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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 19 (1. Juliheft 1903)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0406

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betteln." Darauf sagte der Schutzmann nach einem Weilchen: „Ja,
das Hanau ist verschrien, ich weiß es wohl, aber es gibt hier noch
ganz gute Kerls."

Aber diesmal hatte ich mehr Glück auf dem Polizeiamt; es
dauerte nicht so lange mit dem richten als früher, und kam schon
nach kaum einer Stunde vor und erhielt alsbald wieder acht Tage
aufgebrummt. Darnach wurde ich abgeführt nach dem Gefängnis und
kam diesmal in eine etwas größere Zelle, denn es standen zwei
Pritschen darin, und die Zelle war besetzt, wie es schien von lauter
Handwerksburschen, und murrten, daß nun noch einer hinzu kam.
Aber ich hatte für nichts weiter Sinn und sank sogleich elend auf
einer Pritsche nieder. Als ich mich am andern Morgen krank meldete,
da hieß es: „Heut Abend kommt der Doktor;" da mußte ich mich in
Geduld fassen. Da dämmerte es schon am Abend, da rief der Wärter
durch die Klappe: „Jst hier semand krank?" Da meldete ich mich,
und wurde herausgelassen. Da stand schon einer im Gange draußen,
der hatte was am Fuß, und es dauerte nicht lange, da kam der
Vater in den Gang und gleich hinterher der Doktor. Dieser war
ein großer, langer, kräftiger Mann ohne Bart und besah sich zuerst
dem andern seinen Fuß. Darnach wandte er sich und fragte, was mir
fehlte, da sagte ich: „J'ch bin krank und habe schlimme Füße be-
kommen;" da wollte der Doktor die Füße sehn, da zog ich die Hosen-
beine bis an die Knie in die Höhe, da bückte er sich, da sagte er wie
erschrocken zu sich selber: „Was ist denn das?" Da ließ er den Vater
ein Licht holen und nahm's ihm aus der Hand und stellte es neben
meinen Füßen auf den Fußboden und kniete hinter mir nieder. Da
hielt ich mich an der Wand fest und wandte mich um und sah herunter
nach meinen Waden und erschrak nicht schlecht, denn so was hatte
ich noch nicht gesehn; da standen lauter wasserhelle Blasen, welche
so groß wie Erbsen, welche wie Haselnüsse und welche so groß wie
kleine Kartoffeln; und hatte vorgestern schon nachgesehn, was mir
so weh täte, und hatte weiter nichts gefunden, als ein paar ganz
kleine Bläschen, und nun sah das so aus. Da hat der Doktor lange
hinter mir gekniet und sich das besehn und befühlt; dann stand er
auf und sagte nach einer Weile zu dem Vater: „Dem da geben Sie
eins von den braunen Pflastern, und der hier muß ins Spital." Da
gingen sie weg, und da kam der Wärter und schloß mich wieder in
meine Zelle und am folgenden Tage gleich nach Mittag ging er mit
mir und lieferte mich ins Spital ab.

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Kunstwart
 
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