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Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

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Nr. 7
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Die Chancen des Deutschen Farbenbuches, [4]
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Berger, Ernst: Die Geschichte der Maltechnik in der neueren Literatur, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0030

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26

Münchner kunsttechnische matter.

Nr. 7.

fügung, wofür mit Leichtigkeit ein paar grosse
schon vorhandene und erweiterungsfähige Farben-
fabriken übernommen werden könnten, die den
Bedarf sämtlicher Malermeister von Deutschland
zu versorgen hätten. Der Umsatz einer solchen
Fabrik ginge in die Millionen und die Aktionäre
hätten glänzende Dividenden. Da der Verdienst
des Zwischenhandels wegfiele (nur Verkaufsdepots
in allen grösseren Zentren wären zu errichten),
würde auch das Material zu „angemessenen"
Preisen zu liefern möglich sein.
Von einzelnen Versuchen zur Bildung von Ein-
kaufsgenossenschaften abgesehen, ist bis jetzt nichts
geschehen, um den obigen Plan zu verwirklichen.
Von der Gründung einer Lithopone-Weissfabrik
war wohl, wenn ich nicht irre, schon die Rede.
Aber es wird nicht dazu kommen; denn es sind
Anzeichen vorhanden, dass die Händler alles daran-
setzen, um sich die grosse Malerkundschaft nicht
zu verscherzen. In ihren Preislisten sind einige
Firmen den Forderungen der Maler nach jeder
Richtung entgegengekommen, durch Deklarierung
der Farben nach den von der „Kommission" vor-
geschriebenen Normen; sie bezeichnen die Grund-
farben mit G, die Verschnittfarben mit V, Misch-
farben mit M, Phantasienamen mit F, S bedeutet
geschönte Farben, mitT sind Farbstoffe bezeichnet,
die einen Teerfarbstoff als wesentlichen Bestand-
teil enthalten; auch bei Bleiweiss wird genau an-
gegeben, wieviel Prozent Spatzusatz jede Marke
enthält, und bei Lithoponeweiss ist der Gehalt an
Schwefelzink ersichtlich. Bei jeder Farbe ist noch
in besonderer Rubrik die Giftigkeit, Lichtbeständig-
keit, das Verhalten gegen Schwefelwasserstoff,
Säuren und Alkalien, sowie die Verwendbarkeit
in den einzelnen Techniken (Oel, Leim, Kalk u. a.),
auch die Form, in welcher die Farbe geliefert
wird (Kugeln, Brocken, Pulver, Hütchen, Würfel,
Teigform), ist genau vermerkt. Mehr an prak-
tischen Hinweisen wird auch das „Deutsche
Farbenbuch" nicht bieten! Es wird nicht lange
währen und auch die Lack- und Firnisbranche,
die Farbenfabriken aller Art werden dem Beispiele
folgen, denn ihr geschäftliches Interesse erfordert
dieses Entgegenkommen, so dass nach einiger
Zeit, ganz unversehens neue „Gewohn-
heiten" und „Gebräuche" im Handel mit
Farben, Oclen und Malmaterialien sich
eingestellt haben werden. Ja selbst die
Möglichkeit ist vorhanden, dass an dem Tage, da
das „Deutsche Farbenbuch" einstens fertig ist,
es niemand mehr nötig haben wird, denn die
neuen Forderungen, die es an die Fabrikanten
und Händler stellt, werden dann gewährt und die
„Missstände" werden durch Einführung neuer Ge-
bräuche und Gewohnheiten des Handelsverkehrs
infolge des gegenseitigen Entgegenkommens be-
seitigt sein. Im allgemeinen Interesse wäre zu
wünschen, dass es so und nicht anders kommt!

Mit einem solchen Erfolge könnten auch die heiss-
blütigsten Verfechter des „Deutschen Farben-
buches" vollauf zufrieden sein.
Die Geschichte der Maltechnik in der
neueren Literatur.
Von E. Berger. (Fortsetzung.)
Auch Eibner hatte sich mit dieser Frage be-
schäftigt und eine gelehrte Abhandlung darüber ver-
öffentlicht*). Er „fand", dass punisches Wachs „ein
durch Aufnahme von Magnesium und Kalzium aus dem
Meerwasser in der Weise verändertes und gebleichtes
Bienenwachs ist, dass es an Stelle der freien Zerotin-
säure und Melissensäure deren Salze mit den genannten
Basen enthält." Diese wissenschaftliche Erklärung
mag ja zutreffen, aber für die praktische Verwend-
barkeit der Wachsmasse ist sie gleichgültig. Vor
allem ist wichtig, ob die von Eibner als punisches
Wachs gekennzeichnete Masse in der Weise zu
brauchen ist, wie dies Plinius und Vitruv bei
dem Ganosisverfahren beschreiben**). Und in
diesem Punkte steigen mir gerechte Bedenken auf,
denn es ist mir nicht ein einziges Mal gelungen,
diese „krümelige, luckige Wachsmasse" weder mit
wenig Oel, wie es in der Vorschrift heisst (ceram
punicam ...paulo oleo temperatam), nochüberhaupt
zu einer flüssigen Masse zu schmelzen (die
Masse bläht sich auf und wirft Blasen!) und auch in
dem Eibnerschen Buche finde ich nirgends eine An-
gabe darüber, dass er den Ganosisüberzug auf Marmor-
oder Wandfläche auch wirklich versucht hat.
Noch ein weiteres Bedenken kann ich nicht unter-
drücken: S. 333 gibt Eibner selbst an, dass die bei
der Herstellung des punischen Wachses „auf der
Wasseroberfläche schwimmenden Wachsscheiben
sodann aufgehoben und an Fäden aufgehängt dem
Sonnen- und Mondlichte zur Bleichung ausgesetzt
werden sollten". Aber ob dies mit der krüme-
ligen, „luckigen Masse" des Eibnerschen pu-
*) Beilage der Münch. Allg. Zeitung i9°5< Nr. 273
und 276.
**) Das Verfahren bestand in einem jedenfalls
sehr dünn zu denkenden Ueberzug von mit etwas
Oel flüssig gemachtem „punischen Wachs",, das in
heissem Zustand mittels Borstpinsel aufgestrichen
wurde, dann durch nahegebrachte glühende Kohlen
bis zum Schwitzen erhitzt und nachher mit reinen
Leinentüchern abpoliert wurde (s. Vitruv. VII 9, 3
und Plin. XXXIII § 122). Wenn Eibner gleich einigen
anderen aus diesen Stellen schliesst, dass die Ganosis
ausschliesslich nur bei Zinnoberwänden angewandt
worden sei, so geht dieser Schluss zu weit. Vielmehr
folgt daraus nur, dass in diesem Falle um der guten
Erhaltung der Farbe willen die Ganosis geradezu
unentbehrlich war, und es ist keineswegs aus-
geschlossen, dass sie auch bei andersfarbiger Wand-
dekoration aus demselben Grunde vorgekommen ist,
wenn der Besitzer des Hauses die Kosten nicht scheute.
Die bemalten Statuen, die demselben Verfahren unter-
worfen wurden, wiesen doch auch andere Farben als
bloss Zinnober oder gar keine Bemalung auf, und
ausserdem spricht dafür die allgemeine Bemerkung
bei Plin. XXI § 83, dass das Wachs zum Schutze
von Wänden und Waffen diene (ad . . . parietum-
que etiam et armorum tutelam), wenn auch gewiss
nicht alle Rüstungen und Waflenstücke und nicht
alle Wände regelmässig einen solchen schützenden
Wachsüberzug erhalten haben werden. Die Zinnober-
wand ist nur ein f zufällig erwähntes) Beispiel für die
allgemeine Bemerkung.
 
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