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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 17 (1. Juniheft 1903)
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Unsre Noten und Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0310

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sagen: scharf ergründend von Stück zu Stück. Aber freilich beruht kaum
auf dieser malerischen Seite seiner Kunst das Beste in seinem Ruf, sondern auf
seiner Charakterisierkunst. Die alte Dame, die hier mit Würde den Kaffee
einschänkt, kennt unser Maler augenscheinlich schon seit Jahrzehnten, und von
ihrer Besucherin rveitz er auch ganz genau, warum sie so kümmerlich geworden
ist. Man blicke sich genau in dem Zimmer um: wo sehen wir da einen
Quadratfuh Raumes, der nicht sozusagen nachgefühlt wäre? Von den
saubern Dielen am Boden, der Schwelle, dem Teppich aufwärts an Stühlen,
Tischen und Kommode vorbei, die Glastür und die Tapete hinan mit all dem
Vielen, was da herumsteht an Kannen und Tassen, Körben, Dosen, Schachteln,
Vasen, Lampen, Leuchter, Uhr und Figuren, an Klingelzug, Regalchen, Zeitungs-
halter, Glaskästchen und mannigfaltigsten Bildern ist jedes Dinglein fast eines
eigenen Studiums wert, und nicht minder ist es die Bekleidung der beiden
Weiblichkeiten von Rockfalbel bis zu Hut und Haube. Es ist durchaus nicht
alles „schön" in dieser Behausung, es ist zwar manches geschmackvoll, aber
manches auch schlimm geschmacklos darin, es gehört alles zum weiteren Kleide
der Jnhaberin und ist ihrer Seele vorzüglich angepaßt. Mit mehr humorvoller
Liebe ist noch keiner einer rührenden Altmodischkeit nachgegangen.

Die Bilder, die wir vor einigerZeit (Kw. XV, 2-z) von Kaspar David
Friedrich veröffentlichten, haben nicht nur beim größeren Publikum, sondern
auch bei den Künstlern, Kunstgelehrten und — Kunsthändlern ein grötzeres
Jnteresse erregt, als wir selbst vermuten konnten. Als wir das erste Mal
von Friedrich hörten, geschah's durch Ludwig Richter und geschah's als eines
Beweises dafür, datz auch ein Tüchtiger einmal verloren und verschollen sein
könne, wcnn er zu unrechter Zeit geboren ward — nun aber scheint es wirk-
lich, als wenn der Vorahner Schwindschen und Böcklinschen Kunstfühlens, der
einst ein nüchternes Alter ärgerte und eine sehnende Jugend begeisterte, nach
fast hundert Jahren noch einmal Freunde finden sollte. Woher kommt das,
als weil uns mittlerweile die Schwind, Böcklin, Thoma leise die Augen ge-
bildet haben? Die Originale der heut beigefügten zwei Bilder werden in der
Berliner Nationalgalerie aufbewahrt, die von Friedrich jüngst noch ein drittes,
dem Sonnenuntergangsbilde ähnliches erworben hat. Das Strandbild, wie
das aus den Vorbergen, will lange betrachtet sein, sie brauchen beide etwas
wie ein Sichhineinträumen, ehe sie ihre ganz eigentümlichen Reize erschließen.
Es sind nicht so sehr Bilder von Landschaften, es sind gleichsam Gefühle über
zwei Landschaften, die hier von einem ganz besonderen Künstlergeiste fest-
gehalten wyrden sind.

Mit den zwei Bildern über „Dresdner Spielzeug" ergänzen wir
unsern früheren Hinweis (Kw. XVI, 12). Diese Stücke hier, von Fritz Klein-
hempel, die schon vor Weihnachten im Dresdner Kunstgewerbeverein aus-
gestellt worden sind, entstammen der zweiten Dresdner Anstalt, die sich der
Anfertigung moderner Möbel u. s. w. widmet, den „Werkstätten für deutschen
Hausrat" von Theophil Müller.

Verantwortlich- der Herausgeber Ferdinand Avenarius in Dresden-Blasewitz. Mitredakteure:
für Musik: Or. Richard Batka in Prag-Weinberge, MrbildendeKunst: Profeffor Paul Schultze-
Naumburg in Saaleck bei Köscn in Thüringen. — Sendungen für den Text an den Herausgeber,
übcr Musik an Or. Batka. — Druck und Verlag von Georg D. W. Callwey in München.
Bestellungen, Auzeigen und Gewsendungen an den Verlag Georg D. W. Lallwey tn München.
 
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