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Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

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Nr. 22
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Buss, Otto; Berger, Ernst: Briefe von Dr. Buss † über das punische Wachs: mit Einleitung von E. B.
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Ueber Prof. Ostwalds Monumental-Pastelltechnik
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Malunterricht in Japan
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https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0096

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92

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 22.

praktische Anwendbarkeit im Auge hatte,
die durch das Ganosisverfahren bei Vitruv
und die Paralieisteiie des Piinius von der
Circumlitio deutiich genug gekenn-
zeichnet ist.
Durch das Ganosisverfahren haben wir ja
die einzige Kontroile für die Richtigkeit des
punischenWachsproblems, und dieses Verfahren
muss ausgeführt werden, es muss aus-
führbar sein mit dem ais punisches Wachs
bezeichneten Präparat der Chemiker, der
Praktiker oder der Philologen! Wer der Ge-
nannten hat diese Probe gemacht? Ich
bezweifle, dass es nur ein einziger getan
hat! (Fortsetzung folgt.)
Ueber Prof. Ostwalds Monumental-
Pastelltechnik
geht uns die Abschrift eines von Maler Ad.Schinnerer
(z. Z. Tannenlohe, Mittelfranken) an Herrn Geheimrat
Prof. Dr. Ostwald gerichteten Briefes zu, den wir, wie
auch den in Nr. 18 abgedruckten des Malers Rieh.
Amsler, zur Kenntnis unserer Leser bringen:
„Nach Beendigung der in Ihrem monumentalen
Pastell ausgeführten Wandmalereien in der Christus-
kirche in Mannheim möchte ich mir erlauben, kurz
über meine Erfahrungen zu berichten. Um es gleich
zu sagen, ich bin begeistert von der Technik, sie ist
vielseitiger und köstlicher als ich dachte, und ich werde
Mühe haben, mich wieder an die Oelfarbe des Staffelei-
bildes zu gewöhnen. Auf dem silberweissen Putz steht
die trockene Farbe, besonders wenn die Stifte aus
grobgemahlenem Pulver bestehen (wie Sie mir rieten)
ganz herrlich. Sie lässt sich weder mit Tempera noch
mit Fresko vergleichen, eine leuchtende und doch
diskrete Farbigkeit, die wundervoll zu Putz, Stuck und
Stein steht. Durch das Fixieren geht wohl wie beim
gewöhnlichen Pastell ein Teil des Reizes verloren,
doch nur der Teil, der für die Nahwirkung in Betracht
kommt, für die Fernwirkung steigert sich die Intensität
durch die grössere Tiefe. Der Ueberzug mit Paraffin
hatte eine ziemlich üble Wirkung. Die Farben gingen
stark zurück und wurden unscheinbarer, auch als ich
das Parafßn mit der Lötlampe anschmolz, ging es nicht
besser. Wahrscheinlich war mein Bewurf viel zu rauh
dafür. Ich habe diesen Ueberzug weggelassen und
denke, es wird nichts schaden, weil die Bilder im
Innenraum sich befinden. Zunächst habe ich nach
Ihrer Forderung die Farben in einer einheitlichen
Schicht, die den ganzen Putz bedeckte, aufgetragen.
Bald merkte ich aber, dass ich weiter käme, wenn ich
wie beim Pastell den Grund gleich als Farbe mit-
benützte. Wenn zwischen den einzelnen Farbstrichen
und Punkten der weisse Putz stehenblieb, so leuchteten
die Farben viel mehr, als wenn der Putz überall ge-
deckt war. Schliesslich habe ich einen gelben Himmel
von mehreren Quadratmetern sehr atmosphärisch und
durchsichtig-leuchtend dadurch bekommen, dass
ich den Putz wohl zur Hälfte stehen liess und das
übrige mit gelben Punkten bedeckte. Man kann auf
diese Weise sehr sicher vorgehen. Solange die Punkte
und Striche über dem ganzen Bild noch dünn gesät
sind, lässt sich schon in dem ersten blassen Schein
des Ganzen die Harmonie oder Disharmonie erkennen.
Nun verstärke ich da und dort die Farben oder das
Licht, muss demgemäss die Nachbarfarben steigern,
so wächst ganz organisch das Bild in den Grad der
Farbigkeit und Intensität hinein, den man haben will.

Ist irgendwo des Guten zuviel geschehen, so kratzt
man mit dem Messer das Stückchen Farbe weg und
der weisse Grund, der zum Vorschein kommt, hellt
die Dunkelheit auf. Das Zufügen und Abnehmen, das
an die Tätigkeit des in Ton modellierenden Bildhauers
erinnert, finde ich wundervoll und ohne Analogie in
unsern andern Techniken. Am meisten erinnert sie
noch an die alte Lasurentechnik des Aquarells. Aber
während diese für uns heute kaum brauchbar ist,
scheint mir Ihr monumentales Pastell geradezu ideal
für die Absichten unserer heutigen Malerei. Keine
Technik kommt unserem Bestreben, Licht auszudrücken
oder Schatten farbig aufzulösen, so entgegen wie sie,
und ich glaube, dass unsere Kunst Ihnen noch einmal
zu tiefstem Dank verpflichtet sein wird, wenn erst die
neue Technik Gemeingut geworden ist. Ich bin seiner-
zeit schweren Herzens an eine ungewohnte, grosse und
schwierige Aufgabe gegangen, und Ihnen verdanke ich
es, wenn sie mir leicht und ordentlich ein Fest ge-
worden ist.
N achschrift:
In dieser Technik sind bisher grössere Arbeiten
von Sascha Schneider, W. v. Beckerath, M. Jakobi, Rieh.
Amsler. sowie A. Schinnerer ausgeführt worden.
Prof. Ostwald ist, wie wir mitteilen können, eben
im Begriff, eine besondere Broschüre über sein Ver-
fahren herauszugeben.
Malunterricht in Japan.
Im Piccolo della Sera erzählt eine Triestiner Malerin,
die eine längere Reise durch China und Japan gemacht
hat, von dem eigenartigen Malunterricht, den ihr ein
japanischer Meister erteilte. In der Absicht, sich die
Technik der japanischen Malweise anzueignen, nahm
sie dort einige Unterrichtsstunden, die sich aber von
der europäischen Art des Unterrichts derart unter-
scheiden, dass sie schon aus kulturellem Interesse mit-
geteilt zu werden verdienen. Die erste Unterrichts-
stunde war psychotheoretisch: der Professor sprach
ihr von dem Leben der Seele und dem geistigen Zu-
stande, in dem sich der Maler bei Beginn der Arbeit
befinden müsse. Sein Geist müsse heiter und frei und
nur auf das gerichtet sein, was die Hand auf die Lein-
wand malen wolle. Zerstreuungen jeder Art seien streng
zu vermeiden, der Beginn des Malens sei wie der Be-
ginn eines Gebets. In der zweiten Stunde verbreitete
sich der Meister über die Kunst der Atemführung und
lehrte seine Schülerin das richtige Ein- und Ausatmen,
da nur dadurch eine sichere Hand und ein fester Blick
möglich sei. In der dritten Stunde wurde die Schülerin
vor ein Bambusrohr mit der Weisung geführt, sich das
Bild desselben genau einzuprägen und sodann aus der
Erinnerung niederzuzeichnen. „Auf diese Weise lernt
man beobachten und die gewonnenen Eindrücke aus dem
Gedächtnis zu verarbeiten; dadurch allein kann man
Maler werden." Die europäische Malerei wird von den
Japanern sehr geringgeschätzt, und dennoch gehen
die jungen Künstler nach Europa, vor allem nach Paris,
um die Oelmalerei kennen zu lernen und in das Wesen
der europäischen Kunst einzudringen. Auf diesen
Widerspruch aufmerksam gemacht, und nach den
Gründen dieser Studienreisen nach Europa gefragt,
erwiderte ein japanischer Maler, dass nicht die Gemälde
an sich, sondern nur die Technik des Malens eines
eingehenden Studiums wert wäre; haben wir uns diese
erst angeeignet, setzte er hinzu, so werden wir nach euro-
päischer Art Bilder malen, die an künstlerischem In-
halt und künstlerischer Bedeutung die europäischen
weit übertreffen." (M. N. N.)

Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
 
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