Sprichwort nach, unbestritten zu loben, ja die aufrichtige Wärme ihrer
Empfindung kann sie uns liebenswert machen, im Kampfe der Gcister
aber ist mit dem guten warmen Willen allein ja leider wenig getan.
Hilst es in Wissenschaft und Kunst selten viel, wenn einer was Großes
schaffen oder entdecken will, aber nichts schafft oder entdeckt, so ist auf
unserem Gebiete nicht nur kein Nutzcn, sondern sehr oft ein Schaden da:
Verwirrung. Gerade in unseren Zciten mangelt es an derlei Männern
sehr wenig, die in Zeitungen, Flugschriften und Büchern wirken. Eine
positive Kraft ist immer für das Ganze von Wert, ein Nietzsche zum
Beispiel wird sicherlich in der Literatur nach den Schwankungen der
Moden und Mitzvcrständnisse von Nutzcn nicht nur für seine Anhänger,
sondern auch für die dauernd ablehnenden Gegner seiner Gedanken sein und
bleiben. Aber jene Männer sind eben keine Kräfte in diesem Sinne.
Sie steuern dem Entwicklungskampf der Energieen nichts eigenes bei,
ihr Weltbild gibt im Grunde nur Abspiegelungen und Wiederklänge
aus anderen Seelen und ihre Gedanken sind im Grunde Reminiszenzen.
Jhre Arbeit kann wohl eine Strccke lang nützlich erscheinen, nützlich aus
volkserzieherischen Gründen vielleicht, wie das Verwertertum sonst auch,
wenn sie sich nur mit klarem Bewutztsein ihrer Grenzen als Populari-
sierer fühlen. Tuen sie das nicht, glauben sie, selbständig Neues hinstellen
zu können, so kommt bald der Punkt, wo die Kritiker aus ihrer Berufs-
pflicht heraus dreinsprechen müssen, wenn sich die Wirkung noch nicht verflüch-
tigt hat. Sonst mützten sie fürchten, mitschuldig zu werden an Beräutzer-
lichung und Konfusion. Sehr möglich, selbstverständlich, datz auch sie irren,
daß der andere stärker, reicher,tiefer ist, alser unserscheint. Aber diepersönliche
Ueberzeugung hat ja für den Kritiker nun einmal das Bestimmende zu sein.
Als Fritz Lienhard zum ersten Male mit ethisch-ästhetischen Er-
zieherplänen hervortrat, konnte er einem oberflächlicheren Leser ganz gut
als ein Gesinnungsgenosse des Kunstwarts erscheinen. Nicht nur, weil
er die Heimatkunst verfocht, für die kurz vorher im Kunstwart nach einer
Wesensumschreibung und nach einem Namen gesucht wordcn war, nicht
nur, wcil er die Entwicklung dieser Heimatkunst zu einer Höhenkunst
wünschtc, wie sie dort als notwendige Ergänzung der Volkskunst bezeichnet
war, oder weil er einzelne Anregungen von dorther aufzunehmen schien,
nein, der ganze Geist der Lienhardschen Arbeiten schien auch in ihrem voll-
kommcn selbständigen Gehalt dem Geiste des Kunstwarts entschieden ver-
wandt. Vor allem: auch Lienhard achtete in der Kunst den seelischen
Gehalt höher als das bloße Ausbreiten artistischer Fertigkeiten, auch er
hielt die Kunst ethisch starker, charakterfester Persönlichkeiten für etwas
der bloßen art pour I'art unendlich Ueberlegenes — der Kunst jener
Persönlichkeiten, die das Leben nur nach Kraft und Art des ästhetischen
Ausdrucks messen, ohne in sich ein Wertgesühl für die innere Wesenheit,
für den ethischen Gehalt zu haben. Auch er betonte die Einseitigkeit
unsrer Verstandesbildung gegenüber dem vollen Menschentum, das seine
besten Kräfte gleichmäßig aus Geist, Herz und Phantasie zieht. Und
auch da geht Lienhard mit dem Kunstwart noch zusammen, wo er
unsrer Kunst, ohne sie in ihrem Stoffgebiet beschränken zu wollen, mehr
innere Freudigkeit der Schaffenden wünscht, mehr Glaubensfähigkeit, die
von der Zuversicht eincs edelkräftigen Organismus zcugt, mehr von
jenem weiten Blick der Grotzen, der nicht am Einzclleiden kläglich haften
2. Augustheft
Empfindung kann sie uns liebenswert machen, im Kampfe der Gcister
aber ist mit dem guten warmen Willen allein ja leider wenig getan.
Hilst es in Wissenschaft und Kunst selten viel, wenn einer was Großes
schaffen oder entdecken will, aber nichts schafft oder entdeckt, so ist auf
unserem Gebiete nicht nur kein Nutzcn, sondern sehr oft ein Schaden da:
Verwirrung. Gerade in unseren Zciten mangelt es an derlei Männern
sehr wenig, die in Zeitungen, Flugschriften und Büchern wirken. Eine
positive Kraft ist immer für das Ganze von Wert, ein Nietzsche zum
Beispiel wird sicherlich in der Literatur nach den Schwankungen der
Moden und Mitzvcrständnisse von Nutzcn nicht nur für seine Anhänger,
sondern auch für die dauernd ablehnenden Gegner seiner Gedanken sein und
bleiben. Aber jene Männer sind eben keine Kräfte in diesem Sinne.
Sie steuern dem Entwicklungskampf der Energieen nichts eigenes bei,
ihr Weltbild gibt im Grunde nur Abspiegelungen und Wiederklänge
aus anderen Seelen und ihre Gedanken sind im Grunde Reminiszenzen.
Jhre Arbeit kann wohl eine Strccke lang nützlich erscheinen, nützlich aus
volkserzieherischen Gründen vielleicht, wie das Verwertertum sonst auch,
wenn sie sich nur mit klarem Bewutztsein ihrer Grenzen als Populari-
sierer fühlen. Tuen sie das nicht, glauben sie, selbständig Neues hinstellen
zu können, so kommt bald der Punkt, wo die Kritiker aus ihrer Berufs-
pflicht heraus dreinsprechen müssen, wenn sich die Wirkung noch nicht verflüch-
tigt hat. Sonst mützten sie fürchten, mitschuldig zu werden an Beräutzer-
lichung und Konfusion. Sehr möglich, selbstverständlich, datz auch sie irren,
daß der andere stärker, reicher,tiefer ist, alser unserscheint. Aber diepersönliche
Ueberzeugung hat ja für den Kritiker nun einmal das Bestimmende zu sein.
Als Fritz Lienhard zum ersten Male mit ethisch-ästhetischen Er-
zieherplänen hervortrat, konnte er einem oberflächlicheren Leser ganz gut
als ein Gesinnungsgenosse des Kunstwarts erscheinen. Nicht nur, weil
er die Heimatkunst verfocht, für die kurz vorher im Kunstwart nach einer
Wesensumschreibung und nach einem Namen gesucht wordcn war, nicht
nur, wcil er die Entwicklung dieser Heimatkunst zu einer Höhenkunst
wünschtc, wie sie dort als notwendige Ergänzung der Volkskunst bezeichnet
war, oder weil er einzelne Anregungen von dorther aufzunehmen schien,
nein, der ganze Geist der Lienhardschen Arbeiten schien auch in ihrem voll-
kommcn selbständigen Gehalt dem Geiste des Kunstwarts entschieden ver-
wandt. Vor allem: auch Lienhard achtete in der Kunst den seelischen
Gehalt höher als das bloße Ausbreiten artistischer Fertigkeiten, auch er
hielt die Kunst ethisch starker, charakterfester Persönlichkeiten für etwas
der bloßen art pour I'art unendlich Ueberlegenes — der Kunst jener
Persönlichkeiten, die das Leben nur nach Kraft und Art des ästhetischen
Ausdrucks messen, ohne in sich ein Wertgesühl für die innere Wesenheit,
für den ethischen Gehalt zu haben. Auch er betonte die Einseitigkeit
unsrer Verstandesbildung gegenüber dem vollen Menschentum, das seine
besten Kräfte gleichmäßig aus Geist, Herz und Phantasie zieht. Und
auch da geht Lienhard mit dem Kunstwart noch zusammen, wo er
unsrer Kunst, ohne sie in ihrem Stoffgebiet beschränken zu wollen, mehr
innere Freudigkeit der Schaffenden wünscht, mehr Glaubensfähigkeit, die
von der Zuversicht eincs edelkräftigen Organismus zcugt, mehr von
jenem weiten Blick der Grotzen, der nicht am Einzclleiden kläglich haften
2. Augustheft