt . .

Der Band verdient als erste Ta-
lentprobe entschiedene Beachtung.

L. Kalksckmidt.

G Gutes Deutsch.

Der Kaiser verlangt in einem
Erlaß kürzeres und klareres Amts-
deutsch. Wer an das Faksimile von
dem Soldaten denkt, der ,für sein
Vaterland fallend begraben liegt" und
an andere Wendungen Wilhelms II.
selber, wird davon mit nicht ganz ein-
heitlichen Gefühlen lesen, nützen aber
wird der Erlaß doch, da der Kaiser
nun einmal für viele Leute Autorität

Kunstwart
 
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