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Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

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Nr. 1
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Berger, Ernst: Römische Wachsmalerei zu Goethes Zeit: ein Beitrag zur Geschichte der Maltechnik
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Waetzoldt, Wilhelm: Farbenerlebnis und Kolorismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0007

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Nr. i.

Münchner kunsttechnische Blätter.

3

I. Reinster arabischer Gummi wird gestossen,
ebensoviel weisses, unvermischtes Wachs in kieine
Stücke zerschnitten.
„Ist die Dosis von jedem % Pfund, so giesse man
i*/s Bouteille rein Wasser darüber in einen neuen
glasürten Topf, und lasse soiches bey tebhaftem Feuer
und beständigem Umrühren mit neuem Hachen Höltzchen
woh) zusammenschmeizen und einige mahi aufkochen."
Durch wiederhoites Umrühren könne man ieicht
das Schäumen des Wassers verhindern. Man solle
nicht zu rasch den Topf vom Feuer nehmen, „denn
je länger das Wachs mit dem Gummi zusammenschmelzet,
je mehr öhlichte Theile lösen sich aus demselben und
vereinigen sich im Gummi-Wasser, und eben diese
öhlichte Theile sind dasjenige, so dieses Wasser zur
Wachsmahlerey vorzüglich brauchbar machet".
Das Wasser lasse man langsam erkalten. Rührt
man es dabei um, so lösen sich noch einige feine Theile
vom Wachs, die das Gummiwasser fetter und zum Ver-
reiben unter die Farben brauchbarer machen.
Das geronnene Wachs nehme man nach völliger
Erkaltung des Wassers ab. (Nur noch zur Bereitung
von Kerzen etc. brauchbar.)
Das Wasser wird durch ein feines Leinentuch ge-
geben und in Flaschen aufbewahrt. Es hält sich lange,
namentlich wenn etwas Spiritus hie und da zugesetzt wird.
II. Als Farben bediene man sich am besten „der
körperlichen Mineralfarben".
„Jede dieser Farben reibet man auf den härtesten
Steinen mit dem verfertigten Gummi- und Wachswasser,
um die Hälfte mit gemeinem Wasser verdünnet auf's
allerfeinste, aber etwas dicklich ab, und hebet solche
zum Gebrauch in Gläsern oder kleinen glasürten Ge-
schirren, wohl verdecket zum Gebrauch auf, und erhält
solche durch Aufgiessung etwas verdünnten Gummi-
Wassers beständig feucht."
Will man nun malen, so müssen diese Farben mit
Zusatz von etwas Gummiwasser in gläsernen Schalen
Hüssiger gemacht werden. Die glatt gehobelte Holz-
tafel wird nun mit Gummiwasser überstrichen, oder
mit „auf besagte Art abgeriebenem" Bleiweiss oder
einer anderen hellen, gut deckenden Farbe grundirt.
Sonst kann man auch die Täfelchen mit holländischem
Royalpapier, das die Farben sehr gut annehme, bekleben.
Die Rückseite der Tafeln werden mit geschmol-
zenem Wachs, um das Eindringen von Feuchtigkeit
und den Wurmstich abzuwehren, überzogen.
Ebenso kann man auf „mit weisser Wachsfarbe
gegründete, feine Leinwand, Taffent, mit feinem Papier
überzogenem Pappendeckel" malen, und auf Mauerwände,
„welche mit verschiedenen Lagen von gut bindendem
Mörtel überkleidet werden, unter welchen der letzte
Mörtel von % fein durchgesiebten oder gar abgeriebenen
Marmorstaub und stark bindenden Kalk vermischt,
in der Dicke eines Messerrückens, auf die noch etwas
feuchte Unterlage aufgelegt, überrieben und geglättet
werden muss". (Es wird dann an die Wände antiker
Gebäude erinnert.) (Fortsetzung folgt.)
Farbenerlebnis und Kolorismus*).
Von Wilhelm Waetzoldt.
Was wir in der beleuchteten Aussenwelt sehen,
wenn wir einzig und allein das Auge befragen,
ist ein Nebeneinander von Farben verschiedener
Qualität und Ausdehnung. Dieses Erlebnis nennen
*) Dieser Aufsatz wird verwertet werden im Malerei-
kapitel meines Buches: „Kunstbetrachtung" (Eine
Einführung in das Verständnis der bildenden
Künste), das demnächst im Verlage von Ferdinand
Hirt & Sohn in Leipzig erscheinen soll.

wir das Farbenerlebnis. Dabei soll der Begriff
„Farbe" so weit gefasst werden, dass auch die
Helligkeitsunterschiede darunter verstanden wer-
den; für das Auge ist ja jedes Licht gefärbt; ein
farbloses Licht wäre schlechthin unsichtbar. Für
die physikalische Auffassung freilich, die in den
Farben gebrochenes oder zurückgeworfenes Licht
sieht, hat nur das Licht Existenz. Für uns aber
kommen weder die physikalischen Bedingungen
(Strahlungen), noch die physiologischen Ursachen
(Nervenprozesse) des Farbensehens in Betracht,
sondern es handelt sich ausschliesslich um dieses
als Bewusstseinsinhalt.
Wenn sich nun das optische Weltbild nur aus
Farbenempfindungen aufbaut, wie kommt es dann,
dass wir im blossen Sehen dieser Farben doch
den ganzen Reichtum der Wirklichkeit besitzen?
Die Eindrücke des Gesichtssinnes verwachsen auf
Grund vielfacher Erfahrung mit Wahrnehmungen
aus anderen Sinnesgebieten zu einem unzerleg-
baren Gesamterlebnis. Das Auge ist befähigt,
die Stellvertretung anderer Sinne zu übernehmen,
d. h. wir sehen den Dingen nicht nur ihre sicht-
baren Eigenschaften an (Farbe, Ausdehnung usw.),
sondern scheinbar auch andere Qualitäten, die
durch das Auge nicht unmittelbar wahrzunehmen
sind, z. B. die Entfernung eines Gegenstandes
von uns und von anderen (durch erfahrungs-
mässigen Vergleich), auch seine Stofflichkeit:
Härte, Weichheit, Schwere, Leichtigkeit, Glätte,
also Unterschiede, über die der Tastsinn Auskunft
zu geben pflegt. Das, was wir sehen, ist also
nicht nur bestimmt durch Art und Stärke des
Lichtes und durch den Zustand des Netzhaut-
apparates, sondern auch durch die Reproduktion
von Tasteindrücken und anderen früheren Er-
fahrungen beim Sehen. Je nachdem nun die
Farbenempfindungen auf Bewegungs- und Tast-
eindrücke hinweisen oder dies nicht tun, unter-
scheiden wir innerhalb des Farbenerlebnisses ver-
schiedene typische Verhaltungsweisen des Sehens
(Sehweisen). Mit Hilfe genauer Selbstbeobach-
tung lassen sich drei grundverschiedene Sehweisen
auseinanderhalten, deren Sondercharakter selten
einzeln zum Bewusstsein kommt, da sie sich im
Alltagsleben mannigfach berühren und durch-
dringen. In jeder dieser Abwandlungen des
Farbenerlebnisses besitzt die Farbe einen eigenen
Wert, der durch den Inhalt dessen bestimmt wird,
was sie jeweils über die Wirklichkeit aussagt.
Unser praktisches Sehen ist dem Bedürf-
nisse entsprungen, uns in der Aussenwelt zurecht-
zufinden. Dazu verhelfen uns u. a. auch die
Farben der Dinge. Denn sie lassen diese sich
deutlich voneinander abheben, bezeichnen ihre
Stofflichkeit, ihre Grenzen und ihre Teile und
weisen den Gegenständen im Raume ihren Platz
an (Farbenperspektive, vor- und zurücktretende
Farben). Dadurch können sie sogar unser prak-
 
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