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Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

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Nr. 21
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Wedepohl, Theodor: Wie gross ist der in einem Bilde mögliche Natur-Ausschnitt?: (Aus dem Werke: "Aesthetik der Perspektive".)
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Einiges über Malereien mit matten Farben
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https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0090

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86

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. 2t.

grössere Ansicht zeichnen wiH, macht sich die
durch den weiten Sehwinkei und die nahe ge-
rückte Bildebene, aiso die geringe Distanz hervor-
gerufene Unbequemlichkeit und Unsicherheit be-
merkbar. Es ergeben sich perspektivische Ver-
schiebungen, die, abgesehen von der Möglichkeit
der Verzeichnung, unwahrscheinlich wirken. Es
kann auf diese Weise ein Bild entstehen, welches
korrekt nach der Natur gezeichnet ist, und doch
von einem Beschauer, der das Zimmer kennt,
nicht für eine Darstellung desselben gehalten wird,
obgleich das Vorbild oft von ihm unter den
gleichen Bedingungen gesehen worden ist. Es
tritt hier der Unterschied zwischen physischem
und psychischem Sehen zutage. — Erst in
einem Zimmer, welches länger als breit ist, findet
man einen Standpunkt, von welchem man mehr
als die gegenüberliegende Wand zeichnen kann.
In der Richtung der Höhe ist der gleiche
Sehwinkel massgebend. Will man einen Baum,
einen Turm, ganz in die Bildebene hineinbringen,
so muss man mindestens um dessen Höhe von
ihm entfernt stehen. Ist jenes im Grundriss
quadratische Zimmer auch kubisch, die Wand also
so hoch wie breit, so kann man letztere vom
Standpunkt innerhalb des Zimmers an der gegen-
überliegenden Wand gerade auch der Höhe nach
in das Bild hineinbringen. Will man noch ein
Stück von der Decke oder dem Fussboden
zeichnen, so ist dies wieder nur von dem gedachten
Standpunkt ausserhalb des Zimmers möglich. Die
Lage des Horizontes ist — in der Praxis — hier-
bei ziemlich gleichgültig, nach der Theorie frei-
lich müsste bei Ausnützung des grösstmöglichen
Sehwinkels über dem Horizont ebensoviel Raum
sichtbar sein, wie unter demselben.
Natürlich kann es Fälle geben, in denen der
Künstler zur Erreichung eines beabsichtigten Ein-
druckes einen besonders weiten Sehwinkel, somit
eine besonders geringe Distanz der Bildebene vom
Auge anwendet. Im allgemeinen aber wird der
Maler die oben angegebene Norm vorteilhaft
finden. Sollen bei sehr geringer Distanz störende
Verschiebungen vermieden werden, so ist eine
Abweichung von der altbekannten und allgemein
angewandten Zentral - Perspektive erforderlich.
Guido Hauck handelt hierüber in seiner Schrift:
„Die subjektive Perspektive". Er weist darin an
dem Beispiel einer Säulenreihe nach, dass bei
der Zentral-Perspektive die dem Auge gegenüber-
stehende Säule schmaler auf die Bildebene pro-
jektiert wird, als eine weiter seitwärts stehende,
obgleich die letztere doch vom Auge weiter ent-
fernt ist. Theoretisch ist das richtig, aber eben
deshalb, weil der Verfasser eine so geringe
Distanz und so weiten Sehwinkel annimmt, wie
es in der Praxis, besonders beim Zeichnen nach
der Natur nicht tunlich ist. Der Sehwinkel bei
seinem Beispiel beträgt etwa 100°. Die Per-

spektive als Wissenschaft ist etwas anderes als
die zur Erzeugung ästhetischer Eindrücke ver-
wendete. Bei genügend grosser Distanz also ent-
sprechend kleinem Sehwinkel wird sich auch in
Haucks Beispiel der Breiten-Unterschied der
Säulen nicht dem Auge des Beschauers bemerk-
bar machen.
In den meisten Fällen wird der Sehwinkel
von $2 bis 6o° gar nicht ausgenutzt, sondern ein
viel geringerer verwendet. Zeichnet man eine
Aktfigur, so stellt man sich gern um das doppelte
ihrer Grösse von ihr auf, nimmt also einen
kleineren Sehwinkel an. Gebäude gewinnen ein
viel gefälligeres Ansehen, wenn man sie nicht
aus der geringstmöglichen Entfernung zeichnet
und auch landschaftliche Motive zeigen meistens
harmonischere Linien, wenn man einen Abstand
nimmt, der über das Mindestmass hinausgeht.
(Schluss folgt.)
Einiges über Malereien mit matten
Farben.
Bei der Herstellung von Malereien für verschiedene
Zwecke wird es als ein unbedingtes Erfordernis zu
gelten haben, dass die Glanzbildung der kräftigen
Farben und leichten Töne gänzlich verhütet werden
soll, weshalb man zumeist nur solche Farben anwenden
wird, die an sich als glanzlos gelten, oder es sind
Mattierungsmittel den Farben beizumischen, die geeignet
sind, den Glanz aufzuheben oder wenigstens stark zu
mildern.
So wird z. B. für die Hintergrundmalereien für
photographische Zwecke absolut das Verlangen ge-
stellt, dass die gemalten Flächen nicht die geringste
Spur einer Glanzbildung aufweisen dürfen, denn bei
den Aufnahmen würden sich diese durch das grelle
Darauffallen starker Lichtreflexe ungemein störend
auf den Aufnahmenegativen und auf den davon ent-
nommenen Bildern (Photographien) geltend machen,
indem sie als unvermittelte weisse Flecken auf den
letzteren zum Vorschein kommen, die der Photograph
als Lichthöfe bezeichnet.
Aber auch für solche Entwürfe, Malereien usw.,
die für die Farbendruckreproduktion verwendet werden
sollen, sind die Hochglanzfarben ungeeignet, denn der
grelle Glanz derselben ist für die photographischen
Aufnahmen ebenfalls sehr störend, obwohl man hier
nicht mit so grellen Lichtbestrahlungen der Vorlagen-
originale zu rechnen hat, als bei den Porträt- oder
Gruppenaufnahmen, zu denen die vorher erwähnten
Hintergrundmalereien den Hintergrund abgeben müssen.
Für Reproduktions- beziehungsweise Farbendruck-
plattenzwecke ist nun allerdings ein geringfügiger
Glanz auf den Entwürfen nicht gerade von grossem
Nachteil, doch ist es immerhin besser, wenn sich die
Glanzbildung möglichst vermeidet) lässt, um den Re-
produktionsphotographen die an und für sich schon
genügend schwierige Aufgabe der Teil- oder Farben-
aufnahmen zu erleichtern. Bekanntlich sind nun die
Erdfarben diejenigen, welche nur einen geringen oder
gar keinen Glanz bilden und wenn dies der Fall ist,
dann liegt es an den flüssigen Vermischungsmitteln
wie Leinölfirnis, Terpentinharzlösungen, Sikkative als
Trockenstoffe, sowie den Leim-, Gummi- oder Eiweiss-
lösungen usw. Diese unbedingt nötigen Beigaben
verleihen selbst den mattesten und stumpfen Erd-
farben einen gewissen Glanz, während bei den ur-
sprünglich zum starken Glanz neigenden Farben eine
 
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