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Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

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Nr. 5
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Die Chancen des Deutschen Farbenbuches, [2]
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Gerhardt, Fritz: Die Farbengebung bei Monumentalmalereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0022

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Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 5.

Handelsgebräuche sowie Feststellungen über den
Begriff Fälschung usw. bekannt zu machen.
Am wichtigsten für die Maltechnik sind die
jeweils gebrauchten Binde-, Malmittel, sowie die
Firnisse (Lacke). Der Künstler kommt mit ganz
wenigen Arten von Oelen, Firnissen und ge-
eigneten Verdünnungsmitteln ev. etlichen Bal-
samen (Kopaiva-Balsam) vollkommen aus; er be-
zieht auch diese am besten von den altbekannten
soliden Firmen, meist im kleinen. Fast niemals
dürfte es Vorkommen, oder nur in Einzelfällen,
dass ein Künstler fassweise diese Bindemittel
kauft, ja selten genug sind heute Künstler zu
finden, die sich ihren Mastixfirnis, ihr Fixativ,
Sikkativ usw. selbst bereiten.
Anders ist es in den grossen Betrieben der
Anstreicherbranche, wo mitunter zentnerweise
Farben und Lacke gekauft und verbraucht werden.
Für den Geschäftsmann muss es im eigenen In-
teresse gelegen sein, dem bezahlten Preise ent-
sprechende Oele, Lacke zu bekommen; er muss
sich über das anzuschaffende Material genauestens
erkundigen und dessen Gebrauchsbedingungen
kennen; denn oftmals muss er für die Güte und
Dauerhaftigkeit der geleisteten Arbeit Garantie
leisten und er würde viel Einbusse in seinem Ge-
schäfte haben, wenn die Arbeit von seinem Auf-
traggeber nicht abgenommen wird, er diese viel-
leicht noch einmal auf seine Kosten ausführen
müsste. Man denke an grosse Aufträge in den
modernen Riesenbetrieben, Lackierungen von
Eisenbahnwaggons, Schiffsanstriche, Brücken, Bahn-
hofshallen usw. Da geht es oft in die Tausende
an Material und Arbeitslöhnen, die im voraus
richtig berechnet werden müssen, und da bei
allen diesen Arbeiten das Material einen grossen
Prozentsatz der Gesamtkosten ausmacht, ist alles
zu wissen wünschenswert, was auf den Wert
(Anschaffung und Verarbeitung) eines Materials
Bezug hat. (Fortsetzung folgt.)
Die Farbengebung bei Monumenial-
malereien.
Von dem Nestor unserer Maltechniker, dem
83 jährigen Genremaler Fritz Gerhardt in Düssel-
dorf, ist an den Herausgeber dieser Blätter die
hier abgedruckte Zuschrift gelangt, in der die Bitte
ausgesprochen wird, ihm Mitteilungen über mit
seinen Marmor-Kaseinfarben gemachte Er-
fahrungen zugehen zu lassen, die es ihm ermög-
lichten, das Material zur grösstmöglichen Voll-
kommenheit zu bringen. Bekanntlich ist Herrn
Gerhardt die Wiedereinführung der Kaseinmalerei
zu verdanken, die in den letzten Dezennien bei
fast allen grösseren Monumentalmalereien besonders
in Norddeutschland zur Anwendung gekommen ist
(Ruhmeshalle in Berlin, Rathäuser in Düsseldorf,
Erfurt usw., Kirchcnmalereien an vielen Orten usw.).
In der Zuschrift wird auf eine gelegentliche

Unterredung in der Aula der Kgl. Kunstakademie
zu Düsseldorf Bezug genommen, bei der F. Ger-
hardt auf die Bemerkung, der herrliche, von dem
so früh verstorbenen Meister Peter Jansen gemalte
Fries wirke zu dunkel, nicht freskomässig dekorativ,
antwortete: „Ja, so ist es gewollt! Das ist an
den hellen Partien deutlich zu sehen."
Gerhardt bemerkt in seinem Schreiben weiter:
„Das ist es ja, was ich auch bei vielen, sonst
so grossen herrlichen Kunstwerken finde, sie sind
zu farbig, zu robust und schwer, durch die Ge-
wöhnung unserer Künstler an die Oelmalerei, in
der sie ihre Tafel- oder Staffeleibilder jetzt zu-
meist ausführen. Ich meine, zur Zeit der Hoch-
blüte der Wandmalerei, dies ist bei Raphaels
Stanzen im Vatikan deutlich zu sehen, hatte man
die Farben im Sinne der Freskotechnik ausgewählt,
nicht wie unsere besten Künstler, die ihre Oel-
skizzierungen in Ueberlebensgrösse auf die Wand
malen, zum Schaden der beabsichtigten Wirkung,
ja der ganzen Monumentalmalerei. Ein schlagendes
Beispiel finde ich dafür im Rathaus zu Aachen.
Indem Alf. Rethel bei den Bildern Irmensäule,
Sarazenenschlacht und den beiden übrigen von
ihm herrührenden Bildern durch die weissen
Straffierungen des Grases und die Helligkeit des
Vordergrundes alles andere in Farbe setzte, frei-
lich durch eine meisterhafte Art, die alles richtig
und schön, ja gross, auch im kleinsten und un-
bedeutensten, erscheinen lässt — eben dadurch,
klingt es so wohltuend in die Gesamtarchitektur
des Raumes aus. Gar nicht der Bilderbogeneffekt
der späteren Bilder dort! — Ja, mich dünkt, dass
gerade die von Rethel gemalten 3 Bilder durch
die gewaltig-goldreiche Dekoration von Schaper
und Esswein noch mehr gewonnen haben. Das
Prinzip passt sich eben hier allem an und jenes
nie! Natürlich spielt die Grösse des Raumes und
die Höhe immer viel mit, da aber beginnt der
dekorative Wert der Monumentalmalerei und deren
Wirkungsgesetze. Und diese Beobachtung glaube
ich leider oft und oft wieder zu machen; die
Künstler malen zu dunkel, zu schwer und bunt.
Reines, tiefes Schwarz wirkt mir immer als Loch
bei Wandbildern, es ist sicherlich schöner und
edler, auf die Dauer wohltuender, mehr an die
Plastik der Sache als an die Farbe zu denken.
Ob es richtig ist, was ich hier ausspreche,
möchte ich die Künstlerschaft, die mit meinen
vielseitig erprobten Marmor-Kaseinfarben Er-
fahrungen gesammelt hat, befragen? Dann, ob
es zweckmässig ist, zuerst eine Farbenanlage zu
machen in freskoartigen Tönen und erst bei der
Weiterarbeit die volle Farbe und den Reichtum
der Palette auszunützen, um nicht in den Fehler
des zu dunkel und zu vollfarbig zu verfallen?
Dieses sollte im Anfang gar nicht möglich sein,
da meine zur Anlage bestimmten Farben so sehr
mit Karraramarmor versetzt sind, dass sie un-
 
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