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Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

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Nr. 5
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Berger, Ernst: Die Geschichte der Maltechnik in der neueren Literatur
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0024

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20

Münchner kunsttechmsche Blätter.

Nr 5.

Grundfarben verwendete, unhaltbare Gemälde
nicht gekannt habe."
Ganz abgesehen davon, dass es sich um den
älteren Piinius handelt und nicht um den sog. jüngeren,
der nichts Naturwissenschaftiiches geschrieben hat —
Eibner nennt stets Piinius den Jüngeren —, ist der ganze
Satz eine freie Kombination verschiedener von dem
römischen Autor erwähnter Tatsachen, denen der Ver-
fasser eine ihm gerade passende Schlussfoigerung ge-
geben hat. Diese ist ja an sich sehr wirksam und
muss ihm seibst so wichtig erschienen sein, dass er
das Gesagte Seite 73 nochmais wiederhoit.
Nach den einzigen Stehen, die in Frage kommen
können, verhält sich die Sache aber so:
r. Von den Aegyptern wird Nat. hist. XXXV,
3 (5) § 15 gesagt, sie behaupteten, die Maierei 6000
Jahre früher als sie nach Griecheniand überging, er-
funden zu haben, was offenbar nur teere Prahierei
sei. — Kein Wort hier von den vier Grundfarben
oder von der durch sie bedingten Haltbarkeit der
Gemälde!
2. Ebenda 7 (32) § 50 werden die „hochberühmten
Maier" Apeiies, Aetion, Meianthius und Nicomachus
genannt, die nur mit Hiife von vier Farben (Weiss
von Meios, attischem Ocker, Sinopis von Pontus und
Atramentschwarz) ihre unsterbiiehen Werke geschaffen,
und jetzt, da der Purpur auf die Wände kommt, indien
den Schiamm seiner Flüsse und das Blut der Drachen
und Eiefanten beisteuert, sei die Biüte der Maierei
dahin. Kein Wort hier von den Aegyptern und
der Haitbarkeit ihrer Gemäide! Sondern Piinius
bekiagt den Luxus seiner Zeit, der mit der Kostspieiig-
keit der Farbstoffe prunkt, und häit ihn für die Ursache
des Verfaiies des künstierischen Schaffens.
3. Dass man zu seiner Zeit auch Surrogate verwandte,
um den Preis gewisser Farben zu verringern, und durch
Zusätze echte Farben verfäischte, um die Käufer zu
täuschen, erwähnt Piinius wiederhoit bei der Anführung
der einzeinen Farben, aber nirgends auch nur ein
Wort von der Verschiechterung der Maitechnik durch
die Einführung unhaitbarer Farben im Vergieich mit der
ägyptischen Maierei und ihren vier Grundfarben!
Man sieht, jener erste Satz des Vorwortes beruht
nicht auf dem genauen Wortiaut des römischen Autors,
den der Verfasser ais Gewährsmann nennt.
(Fortsetzung foigt.)
Literatur.
„Die Kunst der Maierei", Eine Anleitung zur
Ausbildung für die Kunst, nebst einem Anhang
zur Nachhiife bei dem Studium der Perspektive,
Anatomie und der Proportionen. Von Ad. Ehr-
hardt, weit, wirkt. Mitglied der Kgi. Akademie
der biidenden Künste zu Dresden, Professor etc.,
mit 53 Tafein und Textiiiustrationen in Holz-
schnitt. Dritte Aufiage, revidiert von Maier
Ernst Berger. Veriag von Kari W. Hierse-
mann, Leipzig igio.
Dass dies als VI. Band von Hiersemanns Hand-
büchern neu erscheinende Buch die dritte Aufiage
eriebt, ist ais der beste Beweis seines vortrefflichen
Inhaites anzusehen. Mit seltener Pietät hat Maier
Ernst Berger die Revision des Buches vorgenommen,
um ihm durch seine schätzenswerte Anteiinahme aufs
neue den Wert der in ihm enthaitenen Lehren zu be-
stätigen. Wenn Berger bei seiner Revisionsarbeit
darauf verzichtete, „aus dem festen Gefüge des Ehr-
hardtschen Buches einzeines herauszunehmen und durch
.Modernes' zu ersetzen", und sich darauf beschränkte,
kurze Abschnitte einzufügen, die er mit einem Stern-

chen versah, um sie auch äusseriieh von dem ursprüng-
iichen Inhait zu trennen, so darf man ihm rückhaitios bei-
pfiiehten für den von ihm eingenommenen Standpunkt.
Der von Ehrhardt in seinem Buche entwickeite
Lehrplan trägt zwar den — für manchen heute ais
überwunden angesehenen — „akademischen" Charakter.
Er führt den Schüier von den ersten Anfängen, dem
Zeichnen nach Vortagen und piastischen Objekten, zu
immer höheren Stufen. Aber wie er dies tut, mit
weicher Liebe und Hingebung er seine Aufgabe ais
Lehrer auffasst und seine Erfahrungen einer jahrzehnte-
langen Lehrtätigkeit mitteiit, das macht den Wert des
Buches aus. Ais ich jetzt zum Zweck dieser Besprechung
das Ehrhardtsche Buch wieder zur Hand nahm — ich
kannte es schon von früher —, um mich aufs neue mit
seinem Inhait zu beschäftigen, da tauchte vor mir das
Biid meines ehemaligen Lehrers, des Prof. Theodor
Hosemann, auf, der seinerzeit die Zeichenklasse der
Berliner Akademie ieitete. Wieder sah ich den ehr-
und liebenswürdigen alten Herrn vor mir, der im biauen
Frack mit goidenen Knöpfen, weisser Weste und geiben
Nankinghosen zu erscheinen pflegte. — Vieüeicht ist
die Zeit gar nicht so fern, die uns, im Hinblick auf
den Biedermeierzug der Modernen, abermais diese
Tracht vorschreibt? — Ich gestehe offen, dass wir
Schüier in unserem jugendlichen „Tatendrang" damals
das Kopieren ais ein notwendiges Uebei ansahen und
oft daran dachten, weiche „unsterblichen Werke" wir
voiibringen würden, wenn wir erst Bilder matten. Aber
ich gestehe auch ebenfaiis, dass uns der „aite Hose-
mann" durch seine Art zu [ehren, durch seine Hin-
weise auf die Gestattung der uns umgebenden Formen-
weit und das künstierische Schaffen, unsere Arbeit so
interessant zu machen wusste, dass wir mit aufrichtiger
Verehrung zu unserem Lehrer aufsahen, und ich auch
heute noch die unter ihm verbrachte Lehrzeit ais
keine verlorene ansehe, sondern mit freudiger
Genugtuung an sie zurückdenke. Wenn ich hier auf
meine akademische Lehrzeit — die ich ieider nicht
weiter verfoigen konnte, da mir die Mitte] zum Studium
ausgingen und ich erst später in die Lage kam, die Schute
des Beriiner Kunstgewerbemuseums besuchen zu können
— zurückkomme, so geschah es, weit die Prinzipien jener
Lehrmethode genau mit den von Ehrhardt entwickeiten
übereinstimmten. Und gar so fürchteriich mögen denn
doch diese Prinzipien nicht sein, denn bald nach
meinem Weggang von der Beriiner Akademie traten
Kiinger und Prell dort ein. Na, und die beiden sind
doch auch „ganz tüchtige Künstier" geworden.
Wir wissen aiie, dass es keine besseren Lehren
ais die unmitteibar von der Natur empfangenen für den
Künstier geben kann, aber wir wissen auch, wieviei
Handwerkliches zur Ausübung der Kunst vonnöten
und wie wohituend und fördernd es ist, wenn wir uns
an jemand hatten können, der uns für unseren Beruf
die Wege weist und uns erst Sehen iehrt.
Weiter erörtert Ehrhardt in seinem treffiiehen
Buche die Besonderheit und Eigenart der verschie-
denen Kunstzweige der Fächer der Maierei, darunter
auch die mit der Architektur verbundene dekorative
und Monumentaimaierei, und gibt dabei überaus wert-
voiie Aufschlüsse über die verschiedenen Maitechniken.
Ein dem Buche mitgegebener Anhang beschäftigt sich
mit der Lehre der Perspektive, der Anatomie und der
Proportionen des menschiichen Körpers nach Gottfried
Schadows „Poiykiet". Wenn daher ein so weiser Mann
und unsterbiieher Künstier, wie Lionardo den Aus-
spruch tun konnte, dass die Kunst eine Wissenschaft
sei, und wir in Ehrhardts Buch soviei für den werden-
den Künstier Wissenswertes finden, so soii es auch
ailen Künstlern bestens empfohien sein.
Ernst Kiesling.

Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
 
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