Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 17 (1. Juniheft 1903)
DOI Artikel:
Erdmann, Karl Otto: Die Illusion in der Kunst, [2]
DOI Artikel:
Procul, Beatus: Ueber staatliche Bauten: ein Brief
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0273

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
gelegen kommt, die mit allen Kräften eine einseitige Erweiterung
und Vertiefung der ästhetischen Kultur erstreben. Auch ist ja gewiß
heute die Zahl derer noch nicht groß, dencn cine einseitige üsthetische
Geistesrichtung eine ernstliche Gefahr* bedcutet. Und so mag es für
heute gcnügen, Wert und Endzweck der künstlerischen Jllusion allein
zu betonen: die Ergänzung zum Leben, die unbeschränkte Erweite-
rung der Erlebnisse, die Gelegenheit zur Entfaltung aller Gemüts-
kräfte, die Bereicherung der Persönlichkeit. R. V. Lrdmann.

Lleber slaatlicke Vauten.

Lin Brief.

Sie äußern sich, sehr verehrter, lieber Freund, eigentlich recht
absprechend über die Rolle, die der Staat als Auftraggeber und Erzieher
in der Kunstbewegung unserer Tage spiclt. So sehr ich auch manches
als berechtigt anerkennen muß, was Sie dafür besonders aus den Er-
gebnissen der staatlichen Bautätigkeit anführen, so wenig kann ich Jhre
schroffe Folgerung gut heißen, daß der Staat in seiner heutigen Ver-
fassung überhaupt zur sördersamcn Tätigkeit auf künstlerischem Gebiete
ungeeignet sei. Dafür schätzen Sie denn doch wohl das Kapital an
geistiger Kraft und die Möglichkeit zielbewußten Zusammcnfasseus dieser
Kraft, die eine große staatliche Verwaltung besitzt, zu gering an Wert
ein uud halten Erscheinungen für unzertrenulich vom staatlichen Kunst-
betrieb, die nur in wandelbaren Einrichtungen begründet sind und die
durch geringe Aenderung im Geschäftsgange leicht auszuschalten sein
würden. Pfui, höre ich Sie freilich schou sagen, Kunst und ^Geschäfts-
gang"', wie kann man so etwas in einem Atem überhaupt nennen?
Verzcihung, ich glaube eine mindestens ebenso hohe Anschauung von
Wcrt und Würde der Kunst zu haben wie Sie, aber vieljährige beruf-
liche Kcnntnis der Verhältnisse berechtigt mich dazu, Jhrer abstrakt
idealen Anschauung eutgegen zu halten, daß dieVaukunst, auch wenn
sie von freien Künstlern ausgeübt wird, einen sehr realen Geschäftsgang
gar nicht entbehren kann. Als Nichtfachmann sind Sie zu sehr geneigt,
die bedeutende nicht nur künstlerische sondern auch mechanische und rein
geschäftliche Arbeit zu unterschätzen, die zwischen der zeichnerischen Dar-
stellung eines Entwurfes und der wirklichen Verkörperung des künstlerischen
Gedankens im fertigen Bauwerk liegt. Ein schön gezeichneter Entwurf
bedeutet nur für den Laien einen gewissen Abschluß, für den Künstler
ist er nichts als der Anfang, an den sich erst die weitere Durcharbeitung
und die Abstimmung der Teile unter vielfacher Abänderung sowohl der
Einzelheiten wie der vcrbindenden Gedanken auzuschließen hat. Die
damit verbundene mechanisch-zeichnerische Arbeit kann man wohl auf
gut geschulte Hilfskräfte abladen, aber doch nur bis zu einem gewissen
Grade, sonst schleicht sich unvermeidlich in das eutstehende Werk die
Empfindungsart dcs im Prinzip doch tief untergeordnet zn denkenden

* Grade in diesen Blättern ist vor den Gefahren ciner einscitigen und
ausschließtichen „künstlerischcn" Lebensauffassung im obigen Sinne oft genug
gewarnt worden. Jm übrigcn bcdarf es wohl keiner besonderen Erwühnung,
daß die ästhetische Kultur, die wir erstreben, einen viel weiteren Sinn hat
und sich nicht in der Schulung ästhetischer Scheingefühle erschüpft.

2U

s. Iuniheft tZOZ
 
Annotationen