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Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

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Nr. 7
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Berger, Ernst: Die Geschichte der Maltechnik in der neueren Literatur, [3]
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0032

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Münchner kunsttechmsche Blätter.

Nr 7.

28

fasser über das gleiche Thema in tangerer Ausführung
in der „Süddeutschen Materzeitung" (1908, Nr. 33—35)
ausgesprochen und ich habe an der gteichen Stehe
(Nr. 44, 43 und 47) atte Einwände Eibners gegen
meine Rekonstruktion der attrömischen und pompeja-
nischen Wandtechnik widertegt. Hier auf Einzel-
heiten nochmals einzugehen, verbietet der Raum aber
über eins kann ich mein Befremden nicht unterdrücken,
dass der Verfasser in seinem Buche über die pom-
pejanische Technik sein Endurteit dennoch abgegeben
hat, obwoht er setbst in dem erwähnten Artikel sagt:
„Wiederholt und ausdrücklich betone ich, dass sich
meine Schlussfolgerungen zurzeit und ehe ich die
Mögiichkeit der Inaugenscheinnahme an Ort und
Stelle habe, nicht auf die Herstellungsart der auf
dem pompejanischen Stuck hergestehten Vohgemälde
erstrecken", und es nirgends ersichtlich ist, ob er
diese Möglichkeit in der Zwischenzeit hatte.
(Schluss folgt.)
Literatur.'-)
Mensch und Tier. Grundlagen einer plastischen
Anatomie für Künstler. Von Arthur Friede!.
(München, Verlag E. Reinhardt.) Preis M. 5.—.
Ist es ein Gesetz, dass zum Zustandekommen eines
Werkes stets zwei oder mehrere Eindrücke Zusammen-
kommen müssen?
Man empfindet eine Stellung des Körpers als einen
Ausdruck, man trägt das Gefühl davon Monate, Jahre
mit sich herum; dann begegnet einem ein Mensch, der
diesen Ausdruck in sich verkörpert: Das Gefühl tritt
ins Bewusstsein, die Geburtsstunde eines Bildwerkes
hat geschlagen, sei es Plastik, sei's Malerei. Aehnlich
entstand der vorliegende anatomische Atlas, worüber
das Vorwort Rechenschaft geben mag:
Drei Gründe sind es, die mich zur Herausgabe des
Atlas veranlassen.
Erstens besteht trotz der grossen Menge von
Künstleranatomien unstreitbar ein Mangel an einem
alles Wesentliche aus der Tier- und Menschenanatomie
zusammenfassenden Atlas, der durch Weglassung alles
Ueberüüssigen auch dem nicht mit Glücksgütern ge-
segneten angehenden Künstler die Anschaffung er-
möglicht.
Zweitens fand ich in allen plastischen Anatomien
durchweg die Tatsache zu wenig berücksichtigt, dass
plastische Anatomie nur und ausschliesslich eine Sache
der Oberfläche ist.
Die ganze plastische Anatomie, insonder-
heit die Muskeliehre, muss man am lebenden
Model! erörtern können vermittels dessen,
was das Auge sieht oder im Falle eines Zwei-
fels die Hand fühlt.
Nur so kann man diesen Teil der gesamten anato-
mischen Wissenschaft so umgrenzen, dass ein Künstler
„seine Anatomie" zu beherrschen vermag. Die Ver-
wirklichung hat zur Folge: Wegfall alles UeberHüssigen.
So denke ich mir die Anatomie der helle-
nischen Künstler. Wir wissen, dass sie sehr
genau das Skelett kannten — lernen auch wir
dieses zunächst kennen, nach welcher Methode
es auch immer sei.
*) Anmerkung: Der den Lesern dieser Blätter
durch seine „Anatomischen Miszellen" bestens bekannte
Autor des Buches, Herr Bildhauer Friedei, hat auf
unseren Wunsch die hier folgende Anzeige seines
Werkes, das allen Künstlern wärmstens empfohlen sei,
übersandt. Es ist in neuerer Zeit auch vielfach üblich,
dass Autoren ihre Werke selbst anzeigen, da sie wohl
am besten wissen, welche Grundsätze sie bei deren
Abfassung geleitet hatten. B.

Auch am lebenden Körper tritt es an so viel
Punkten zutage — der Atlas bringt diese rot markiert,
und zwar am Skelett sämtliche fühlbaren, an den
Muskel- und Aktbildern die für den Aufbau wesent-
lichen, wohl jeder Knochen an zwei Punkten —, dass
man seine Lage wie Länge wohl zu erkennen vermag.
Sich darüber am darstellenden Modell klar zu werden,
sei die erste Aufgabe des Künstlers, sofern ihn über-
haupt gerade organische Gesichtspunkte interessieren.
Liegt jeder Knochen am richtigen Platz, wird eine
Darstellung — sei's zeichnerisch, sei's plastisch — or-
ganisch wirken.
Die Plastik der Muskeln ergibt sich daraus un-
mittelbar.
Bei Bewegung kann als allgemeingültig angenommen
werden, dass die Muskeln der Beugeseiten viel eher in
sichtbare Aktion treten als die der Streckseiten. An
diesen speziell, doch auch im allgemeinen verleitet die
gleichmässige systematische Betrachtung der Musku-
latur in den „Künstleranatomien" die Künstler zu einer
übertriebenen Wiedergabe von Muskeln, sei es, dass
Modelle mit abnorm stark ausgebildeten Muskeln be-
vorzugt werden, sei es, dass ein Akt nach einem
Muskelbilde stilisiert wird.
So sind die folgenden Muskeldarstellungen eigent-
lich mehr dazu bestimmt, zu zeigen, was man an der
Oberfläche davon nicht sieht, als was man sieht.
Die Wirkung wird eben ruhiger, grösser, und die
Natur lehrt auch hier den Künstler zusammenfassen,
statt zu zergliedern. Das ist mehr Sache der Wissen-
schaft, die bisher bei den meisten unserer plastischen
Anatomien die erste Patenstelle eingenommen zu haben
scheint.
Und das ist der dritte Grund der Herausgabe.
Die Wissenschaft zergliedert, die Kunst fasst zusammen.
Also in der Regel nur ganze Figuren, an denen man
auch die oben erwähnten Lagebeziehungen der Skelett-
punkte wiederfinden kann Die ganze Figur soll in
jedem Falle der beherrschende — und sich einprägende
— Eindruck sein, neben der wie „Randeinfälle" ange-
brachte Teilfiguren nur den Platz ausnutzen sollen, teiis
durch Darstellung einer anderen Ansicht, teils durch
Entwicklung der beiden für das Gesamtbild allein in
Betracht kommenden statischen Erwägungen: Wie
sitzt das Becken an der Wirbelsäule ? Wie die vorderen
Gliedmassen am Rumpf? Dabei wird man bald merken,
dass das bei den Vierfüsslern natürlich im Prinzip
gleich ist, und das Randbild bei dem einen erklärt die
ähnlichen Verhältnisse bei einem andern; der erste
Einblick der für den einzelnen so ungemein anregungs-
reichen vergleichend anatomischen Betrachtungsweise
des Naturganzen.
Es wurden zunächst an Mensch und Tier teils zeich-
nerische, teils plastische Naturstudien gemacht, Umrisse
und Knochenpunkte ermittelt. Nach diesen das Skelett
schematisch hineingezeichnet (schematisch ist gleichfalls
die Darstellung der Flügel der Taube zu verstehen)
und an dieses die Muskulatur gefügt. Das Endresultat
musste sich in der Hauptsache mit den ersten Studien
decken. Ein Weg, der dem Künstler ein autodidak-
tisches Studium der Anatomie an der Hand des Atlas
ermöglicht und zu empfehlen ist.
Gedacht ist die Benutzung des Atlas direkt an der
Staffelei, direkt am Modellierbock, daher die Anordnung,
dass er alles über ein Tier Wissenswerte auf Nachbar-
tafeln enthält, ein Umblättern und Suchen also ver-
mieden wird. Man suche nach dem Skelett die Knochen-
punkte und sehe im Modell — als wäre es durch-
sichtig — das Skelett.
Marees' „Sehen lernen ist alles" finde eineSteigeruug
darin, mit dem Auge fühlen zu lernen. Friede!.

Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig).
 
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