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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1903)
DOI Artikel:
Weber, Leopold: Wollen und Können, [2]
DOI Artikel:
Göhler, Georg: Felix Draeseke, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0624

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Hauptsache den guten Willen und in seinem Ernpfinden wesentlich
mehr als einen sympathischen Kern schätzen könnten, selbst dann dürfte unser
ästhetisches Urteil über ihn nicht anders ausfallen; denn wegen sympa-
thischer Gefinnungen und schöner Gefühle dürfen wir, sobald wir klarsehn,
künstlerisch Mitzlungenes nicht milder beurteilen. Oder aber, wir schaffen
der Partei zuliebe ebensogut falsche Werturteile, wir richten ebensogut
sittliche Verwirrung an, wie wenn wir seelisch Minderwertiges um
seiner ästhetischen Ausdrucksvorzüge willen ohne weiteres preisen.

Leoxold Weber.

feli» vraeseke. z.

Merkwürdigerweise sind auch Kompositionen Draesekes unbeachtet liegen
geblieben, die an die Spieler und Hörer keine neuen Anforderungen stellen.
Schuld daran ist auf dem Gebiete der sogenannten Kammermusik, zu der
wir jetzt kommen, wohl vor allem der Umstand gewesen, datz die Spieler und
Freunde dieser Literatur sich zunächst einmal von den neuen Komponisten mit
Brahms auseinandersetzten und dessen zahlreiche Werke dieser Art in ihre Pro-
gramme aufnahmen. Man kann bei dem Werte der meisten Kammermusik-
werke von Brahms darin nichts Ungerechtfertigtes finden, muh aber darauf
hinweisen, datz es auch nicht zu rechtfertigen wäre, wenn man Draesekes
Kammermusik darum dauernd vernachlässigen wollte. Ueber sein Verhältnis
zu Brahms und über die Rangstellung, die seine Kammermusik in der Reihe
seiner gesamten Werke einnimmt, wird noch zu reden sein. Jn diesem, etwas
nüchtern aufzählenden Berichte gilt es, die grohe Zahl derer, die Draeseke nur
dem Namen nach kennen, über das zu orientieren, was überhaupt von ihm
vorhanden ist, und kurze Hinweise zu geben, welche Werke für das Studium
zunächst in Betracht kommen.

Die ganze Kammermusik Draesekes verläßt im Aufbau der Werke und
ihrer Sätze nur selten die Bahnen der Vorgänger. Der Typus, den die Klas-
siker ausgebildet und die Romantiker beibehalten haben, hat Raum auch für
das, was Draeseke in diesen Werken aussprechen will. Die ersten Sätze sind
der eigentliche Platz für thematische Arbeit; die langsamen Sätze sind meist
breite, wirkliche Adagios, nicht intermezzoartig gehalteue Andante-Sätze, son-
dern voll tiefer, oft leidenschaftlicher Empfindung, die breit und ruhig aus-
strömt; die Scherzi stecken voll von lustigen Einfällen, oft kleinen Teufeleien,
sind rhythmisch meist sehr interessant und äutzerst wirkungsvoll. Fürs Finale
sind sprühende Passagen, heitere, einfache Themen und bunter Wechsel der
Farben charakteristisch. Selbst Werke, deren erste Sätze durch die Tiefen und
Untiefen des Herzens führten, werden zum Schlusse in dieses Fahrwasser ge-
lenkt. Datz oft im Schlutzsatze Erinnerungsmotive aus anderen Sätzen auf-
tauchen, ist ja keine Eigenheit, die Draeseke allein hätte. Zu betonen ist, datz
er stets bei der Wahl und Verarbeitung seiner Themen auf den Kammermusik-
stil Rücksicht nimmt, keine orchestralen Wirkungen anstrebt, aber alle Möglich-
lichkeiten der Darstellung, die ihm die einzelnen Jnstrumente geben, in künst-
lerischster Weise ausnützt.

Streichquartette sind drei vorhanden. Ox. 27 in O moll und op. 35 in
L moll stnd bei Fr. Kistner, ox. ss in Ois nioll bei Rob. Forberg erschienen.

Das dankbarste ist das erste. Erster Satz: Schumann; zweiter Satz:
ein Adagio, das Beethovenschen Geist hat und wundervoll klingen mutz; dritter

Sextemberhest lyor

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