Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 2.1906

DOI Heft:
Fünftes Heft (Mai 1906)
DOI Artikel:
Schapire, Rosa: [Rezension von: Siegfried Levinstein, Kinderzeichnungen bis zum 14. Lebensjahr]
DOI Artikel:
Rothes, Walter: [Rezension von: Die Bibel in der Kunst nach Original-Illustrationen erster Meister der Gegenwart]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.50012#0101

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Mai-Heft.

Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur.

93

Zeichnens zur optischen überzuführen“.*) Wie
wenig der bisherige Zeichenunterricht seiner Auf-
gabe gerecht wird, zeigt sich u. a. auch daran,
dass nach dem 11. Jahre die Naivität der Kinder,
für die die Frage des Schwierigen in der Zeich-
nung bisher nicht existiert hat, nachlässt und die
Zahl der Erzählungsbilder zu grinsten der Frag-
mentbilder zurückgeht.
Wir Kunsthistoriker haben besonderen Anlass,
Levinsteins Untersuchungen zu prüfen. Es kann
für uns nicht gleichgültig sein, dass, wie Virchow
festgestellt hat, „jede Generation Studierendei’
weniger geschult ist, ihre Sinne zu gebrauchen.“
Um jene „Fälligkeit der Beobachtung, welche dem
natürlichen Menschen innewohnt“, wiederzuer-
langen, ist eine Reform des Zeichenunterrichtes
nötig. Freilich nicht des Zeichenunterrichtes allein.
Rosa Schapire
Reproduktionswerke.
Die Bibel in der Kunst nach Original-
Illustrationen erster Meister der Gegen-
wart. Mit erläuterndem Text nach Augustin
Arndt. S. J. Kirchheim & Co., Mainz, 1905
bis 1906, 20 Lieferungen ä M. 1,50.
Es handelt sich hier um ein eigenartiges
kunstgeschichtliches Unternehmen, das, abgesehen
von dem Meisterwerke von Gustave Dore, wohl
ohne Gleichen dasteht. Vorgesehen ist eine Zu-
sammenstellung von Bibelillustrationen von inter-
nationalen Malern, die am Anfänge des XX. Jahr-
hunderts arbeiten, von Vertretern der verschie-
densten modernen Kunstauffassuugen, verschie-
denster moderner Kunsttechnik. Künstler aus
Amerika, Belgien, Deutschland, England, Frank-
reich, Holland, Italien, Oesterreich, Russland,
Spanien sind mit bedeutenden Bildern für das
Unternehmen gewonnen. Das Werk enthält 97
Original-Gravüren, von welchen aber nur 22 das
neue Testament illustrieren, während sich 65 mit
dem alten beschäftigen. Die Bibel in der Kunst
erscheint in 20 Lieferungen ä 1,50 Mk, von welchen
jede 4 bis 5 Illustrationen enthält. Sechs Liefe-
rungen liegen bereits vor und ermöglichen ein
Urteil Wir sehen da: Briton Riviere:
„Schöpfung“, Walter Crane: „Sündenstrafe.“ —
„Kains und Abels Opfer.“ — „Bau der Arche“. —
„Die Sündflut.“ Fritz von Uhde: „Der Herr er-
scheint Abraham.“ — „Agar.“ — „Prüfung Abra-
*) Georg Hirt: „Ideen über Zeichenunterricht
und künstlerische Berufsbildung.“

hams.“ — „Jakob und Rachel.“ — „Moses schlägt
Wasser aus dem Felsen.“ — „Die eherne Schlange.“
— J. L. Geröme: „Rebekka.“ — „Der Sieg über die
Amalekiter.“ — E. A. Abbey: „Jakobs Ringen mit
dem Engel.“ — „Jahel und Sisara.“ — „Debbora.“ —-
„Gedeon.“ — „Sieg Gedeons.“ — Farnes Tissot:
„Joseph und seine Brüder.“ -— „Joseph gibt sich
seinen Brüdern zu erkennen.“ — „Niederlage und
Tötung der Könige der Amorrhiter.“ — Juliaan
de Vriendt: „Die Auffindung Moses’.“ — John
M. Swan: „Der brennende Dornbusch.“ — „Die
Asylstädte.“ — Sir L. Alma Tadema: „Der- Herr
schlägt die Erstgeburt.“ — Sascha Schneider:
„Der Durchgang durch das roteMeer.“ ■— Giovanni
Segantini: „Der Sündenbock.“ — „Maria, des
Aaron Weib, mit dem Aussatze geschlagen.“ —
„Rahab und die Kundschafter. “ — G. R o c h eg r o s s e:
,,Moses zerbricht die Tafeln des Bundes.“
Es ist zu konstatieren, dass Druck und Aus-
stattung der — in Grossfolio — bereits erschienenen
Hefte völlig auf der Höhe der modernen Buchaus-
stattung stehen. Die Gravüren sind mit allem
Raffinement moderner Technik ausgeführt und
kommen brillant zur Geltung.
Auf jede kunstästhetische Erläuterung und
künstlerische Würdigung der Bilder ist verzichtet.
Nur sind den Reproduktionen die eben illustrierten
Stellen der heiligen Schrift des Längeren beige-
geben. Und zwar hat Augustin Arndt, der Neu-
herausgeber der Bibelübersetzung des Augsburger
Domherrn Allioli, den betreffenden Passus jedes-
mal geschickt ausgewählt.
Was die Auswahl der bereits gegebenen resp.
noch zu erwartenden Bilder angeht, so ist das
grosse Ueberwiegen der Bilder alttestamentlichen
Charakters gegenüber jenen, die das neue Testament
illustrieren, 65 gegenüber 22, auffällig. Hätte das
Werk sich nicht ausdehnen lassen, vielleicht in
zwei Bänden erscheinen können, der’ I. Band mit
70 Illustrationen betreffend das alte, der II mit 70
betreffend das neue Testament?— So vermisst
man doch manches gerade für die modernste
biblische Kunst charakteristische Werk, so Adolf
von Menzels „zwölfjähriger Jesus im Tempel,“ die
„Kreuzigungen“ von Stuck und von Klinger u. a.
Ferner hat man am Ende gar zu modern sein
wollen! Max Liebermann und französische Im-
pressionisten werden vertreten sein, aber den
„Grenzpolen“ Arnold Böcklin, etwa mit einer
„Pieta“, Hans Thoma, etwa mit der „Flucht nach
Aegypten“, wird diese Ehre — wohl als „Reaktio-
nären“ — nicht gegönnt!
Und noch eins ist für weite Kreise von Interesse.
Diese moderne Bibel erscheint in einem katho-
lischen Verlag, wird redigiert von einem Jesuiten-
 
Annotationen