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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 24 (2. Septemberheft 1903)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0719

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eine Nrt Zauberbrille aufsetzt, durch welche sie mit Künstlerauaen in
eine ziemlich bunte Welt zu schauen vermögeu, die meist anmuthig
genug ist, um cinc kleine Zeit heitern Sinues zu verweilen. — Auf
diese Art wenigstcns fantasiere ich mir die Sache vor. Vielleicht ists
auch anders! Nun seh es wie es seh, jedenfalls wünsch ich dem
Käufer Lust und Freude, dem Freund u. Verleger ein recht gutes
Geschäft, u. dem Freund des Verlegers, dem Zeichner? — Etwas, was
frcundlich angedcutct werde.

18. 9. 55.

Gestern Abend sand ich einen Brief aus London vor, worin
mich die Loeietö uuivorsslls äss arts st äs l'iuäustris in London
und Paris zum Ehren-Präsidenten, (will heißen Mitglied) erwählt. Von
Künstleru finde ich noch keine deutschen in der Mitgliederliste, und
von den Parisern H. Vernet, Gudiu, Jngres u. s. w.

Da aber, so viel ich bis jetzt aus dcn französischen Statuten
herausgeklaubt habe, cin kleiner Jahresbeitrag von jedem Mitgliede
gcsteuert wird, so habe ich Lust, nicht anzunehmen, oder vielmehr
die Sache auf sich beruhcn zu lasscn. Das ist nichts für cinen armen
deutschen Maler, das Gott crbarm! — Jch erwähne es nur damit
Sie, mein Ruhmverbrciter, daraus ersehcn, daß derselbe nicht allein
bis an das streitige jusgu'a la msr, sondern glücklich schon darüber
hinaus ist, bis über den Canal. So nrögen sie nur recht brav das
Album dort kaufen.

28. 10. 55.

Leuten, denen die Gabe gebricht sich schön und recht aus-
zudrücken, wie es mir geht, müßten es machcn wie meiu Brudcr
in seinem sehr kindlichen Tagebuche geniacht hat, was mir einmal in
die Hände fiel. Es stand auf eincr ganzen Quartseite nichts als die
großen und großgeschriebenen Worte „O Glück, Glück, Glück u. s. f.
Und aiu Schluß des Blattes „Dic Mutter macht heute Klöse!" — Das
Glück und die Freude waren somit handgreiflich und augenscheinlich
ausgcdrückt, u. ich unterlasse nur deshalb, dies schöne Beispiel nach-
zuahmen, weil das Papier nicht zulangen dürfte.

. . . Und so war gcstern einc merkwürdige Kindtaufe! So ein
armes winzig kleines, gelbes, altes Kindergesichtlein zn sehen, mit ge-
brochenen Augen, stöhnend, nicht vermögend Nahrung zu uehmen, das
ist doch auch eiu rechter Erdenjammer. Jch habe mir das Kindel
recht angegukt und im Siun behalten. Wenn einer das so recht dar-
stellen könnte! ich wüßte nichts rührenderes, in Mark und Bein
schütterndcs, als so ein Wochcnkind, ohne Schuld noch, u. voni Tod

2. Sextemberhest 1903

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