Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

DOI issue:
Nr. 14
DOI article:
Berger, Ernst: Raehlmanns neueste mikrochemische Analysen und die Technik der römisch-pompejanischen Wandmalerei, [5]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0061

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

KOHSTTECmtSCM
^ig<r^Rh MTFO

München, 3. Aprit 1911.

BeHage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Le[pz!g).
Erscheint !4tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

YH.Jahrg. Nr. 14.

Inhait: Raehimanns neueste mikrochemische Anatysen und die Technik der römisch-pompejanischen Wand-
maierei. Von Ernst Berger. (Schiuss.) — Neue Wege des Kunstunterrichts. Von E. B. — Kunst-
technische Literatur.

Raehimanns neueste mikrochemische Analysen und die Technik der römisch-
pompejanischen Wandmalerei.
Von E. Berger. (Schiuss.)
In einem besonderen Briefe machte mir Exz. Raehimann Mitteiiung von einer eben vor-
genommenen Untersuchung einer gelben Wandfarbe aus dem Hause der Vettier (Pompeji),
in der er deutlich Pflanzenteilchen erkannte, die mit den Staubfäden von Carthamus tinctorius (Safior)
übereinstimmten. Safior und Safran gehören der gleichen Pflanzenart an, ihre Staubfaden dienten
bis ins Mitteiaiter vielfach zu gelber Farbe!
Aber nicht nur die Zumischung von organischem Farbstoff zur Masse der oberen Stuckschicht
wird durch das Mikroskop bestätigt, sondern die Färbung dieser obersten Stuckschicht über-
haupt. Nach den Ergebnissen der Untersuchung ist es gar nicht anzuzweifeln, dass die oberste
Stucklage vor deren Auftrag mit Farbe angemischt wurde (s. S. 75 unter 4), ja, dass dies
bei pompejanischen Wandflächen allgemein der Fall war.
Schon vor Jahren machte ich diese Beobachtung, und ich schloss daraus, dass in dem
vielerwähnten Vitruv-Kapitel nicht von der Malarbeit als solcher, sondern von der Herstellung der
farbigen Grundflächen die Rede sein müsse (natürlich unter heftigsten Protesten der Fresko-
anhänger!). Ja, ich wagte sogar zu behaupten, dass eine bis dahin unerklärte Stelle des Textes
auf den in der Masse gefärbten Bewurf anspiele. Sie lautet nämlich: „Wenn die Farben mit der
Glättung zugleich sorgsam auf der feuchten Wandbekleidung aufgetragen worden sind, geben sie
vollkommenen Glanz" und haften darauf dauernd fest*).
Wenn hier vom Malen die Rede wäre, so gäbe es keinen Sinn. Denn man kann nicht
glätten und malen zu gleicher Zeit! Entweder das eine oder das andere. Aber wenn die Stuck-
masse gefärbt ist, dann lässt sie sich auf dem feuchten Grund auftragen und durch die
Glättungsmanipulation, das vielfache Abgleichen mit dem Glätteisen, wird sie geglättet und
endlich glänzend werden. Unterstützt wurde diese Erklärung durch den Befund an Original-
stücken aus Pompeji und Rom!
Als ich auf diesen, wie mir schien, für jedermann offensichtlichen Umstand hinwies, wurde die
Richtigkeit der Beobachtung an sich bezweifelt, weil sie von niemand sonst gemacht worden war
(Techn. Mitt. f. Mal. XX, Nr. 23), und von einem „Fachmanne" wurde sogar entschieden bestritten,
dass der gefärbte Auftrag überhaupt vorkomme (a. a. O. S. 272). Wenn ich Malerkollegen die
Originalproben zeigte, stimmten sie alle mir bei und waren (mit Recht!) erstaunt darüber, wie
eine so klare Sache nur in Zweifel gezogen werden könnte. Denn die in der Masse gefärbte Stuck-
schicht war an den frischen Bruchstellen bis zu I mm stark (mitunter noch viel stärker) und gegen
die Unterschicht deutlich abgegrenzt. Die von den Freskoanhängern bezweifelte und mit aller
Entschiedenheit bestrittene Tatsache wird jetzt durch das Mikroskop in vollster Deutlichkeit erwiesen,
und dabei zeigt sich gleichzeitig, dass dieVitruvsche Anweisung, die Farben gleichzeitig mit
Glättung aufzutragen, gar nicht anders zu verstehen ist.
*) Vitr. VI! 3, § 7: Coloribus cum politionibus inductis nitidos expriment splendores, colores
autem udo tectorio cum diligenter sunt inducti, ideo non remittunt ...
 
Annotationen