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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur — 3.1907

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Achtes/Neuntes Heft (August/September 1907)
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Schottmüller, Frida: [Rezension von: Wilhelm Bode, Die italienischen Bronzestatuetten der Renaissance]
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Schubring, Paul: [Rezension von: Fritz Burger, Francesco Laurana. Eine Studie zur italienischen Quattrocentosculptur]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49882#0192

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Monatshefte der kunstwissenschaftlichen Literatur. Aug./Sept.-Heft.

in den Herkulesstatuetten in Berlin. Doch, nicht
genug damit. Was die grosse Skulptur erst auf
der Höhe des Cinquecento zwang: die Gruppe —
Donatellos Judith war ein Versuch, aber keine
vollgültige Lösung — das meisterte die Kleinkunst
schon im späten Quattrocento. Tier und Mensch
werden nicht nur als Reitergruppe vereint, son-
dern auch, in komplizierteren Problemen: so der
Belleroplion Bertoldos, sein „Löwenkampf“ der
Sammlung Boule und Pollaiuolos Herkules und
Cacus (Taf. IX, XIV, XV).
So nahe sich die beiden Meister waren in
Alter und Lebensverhältnissen, Antonio Pollaiuolo
und Bertoldo, im Stil sind sie polar verschieden
von einander. Eckig, zierlich und aufgelöst in
den Konturen gibt Pollaiuolo seinen Herkules und
seine Kämpfenden; reich an Bewegung, auch in
der Tiefenrichtung, runder und breiter in der For-
mung der Uebergänge, wie zusammengeschlossen
vom einfachen Umriss sind Gruppen und Statu-
etten des Bertoldo. Sein Schlachtenrelief ist berühmt
geworden durch Vasaris Lob; aber fast alle seine
Bronzestatuetten stehen künstlerisch viel höher.
Aus ihnen lernen wir die Anregungen kennen,
die Michelangelo dem Donatello-Schüler dankt.
Vom Zeitgenössischen sei hier das Wichtigste ge-
nannt : die Venus Adriano Fiorentinos, die Mark
Aurels-Kopie des Filarete, Pasquinos da Monte-
pulciano Puttengitter im Prateser Dom und die
figürlichen Details von der Umrahmung der südlichen
Baptisteriumstür. Sie sind einWerkVittorioGhibertis,
Lorenzos Sohn, dessen interessantes Skizzenbuch
immer noch der Veröffentlichung wartet. Sein
phantastischer Faltenstil erinnert am ehesten an
Pollaiuolos Tugendreliefs (Rom), Typen und zarte
Modellierung an Desiderios und Rossellinos Art.
Ober-Italien hat sich eignen Stil bewahrt,
obwohl Donatello zehn Jahre in Padua gelebt.
Ja, vielleicht ist unter dem Druck seiner geschäf-
tigen Werkstatt die Eigenart der dortigen Kunst
erstarkt. Schon bei Bellano meldet sich die Freude
am Genrehaften, die Anekdote. Statt des David
stellt man gern den kleinen Tobias dar, und Typen
wie der Hirtenjunge mit den Hunden und die
„Hexe“ (Tafel XXIII) suchen wir vergeblich in
Florenz, ebenso einen phantastischen Aufbau wie
den „Höllenberg“ (Taf. XXV) und Landschafts-
szenen wie der „Heuschreckenfänger unterm grossen
Baum“ (Tafel XXVI). Auch Bellanos Haarbehand-
lung mit ihren derben Wellenlinien und den
knittrigen Gewändern sind oberitalienische Eigenart
— und von der Malerei, der Holz- und Stein-
skulptur bekannt. — Unter Riccio erreicht die
paduanische Kleinplastik ihre Sonnenhöhe. Er
hat in zweiundsechzigjährigem Leben eine reiche

Tätigkeit entfaltet, nicht nur verschiedenartige
Typen als Einzelfigur und Gruppe dargestellt,
sondern auf kunstgewerblichem Gebiet auch Neues,
Wertvolles geschaffen. Denn er besass ein sicheres
Feingefühl für abgeklärte, schöne Formen, das
beweist der melkende Satyr, die ruhende Nymphe,
der Wasserträger (Taf. XXII—XXIV) und dazu
besonderes Verständnis für tierische Eigenart.
Seine Kunst zeigt sich hier polar verschieden von
der toskanischen; denn die betonte beim Tier wie
auch beim Menschen Proportion und Körper-Or-
ganismus, und ordnete Kontrasten dieser Art zu-
liebe das Tier dem Menschen bei. In Padua da-
gegen ist seine äussere Erscheinung, Fell und
Hörner, Haut und Kruste prachtvoll individuali-
siert — ich erinnere an die Kröte, den Taschen-
krebs, — und zudem ist das Tierische, Instinkt-
sichere im Tier genrehaft — fast kann man sagen
vermenschlicht — dargestellt. Man betrachte die
Ziege (Taf. XXVIII), aber auch die Satyre und
Faune gehören bedingt in diesem Zusammenhang.
Und schliesslich war dem Meister Riccio quellende
Phantasie zu eigen, die ihm für Leuchter, Lampen,
Kästchen immer neue, kapriziöse Formen finden
liess. — Auch Maler jener Zeit jenseits der Alpen,
z. B. Bosch schaffen ja wildromantische Tier-
schöpfungen. — Da wächst aus einer Riesenkralle
eine Sirene als Kerzenträger oder ein Stierkopf,
umfasst von einem Negerknaben: eine Lampe.
Schlangenwerk zum Teil zu Henkeln umgebogen —•
umringelt malerisch andere Geräte. — Man sieht
aus dieser kurzen Schilderung, die „Bronzesta-
tuetten“ bringen noch mehr, als ihr Titel zu ver-
sprechen scheint. Die vornehmste Kleinkunst,
zugleich die modernste jenes glücklichen Jahr-
hunderts gewährt uns wichtige neue Einblicke in
die Kultur der Renaissance. Für die nächsten
Lieferungen sind u. a. Oberitaliener wie Francesco
da Sant’Agata, Pier Ilario genannt Antico und
danach das florentinische Cinquecento auf dem
Programm. Kleine Bruchstücke hiervon brachten
schon „Kunst und Künstler“. Vielleicht wird uns
Gelegenheit, auch von den späteren Heften hier
ausführlich zu berichten.
Frida Schottmüller
Fritz Burger, Francesco Laurana. Eine
Studie zur italienischen Quattrocentosculptur.
Mit 37 Lichtdrucktafeln und 49 Abbildun-
gen im Text. Strassburg, Heitz, 1907. 178 S.
Die Debatte über diesen eigenartigen Dalma-
tiner wurde vor fünf Jahren durch die Controverse
in der Zeitschrift Les arts wieder belebt, wo die
französische Forschung, ausgehend von den Arbeiten
Lauranas in Frankreich, die von Bode behauptete
 
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