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Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

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Nr. 12
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Eibner, Alexander: Zum Artikel: Die Geschichte der Maltechnik in der neueren Literatur
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Für die Disziplin der Kunst
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Pinsel und Palette der ältesten Maler
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https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0056

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Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. t2.

zeichneten Schmelzversuche machte. Zur Berichtigung
einer derartigen Schlussfolgerung teile ich mit, dass
Herr Berger das von mir nach der antiken Vorschrift
hergestellte Wachspräparat weder besessen hat noch
besitzt. Die Stelle, „denn es ist mir nicht ein einziges
Mal gelungen, diese-— zu schmelzen", ist also
derart zu verstehen, dass Herr Berger das Präparat
nach meiner (I. c.) gegebenen Vorschrift selbst an-
gefertigt hat und die Annahme macht, dieses von ihm
selbst hergestellte Präparat müsse bezüglich aller
physikalischen Eigenschaften identisch mit dem von
mir erhaltenen sein. Es handelt sich hier um die
durch die Verhältnisse gegebene Möglichkeit, dass zwei
Experimentatoren, nach derselben Vorschrift arbeitend,
verschiedenartige Präparate erhalten können. Mein
Wachspräparat kann sowohl mit wenig Oel in der
Wärme verflüssigt, als für sich allein geschmolzen
werden. Hochachtend
Prof. Dr. Eibner.
Nachschrift.
Dazu möchte ich mir die Bemerkung erlauben, dass
aus der obigen Stelle nicht gefolgert werden kann,
was Herr Prof. Eibner annimmt, da ich deutlich genug
zu sein glaubte, und von der „von E. als punisches
Wachs gekennzeichneten Masse" gesprochen habe:
Ich bedaure sehr, wenn diese Stelle zu solchem Miss-
verständnisse Anlass geben konnte.
Wenn nun in der „Berichtigung" die Möglich-
keit zugegeben wird, dass zwei Experimenta-
toren, nach gleicher Vorschrift arbeitend, ver-
schiedene Präparate erhalten können, so be-
stätigt dies meine im obigen Aufsatze ausgesprochene
Ansicht, wonach es schwierig ist, die Frage ohne
weiteres zu entscheiden. Auch hier, von meinen Ver-
suchen ganz abgesehen, wo zwei im Experimentieren
gewiss geübte Chemiker, Prof. Dr. Eibner und Dr. Buss,
von der gleichen Grundlage ausgingen, haben sie, was
die Anwendungsmöglichkeit betrifft, prinzipiell ver-
schiedene Resultate erhalten, ln der vom Einsender
beanstandeten Stelle hatte ich als solche Anwendungs-
form das „Ganosis-Verfahren" bezeichnet und erwähnt,
dass in E.s Buch nichts darüber enthalten ist, ob es
ihm gelungen ist, dieses Verfahren auszuführen. Es ist
schade, dass Prof. Eibner auch in seiner Berichtigung
uns darüber im Zweifel gelassen hat. E. B.
Für die Disziplin in der Kunst
bricht Meister Rodin in der „Opinion" eine Lanze an-
lässlich einer von dieser Zeitschrift begonnenen Rund-
frage über die Krise in der Handfertigkeit, in der
Kunst, im Handwerk. Mit gewichtigen Worten tritt
der grosse Bildhauer den Schreiern entgegen, die in
"unüberlegtem, selbstgefälligem Freiheitsdusel alle not-
wendigen Bande der Ordnung im Handwerk wie in der
Kunst sprengen wollen:
„Nie ist das .Handwerk' von den Künstlern mehr
verkannt worden als in unserer Zeit. Man verwechselt
das .Metier' mit der Routine, die künstlerischen Rezepte
mit den Regeln der Kunst, die ewig sind. Mannigfaltig
sind die Gründe dieser Verwirrung, aber gar manche
stehen in engem Zusammenhänge mit der Umwandlung
der politischen Stimmung seit hundert Jahren, besonders
bei uns. Nichts ist der Kunst schädlicher als das Ver-
gessen jener Art von Dogmen, die von den grossen
Meistern aller Zeiten festgelegt wurden. Die Aegypter, die
Griechen, die Meister der Renaissance, die unseres be-
wunderungswürdigen :8. Jahrhunderts haben die Grund-
gesetze des Handwerks gekannt. Sie wussten, dass
man keineswegs durch Folgen der von diesem oder
jenem Künstler aufgestellten Normen das Kunstwerk
hervorbringt. Die Meisterwerke sind die Krönung einer
langen Erfahrung des Künstlers, während alle mehr

oder minder hübschen Werke, die mehr zur Industrie
als zur Kunst gehören, dem Zahne der Zeit nicht
widerstehen. Was unserer Zeit zur Entfaltung des
Genies mangelt, ist die Geduld. Ein Künstler muss,
wie in den grossen Epochen, damit beginnen, nicht
ein Schüler, sondern ein Lehrling zu sein. Einst fegte
er erst die Werkstatt. So lernte er sehen und be-
trachten. Allmählich erwachte der Sinn für das Schaffen
in ihm. Er half bei kleinen Arbeiten. Er verstand es,
demütig und geduldig zu sein, und bildete so seine Er-
fahrung, ohne es zu merken. Eines Tages fühlte er
sich dann fähig, sein Stück zu schaffen, seine Idee in
einem Werke wiederzugeben. Er war reif für die
Schöpfung und er hiess Verrocchio oder Michelangelo.
Heute erörtert man viel zu viel. Man schafft viel zu
schnell. Die Mehrzahl der zeitgenössischen Werke
lässt es ganz an der Handfertigkeit fehlen. Alles ist
falsch an ihnen, weil der Wille des Künstlers nicht
durch die direkte Beobachtung und die persönliche
Erfahrung gereift ist. Das ist die Anarchie der Geister
und auch die Anarchie der Formen. Unerlässlich wäre
es, dass die neuen Generationen von Künstlern wieder-
um die Heiligkeit des Metiers lernten, damit die Kunst
wieder das würde, was sie jederzeit gewesen ist, der
vollständige und tröstende Ausdruck des menschlichen
Ideals. Indem man sich der Natur und den mensch-
lichen Meisterwerken mit Einfachheit und Geduld
widmet, wird man aufs neue die Schönheit des Metiers
der Kunst begreifen, ohne sie mit der industriellen
Routine zu verwechseln, die den Künstler in eine
Maschine umwandelt." (M. N. N.)
Pinsel und Palette der ältesten Maler.
Die Kunst der Malerei ist fast so alt wie das
Menschengeschlecht. Schon in den Höhlen der Dor-
dogne finden wir Zeichnungen, die mit Farbe überzogen
sind. Besass der Urkünstler, der die ereignisreichen
Szenen seines Daseins auf ihnen verewigte, auch Palette
und Pinsel und welcher Technik bediente er sich?
Diese Frage hat jetzt im Anschluss an die ausgegrabenen
prähistorischen Gerätschaften der Bonner Physiologe
Prof. Verworn zum ersten Male zu beantworten ge-
sucht. Das Farbenmaterial besteht vorwiegend aus
Eisenoxyden wie Brauneisenstein, Roteisenstein und
gelbem Eisenocker. Auch weisser Kalk kam zur Ver-
wendung. Die rote Farbe, welche die Höhle von Les
Eyzies schmückt, rührt von Roteisenstein her, der als
Anhängsel getragen wurde und dadurch immer zur
Hand war. Dies Material musste zerrieben werden.
Dies geschah entweder durch Abschaben mit einem
Feuersteinschaber oder durch Reiben auf einer harten
Unterlage. Angerieben wurden die Farben, wenn man
die Technik der heutigen Naturvölker als Analogie hin-
zuzieht, mit Fett zu einer Paste auf der Steinpalette.
Um diese herzustellen, wurde gewöhnlich in einen Stein
mit vieler Mühe eine Vertiefung hineingekratzt. Auch
wurden geradezu Mörser zu diesem Zweck fabriziert,
die einen Durchmesser von 5—6 cm und eine Tiefe
von t—1,5 cm hatten. Vor der Bemalung wurde die
Zeichnung in die Felswand eingeritzt mit Feuerstein-
griffeln (sogenannten Burinen). Zuerst wurden flache
Linien vorgezeichnet, dann wurden sie vertieft. Einen
Pinsel kannten die Höhlenbewohner natürlich nicht,
sie benutzten ihre Finger dazu. Nur die feinere Orna-
mentik forderte die Benutzung von Stäbchen. Pian-
mässig mit der vorhandenen Farbenmen^e hauszuhalten,
vermochten sie nicht: oft reichte die l'arbe nicht aus,
und es konnten nur Teile, z. B. der Kontur, farbig aus-
geführt werden. Auch die Geräte wurden mit farbigen
Ornamenten geschmückt.

Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig.
 
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