Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1903)
DOI Artikel:
Gregori, Ferdinand: Die Entwicklung der Kulisse, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0577

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ähnlich vorbereitet, außerdem die vorn versenkte unten abgeräumt.
Sind vorderes nnd mittles Drittel gleichzeitig in einen Schau-
platz einbezogen, so versinkt nach dem Fallen des Vorhangs zuerst
das mittle, das vordere rollt zurück an die Stelle des mittlen, aus
der Tiefe steigt vorn die nächste Dekoration herauf, die in der Ver-
senkung bereits hergerichtet worden ist, und der Schnürboden setzt
ihr die Haube auf. Die gesamte Beleuchtung und die schiebbaren
Seitenkulissen stehen außerhalb des Rahmens der versenkbaren Teile.
Sie zu bedienen ist das Werk eines Augenblicks.

Lautenschlägers Drehbühne (München) bedarf der Versenkungen
nicht, wohl aber des Schnürbodens, von dem aus (wie dort) Plafond
und Soffitten gehandhabt wcrden. Sie vermag drei bis vier Szenc-
rien gleichzeitig herzurichten, die um einen Mittelpunkt herum grup-
piert sind und von ihm aus auf ihr Stichwort au den Bühnenaus-
schnitt, d. h. an die vordere Rampe des Theaters hingedreht werden.
Hier ist die Dauer einer umfänglichen Verwandlung auf eiu Mini-
mum reduziert. Die Decke löst sich los, eine Kurbel wird gedreht,
die neuc Decke senkt sich auf die neue Dekoration, und die Oper
nimmt ihren Fortgang. Diese Einrichtung ist nicht an die ursprüng-
liche Bühnenanlage gebundeu, sie kann auf jedes größere Theater
übertragen werden.

Wir sehen, die rührige Technik sorgt dafür, daß die verwickelt-
sten Prozesse in der Welt der leblosen Kulisse im Handumdrehen ge-
schlichtet werden. Es ist heute schon so, daß die Szene auf den
Schauspieler warten muß, während früher der Schanspicler manch-
mal vor Ungeduld vergehen wollte, weil die Theaterarbeiter gar zu
lange pochten und rückten. Die Vermiuderung der Pausen hat eben
auch ihre Grenze: der Kostümwechsel, den der Darsteller oft vorzu-
nehmen hat, die Aenderung der Maske verlangen ihre Zeit; auf
sie muß das Publikum Rücksicht nehmen.

1840 hat Jmmermann in Düsseldorf, 1887 Perfall in München
versucht, die Bühne Shakesperes wieder lebendig zu machen. Sie
wollten dem Worte des Dichters vor allem Sympathien verschaffen,
nicht den Dekorationen. Jmmermann ging dabei sehr radikal vor,
doch er hatte kein Glück in einer Zeit, die dem großen Britten noch
sehr ferne stand. Perfall war schon viel nachgiebiger, benutzte den
Hauptvorhang wie auch den eigentlichen Shakespere-Vorhang; hinter
diesem zweiten erhöhte er das Podium um drei Stufen, vor dcm
ersten baute er noch ein Proszenium in den Zuschauerraum hinein.
Er hatte so drei Sprcchorte und deutete die Schauplätze höchstens
durch Prospektwechsel an der hintersten Wand an, wo eine Wandel-
dekoration auf vertikalen Walzen lief. Die Architektur des Pro-
szeniums und der Vorderbühne war neutral gehalten. Perfall konnte
es wagen, Dramen wie „Lear" und „Romeo und Julia" unge-
strichen zu geben; auch Goethes „Götz" hat er zur Aufführung ge-
bracht. Auf Kenner und Künstler sind von dieser Shakespcrebühne
starke Wirkungen geübt worden, das große Publikum aber war nicht
recht mit dem Herzen dabei, die Ausstattungen der Meininger hatten
cs zu sehr „verwöhnt".

Vor mir liegt ein modernes Kuriosum für Bühnenanlagen.
C. W. Schmidt preist in seiner „Jdealbühne" eine neue „Erfindung"

Aunstwart
 
Annotationen