Nr. 7.
Münchner kunsttechnische Blätter
27
nischen Wachses möglich ist, möchte ich aufs
entschiedenste bezweifeln. Daraus folgt, und
nicht minder aus dem negativen Resultate meiner
Versuche, dass Eibner doch nicht das wirkliche
punische Wachs der Alten gefunden hat, sondern dass
seine Erklärung eben nur eine Ansicht mehr be-
deutet zu den zahlreichen schon vorhandenen, von
anderen geäusserten Ansichten, die ein jeder iür die
richtige gehalten hat. Das ist ja auch leicht verständ-
lich, aber man ward darin doch nicht die Berechtigung
erblicken dürfen, mit Adjektiven wie „irrig", „miss-
verständlich", „irrtümlich" u. dgl. so freigebig zu sein,
wie es der Verfasser getan hat! Man muss daraus viel-
mehr schliessen, dass bei so entfernt liegenden Dingen
verschiedene Ansichten möglich sind, weil die Grund-
lagen eben doch nicht über alle Zweifel sichergestellt
sind. Es liegt mir ferne, hier irgendwie die alte
Streitfrage aufrollen zu wollen, kann es mir aber den-
noch nicht versagen, die Ansicht eines unserer aller-
ersten Gelehrten, des bekannten Chemikers Geheimrat
W. Ostwald, mit dem ich Gelegenheit hatte, aus-
führlich über das punische Wachs zu sprechen, hier
anzureihen; sie ist naturgemäss wieder ganz anders
und sie trifft, wie so vieles, was der berühmte Gelehrte,
der ein klarer Denker ist, sagt, den Nagel auf den
Kopf. Er meinte, das Rezept des Plinius für An-
fertigung des punischen Wachses betreffend, dürfe
man nicht so wörtlich nehmen, da Plinius nur Kom-
pilator und kein Fachmann gewesen sei, überdies
fehle in dem Rezept jede Angabe des Gewichtes
und der Masse, was gerade in diesem Falle
von der grössten Wichtigkeit wäre.
Durch diese Meinungsäusserung bekommen alle
jene recht, die nur auf die praktische Lösung der
Frage ausgingen und das Ganosis-Verfahren zum
Ausgangspunkt ihrer Versuche genommen hatten.
Es ist jedoch gar nicht nötig, so weit zu gehen,
wenn man versucht, die Angaben der Alten sinn-
gemäss, d. h. auf den praktischen Endzweck hin zu
erkennen, wie es der leider zu früh verstorbene
Schweizer Chemiker Dr. Otto Buss zu tun versucht
hat. Mir liegt eine ausführliche Korrespondenz dar-
über vor, die zu veröffentlichen zu meinem Bedauern
bisher nicht möglich war, weil darin zum Teil auch
die Busssche Tempera betreffenden Fabrikationsgeheim-
nisse enthalten sind, und mir von der Witwe die Er-
laubnis dazu nicht erteilt werden konnte.
Dr. Buss hat nun auf Grund der Plinianischen
Angaben ein „punisches Wachs" hergestellt, das ganz
ähnlich dem Eibnerschen eine feste Masse war,
aber er fand im Verfolg seiner Versuche, dass
sich dieseMasse in heissemWasseremulsions-
artig verteilte, und in dieser Form Hess sich
aufs leichteste das Ganosis genannte Verfahren
auf jeder festen Unterlage (Mauer, Marmor u. a.) aus-
führen. Er gab in den Briefen wiederholt seiner
Ueberzeugung Ausdruck, dass durch seine Versuche
die ganze Frage sowohl theoretisch als praktisch einer
befriedigenden Lösung zugeführt werden könnte und
dass die von mir schon vor vielen Jahren geäusserte
Ansicht derEmulsionsfähigkeit des sog. punischen
Wachses ihre volle Berechtigung habe.
IV.
Neben der antiken Enkaustik und ihren Folge-
techniken ist von jeher auch die Technik der römisch-
pompejanischen Wandmalerei viel umstritten
worden. Die Behandlung der Frage nimmt auch bei
Eibner einen ziemlich grossen Raum ein. Ich erkenne
gerne an, dass der Verfasser sich Mühe gegeben hat,
die verschiedenen Ansichten nach ihrem wirklichen
Wert einzuschätzen und den Ursachen nachzugehen,
die zu dieser Verschiedenheit Anlass geben. Aber
ich vermisse auch hierdie praktischen Erfahrungen,
die allein nötig sind, um alle Feinheiten und Unter-
schiede innerhalb eines so eigenartigen technischen
Verfahrens, wie es die Bemalung pompejanischer
Stuckflächen ist, beurteilen zu können. Eibner hält
den Stil innerhalb der Freskotechnik für die Ur-
sache der Aenderung des Verfahrens, weil man zur
römischen Zeit Wert auf einfarbige, glatte Flächen
legte und nur die Ornamente und Umrandungen auf-
gemalt hätte, während die Bilder auch räumlich nicht
die Ausdehnung gehabt hätten, wie zur späteren Zeit,
der Renaissance. Ich glaube, dass dies nicht so be-
stimmt zu sagen ist, da in Pompeji wiederholt ganze
Wandflächen mit figürlichen Darstellungen bedeckt
sind und erst kürzlich in der Nähe der Stadt eine
Villa aufgedeckt wurde, deren Hauptraum eine Kom-
position mit lebensgrossen Figuren schmückt. Anderer-
seits kann man in Pompeji oder im Museum zu Neapel
miniaturartig ausgeführte Malereien sehen; also ein
technischer Unterschied ist durch den Stil allein ge-
wiss nicht bedingt. Mir will gerade das Umgekehrte wahr-
scheinlicher dünken, dass aus dem Wesen der Stuck-
technik, die die Herstellung geglätteter, marmorähnlicher
Flächen gestattete, der sog. pompejanische Stil sich erst
bildete; denn wir wissen doch, dass das Material den
Stil bedingt, ganz gleich, ob es sich um Metallarbeit
(Bronzeguss), Keramik, Glasmalerei usw. oder um
Malerei handelt. Der pompejanische Stil teilt sich,
wie dies der inzwischen verstorbene beste Kenner
der antiken Wandmalerei, Aug. Mau, feststellte, in
einige Stilformen, deren erste schon die Nachahmung
von farbigem Marmor zeigt, es folgte der „Architektur-
stil", diesem der „ornamentale Stil", und bei allen
ist auf die geglättete, marmorähnliche Fläche Gewicht
gelegt. Der übertriebene Luxus der Kaiserzeit hat
dann an Stelle des gemalten Marmors die In-
krustation der Wände mit echtem Material zur
Folge gehabt und die Malerei auf Wänden ganz zurück-
gedrängt. Als bedeutendstes noch erhaltenes Beispiel
dieser Periode erwähne ich das Pantheon mit seinem
über die ganze innere Fläche ausgedehnten Marmor-
belag; auch in den Titusthermen sieht man noch, bis
zu welcher Höhe dieser Belag einst reichte, und selbst
die Form der Marmorinkrustation ist noch deutlich
erkennbar. In den folgenden Jahrhunderten war das
Mosaik die vorherrschende Dekorationsart in öffent-
lichen und vornehmen Privatgebäuden (Beispiele: die
Bauten in Ravenna, Markuskirche zu Venedig, Paläste
in Palermo u. a.).
Erst aus der Mosaiktechnik hat sich das
später zu höchster Blüte gebrachte Fresko entwickelt,
und zwar, wie ich in meiner „Technik des Altertums"
angeführt habe, hat es sich aus den wesentlichen Mo-
menten der Mosaikarbeit von selbst herausgebildet.
Denn der Mosaizist musste nach der allgemeinen Auf-
zeichnung auf dem Rauhbewurf in einzelnen Stücken
Weiterarbeiten, er musste die Zeichnung auf dem
feuchten Grunde aufmalen, um die Stein- und Glas-
stückchen dann eindrücken zu können, und er musste
das an einem Arbeitstage Uebriggebliebene ab-
schneiden, um am nächsten Tag frischen Mörtel
(oder Zement) auftragen zu können. Also genau die
nämlichen Arbeitsfolgen, wie es die spätere Fresko-
technik aufweist!
Ein direkter Uebergang von der pompejanischen
Stucktechnik zur Freskotechnik kann schon deshalb
nicht stattgefunden haben, weil das Material der beiden
Techniken allzu verschieden ist (6fache Schichtung
und Marmorstuck in auffallend starker Dicke,
glänzend glatte Fläche einerseits, zwei dünne
Schichten und rauher Sandmörtel andererseits)
und weil ein jahrhundertelanges Schlummern einer
Technik und dann deren plötzliches Wiederaufleben
gegen jede natürliche Entwicklung sprächen.
Ausser in seinem Buche S. 238f. hat sich der Ver-
Münchner kunsttechnische Blätter
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nischen Wachses möglich ist, möchte ich aufs
entschiedenste bezweifeln. Daraus folgt, und
nicht minder aus dem negativen Resultate meiner
Versuche, dass Eibner doch nicht das wirkliche
punische Wachs der Alten gefunden hat, sondern dass
seine Erklärung eben nur eine Ansicht mehr be-
deutet zu den zahlreichen schon vorhandenen, von
anderen geäusserten Ansichten, die ein jeder iür die
richtige gehalten hat. Das ist ja auch leicht verständ-
lich, aber man ward darin doch nicht die Berechtigung
erblicken dürfen, mit Adjektiven wie „irrig", „miss-
verständlich", „irrtümlich" u. dgl. so freigebig zu sein,
wie es der Verfasser getan hat! Man muss daraus viel-
mehr schliessen, dass bei so entfernt liegenden Dingen
verschiedene Ansichten möglich sind, weil die Grund-
lagen eben doch nicht über alle Zweifel sichergestellt
sind. Es liegt mir ferne, hier irgendwie die alte
Streitfrage aufrollen zu wollen, kann es mir aber den-
noch nicht versagen, die Ansicht eines unserer aller-
ersten Gelehrten, des bekannten Chemikers Geheimrat
W. Ostwald, mit dem ich Gelegenheit hatte, aus-
führlich über das punische Wachs zu sprechen, hier
anzureihen; sie ist naturgemäss wieder ganz anders
und sie trifft, wie so vieles, was der berühmte Gelehrte,
der ein klarer Denker ist, sagt, den Nagel auf den
Kopf. Er meinte, das Rezept des Plinius für An-
fertigung des punischen Wachses betreffend, dürfe
man nicht so wörtlich nehmen, da Plinius nur Kom-
pilator und kein Fachmann gewesen sei, überdies
fehle in dem Rezept jede Angabe des Gewichtes
und der Masse, was gerade in diesem Falle
von der grössten Wichtigkeit wäre.
Durch diese Meinungsäusserung bekommen alle
jene recht, die nur auf die praktische Lösung der
Frage ausgingen und das Ganosis-Verfahren zum
Ausgangspunkt ihrer Versuche genommen hatten.
Es ist jedoch gar nicht nötig, so weit zu gehen,
wenn man versucht, die Angaben der Alten sinn-
gemäss, d. h. auf den praktischen Endzweck hin zu
erkennen, wie es der leider zu früh verstorbene
Schweizer Chemiker Dr. Otto Buss zu tun versucht
hat. Mir liegt eine ausführliche Korrespondenz dar-
über vor, die zu veröffentlichen zu meinem Bedauern
bisher nicht möglich war, weil darin zum Teil auch
die Busssche Tempera betreffenden Fabrikationsgeheim-
nisse enthalten sind, und mir von der Witwe die Er-
laubnis dazu nicht erteilt werden konnte.
Dr. Buss hat nun auf Grund der Plinianischen
Angaben ein „punisches Wachs" hergestellt, das ganz
ähnlich dem Eibnerschen eine feste Masse war,
aber er fand im Verfolg seiner Versuche, dass
sich dieseMasse in heissemWasseremulsions-
artig verteilte, und in dieser Form Hess sich
aufs leichteste das Ganosis genannte Verfahren
auf jeder festen Unterlage (Mauer, Marmor u. a.) aus-
führen. Er gab in den Briefen wiederholt seiner
Ueberzeugung Ausdruck, dass durch seine Versuche
die ganze Frage sowohl theoretisch als praktisch einer
befriedigenden Lösung zugeführt werden könnte und
dass die von mir schon vor vielen Jahren geäusserte
Ansicht derEmulsionsfähigkeit des sog. punischen
Wachses ihre volle Berechtigung habe.
IV.
Neben der antiken Enkaustik und ihren Folge-
techniken ist von jeher auch die Technik der römisch-
pompejanischen Wandmalerei viel umstritten
worden. Die Behandlung der Frage nimmt auch bei
Eibner einen ziemlich grossen Raum ein. Ich erkenne
gerne an, dass der Verfasser sich Mühe gegeben hat,
die verschiedenen Ansichten nach ihrem wirklichen
Wert einzuschätzen und den Ursachen nachzugehen,
die zu dieser Verschiedenheit Anlass geben. Aber
ich vermisse auch hierdie praktischen Erfahrungen,
die allein nötig sind, um alle Feinheiten und Unter-
schiede innerhalb eines so eigenartigen technischen
Verfahrens, wie es die Bemalung pompejanischer
Stuckflächen ist, beurteilen zu können. Eibner hält
den Stil innerhalb der Freskotechnik für die Ur-
sache der Aenderung des Verfahrens, weil man zur
römischen Zeit Wert auf einfarbige, glatte Flächen
legte und nur die Ornamente und Umrandungen auf-
gemalt hätte, während die Bilder auch räumlich nicht
die Ausdehnung gehabt hätten, wie zur späteren Zeit,
der Renaissance. Ich glaube, dass dies nicht so be-
stimmt zu sagen ist, da in Pompeji wiederholt ganze
Wandflächen mit figürlichen Darstellungen bedeckt
sind und erst kürzlich in der Nähe der Stadt eine
Villa aufgedeckt wurde, deren Hauptraum eine Kom-
position mit lebensgrossen Figuren schmückt. Anderer-
seits kann man in Pompeji oder im Museum zu Neapel
miniaturartig ausgeführte Malereien sehen; also ein
technischer Unterschied ist durch den Stil allein ge-
wiss nicht bedingt. Mir will gerade das Umgekehrte wahr-
scheinlicher dünken, dass aus dem Wesen der Stuck-
technik, die die Herstellung geglätteter, marmorähnlicher
Flächen gestattete, der sog. pompejanische Stil sich erst
bildete; denn wir wissen doch, dass das Material den
Stil bedingt, ganz gleich, ob es sich um Metallarbeit
(Bronzeguss), Keramik, Glasmalerei usw. oder um
Malerei handelt. Der pompejanische Stil teilt sich,
wie dies der inzwischen verstorbene beste Kenner
der antiken Wandmalerei, Aug. Mau, feststellte, in
einige Stilformen, deren erste schon die Nachahmung
von farbigem Marmor zeigt, es folgte der „Architektur-
stil", diesem der „ornamentale Stil", und bei allen
ist auf die geglättete, marmorähnliche Fläche Gewicht
gelegt. Der übertriebene Luxus der Kaiserzeit hat
dann an Stelle des gemalten Marmors die In-
krustation der Wände mit echtem Material zur
Folge gehabt und die Malerei auf Wänden ganz zurück-
gedrängt. Als bedeutendstes noch erhaltenes Beispiel
dieser Periode erwähne ich das Pantheon mit seinem
über die ganze innere Fläche ausgedehnten Marmor-
belag; auch in den Titusthermen sieht man noch, bis
zu welcher Höhe dieser Belag einst reichte, und selbst
die Form der Marmorinkrustation ist noch deutlich
erkennbar. In den folgenden Jahrhunderten war das
Mosaik die vorherrschende Dekorationsart in öffent-
lichen und vornehmen Privatgebäuden (Beispiele: die
Bauten in Ravenna, Markuskirche zu Venedig, Paläste
in Palermo u. a.).
Erst aus der Mosaiktechnik hat sich das
später zu höchster Blüte gebrachte Fresko entwickelt,
und zwar, wie ich in meiner „Technik des Altertums"
angeführt habe, hat es sich aus den wesentlichen Mo-
menten der Mosaikarbeit von selbst herausgebildet.
Denn der Mosaizist musste nach der allgemeinen Auf-
zeichnung auf dem Rauhbewurf in einzelnen Stücken
Weiterarbeiten, er musste die Zeichnung auf dem
feuchten Grunde aufmalen, um die Stein- und Glas-
stückchen dann eindrücken zu können, und er musste
das an einem Arbeitstage Uebriggebliebene ab-
schneiden, um am nächsten Tag frischen Mörtel
(oder Zement) auftragen zu können. Also genau die
nämlichen Arbeitsfolgen, wie es die spätere Fresko-
technik aufweist!
Ein direkter Uebergang von der pompejanischen
Stucktechnik zur Freskotechnik kann schon deshalb
nicht stattgefunden haben, weil das Material der beiden
Techniken allzu verschieden ist (6fache Schichtung
und Marmorstuck in auffallend starker Dicke,
glänzend glatte Fläche einerseits, zwei dünne
Schichten und rauher Sandmörtel andererseits)
und weil ein jahrhundertelanges Schlummern einer
Technik und dann deren plötzliches Wiederaufleben
gegen jede natürliche Entwicklung sprächen.
Ausser in seinem Buche S. 238f. hat sich der Ver-