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Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

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Nr. 3
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Mai, Johann: Das Schriftzeichnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0016

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Münchner kunsttechnische matter.

Nr. 3-

und wie er sich betätigt — das Ueben und abermalige
Ueben im Schriftenzeichnen ais seine wichtige und
notwendige Aufgabe betrachten, um als ieistungsfahig
geiten zu können.
Es fragt sich nun, weicher Lehrgang für die Er-
iernung des Schriftenzeichnens einzuschiagen sei, und
kann ich nur aus der eigenen iangjährigen graphischen
Praxis anraten, zuerst die einfachen Antiquaschriften
(Römische Schrift) zu üben, denn diese ist die Grund-
iage für alte Schriftarten, gieichviei ob sie äis Zier-
schrift oder für iaufende Zeiientexte geiten soiien.
Es wird für aiie zeichnenden Künstier von grossem
Wert sein, entsprechende Vortagen zu den Uebungen
zu besitzen, und da wiii ich aus Erfahrung ein solches
Voriagenwerk nennen, dessen Titei schon die Zweck-
mässigkeit verrät. Es ist dies das Werkchen „Grund-
formen der gebräuchiichen Schriften", kompiett in fünf
Heften, aus dem Vertage von Ktimsch & Co., Frank-
furt a. M., weiches sich ais besonders nütziich erweist,
da die Regein, auf denen die Buchstaben aufgebaut
sind, eingehend eriäutert werden. Es ist vöiiig
zweckios, ohne vorherige Erternung und voiistän-
dige Kenntnis und Beherrschung der Grundformen
das Nachzeichnen der Buchstaben vorzunehmen,
weshaib ich von soichen Uebungen nur abraten
kann, weit derartige Schriften entweder zu steif,
schmai oder sonstwie nicht formgerecht ausfaiien
müssen. Ueberhaupt ist ohne Kenntnis der Grund-
formen das korrekte Schriftzeichnen eine Unmögiich-
keit, weshaib jede aufgeopferte Stunde zweckios ver-
geudet wäre.
Sobaid sich der Künstier in das Studium der Grund-
formen vertieft, und durch das öftere Ueben nach
und nach einige Gewandtheit angeeignet hat, kann die
Zusammensetzung von taufenden Zeiten vorgenommen
werden, um die Abstände der einzeinen Buchstaben
kennen zu iernen, denn auch darin finden sich sehr
vieie Mängei, wenn man Arbeiten mit Schriftzeiien zu
Gesichte bekommt, die von einem im Schriftzeichnen
nicht satteifesten Künstier angefertigt worden sind.
Ais Nebenübung kann ferner das Nachzeichnen kom-
pietter Antiquazeiien auf durchsichtigem Pauspapier
geiten, indem hierbei die einzeinen Buchstaben mit
chinesischer Tusche mögiichst sauber nach der unter-
geiegten Voriage ausgeführt werden müssen, und sind
besonders die schwereren Buchstaben, wie das S, C
und G, einzuüben, weii diese wegen ihren geschwungenen
Formen gewöhnlich am meisten missraten. In dieser
Weise, d. h. durch das ausgiebige Nachzeichnen auf.
Pauspapier, habe ich bei den Lernenden sehr gute Er-
foige erzieit, und kann ich nur den ausgiebigsten Ge-
brauch dieser Methode anraten. Denn erst, wenn man
geiernt hat, die einfache Antiquaschrift in ihren Grund-
formen richtig zu beherrschen und die Verteiiungen
der Zwischenräume bei den einzeinen Buchstaben genau
einzuhaiten, dann kann die Ausgestaitung derseiben zu
einfachen Zierschriften — wie sie jetzt giückiicher-
weise übiich sind — durchgeführt werden. Ich wiii
noch bemerken, dass die Künstier sich mögiichst genau
an die Grundformen der Antiquaschriften bei den Zier-
buchstaben hatten soiiten. denn nichts wirkt abstossender
ais die unieseriich verunstaiteten übermodernen Zeiten,
bei weichen man erst iange den Zusammenhang und
den Sinn heraussuchen muss, weit es dem Künstier
gefaiien hat, Phantasiebuchstaben zu schaffen, die seibst
den Schriftkundigen schwer enträtseibar sind. Wenn
bei aiien Arbeiten diese Missbiidungen der Buchstaben
ganz verschwinden würden, so wäre es ein grosser
Fortschritt, und ist eine Besserung nur dann zu er-
warten, wenn die Künstier das korrekte Zeichnen der
Schriften fast in derseiben Weise eriernt haben, wie
dies bei den Schriftiithographen aiigemeiner Gebrauch
ist, weii die bisherige Unkenntnis der Grundformen
auf aiieriei Abwege führt, die in der erwähnten Miss-

biidung oder Verstümmeiung der Buchstaben zum Aus-
druck kommt.
Für den schriftkundigen Zeichner ergeben sich
ganz andere Aussichten für seine nutzbringenden Be-
tätigungen, da ja das Feid für derartige Arbeiten ein
ziemtich umfangreiches ist, denn vieieriei Rekiame-
artikei, Inserate, Zeitungstitei, Piakate, Etiketten,Kataiog-
umschiäge, Büchertitei usw. erfordern nur eine soiide
packende Schriftwirkung, die sich sofort dem Auge
auffäiiig darbietet, und kann ich den interessierten
Künstiern empfehien, z. B. die Inseratenabteiiungen der
besseren Zeitschriften durchzubiättern, wo sie finden
werden, dass die dort abgedruckten Zierschriften ais
Schiager geiten können, wenn die Zeichnungen packend
dargesteiit sind.
Ganz besonders schwierig gestattet sich beim
Schriftenzeichnen die richtige Verteiiung der Zwischen-
räume, wie sie z. B. bei P, L, r durch die über-
hängenden Teiie sich ergeben, und da muss man aus
der Einteiiung der Buchstabenbreiten herausgehen und
das Ineinanderschieben derart vornehmen, dass die
störenden Lücken in Wegfaii kommen, aiso z. B. PA
statt der fehierhaften Steiiung PA wähien, um ein
ruhiges Satzgebiide zu schaffen. Aiierdings zeigen
die Buchdrucklettern im Satzbau mehr das ietztere
Biid, doch iiegt dies daran, dass der Grundstock
(Metaiikegei) der Lettern keine Ueberhänge aufweisen
kann und darf, der z. B. für das P diese Form [jp hätte,
um für das A, dessen Kegei ,Jr] so gebiidet sein müsste,
den Ineinanderschiuss der Buchstaben zu ermögiichen.
Demnach soii sich der Künstier nicht nach den ab-
gedruckten Lettersätzen richten, wenigstens nicht in
bezug der Zwischenraumverteiiung, wenn er Buch-
druckzierschriften, die ja sonst ais höchst formgerecht
zu geiten haben, für seine Zwecke verwenden wiii.
Die schwierigsten Schriften sind die Fraktur- oder
gothischen Schriften, und soii man sich dieser erst be-
dienen, wenn die Antiquaschriften voii beherrscht
werden. Gerade die Frakturschriften machen am meisten
Mühe und geiingen seibst den darin erfahrenen Schrift-
zeichnern nur bei votier Beherrschung und Kenntnis
der Grundformen, weshaib man ohne gründiiche Vor-
übungen sehr seiten gefäiiige und fehierfreie Fraktur-
zeiien zustande bringen wird. (Der graphische Markt.)

Literatur anzeige.
Im Verlage von Karl W. Hiersemann,
Leipzig ist erschienen:
P. L. Bouvier, Handbuch der Oelmalerei
für Künstler und Kunstfreunde. Nebst einem An-
hang über Konservierung, Regeneration und Restau-
ration alter Gemälde. 8. Auflage. Nach der Be-
arbeitung von Ad. Ehrhardt revidiert und mit
Einleitung versehen von Ernst Berger, Maler.
Mit 31 Textabbildungen. (Hiersemanns Hand-
bücher, Band V.) Preis geb. io M.
Ad. Ehrhardt, Die Kunst der Malerei.
Eine Anleitung zur Ausbildung für die Kunst.
Nebst einem Anhang zur Nachhilfe bei dem Studium
der Perspektive, Anatomie und der Proportionen,
ß. Auflage. Revidiert von Ernst Berger, Maler.
Mit $3 Tafeln und Textillustrationen in Holzschnitt.
(Hiersemanns Handbücher, Bd. VI.) Preis geb. 8 M.

Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A* Seemann, Leipzig).
 
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