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Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

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Nr. 3
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Wenn Bilder lange gerollt geblieben sind
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Gerhardt, Paul: Geschichte der Wandmalereien des Domes zu Aachen, [1]
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Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 3.

Rossen — ich die Leinwänden zuletzt in Händen
hatte.
Da kam jetzt aiies zutage, was an dem Biide
gesündigt worden war, abgesprungene, weg-
gestossene Stehen, Kratzer durch ganze Figuren,
und besonders unangenehm, dass die Leinenbänder,
die ganz praktisch die einzeinen Bilder umgaben,
durch den auf ihnen lastenden Druck sich tief
in die Farbmasse eindrückten und an einer Stelle
sogar diese Farbmasse seitlich auseinanderpresste.
Dieses eine Band hatte zwei Figuren des Vorder-
grundes sozusagen durchschnitten, so dass ich
genötigt war, durch Abreiben mit Glaspapier
wieder eine gleichmässige Fläche herzustellen, auf
der die Teile neu gemalt werden mussten. Ver-
hältnismässig leicht war der durch das Wegreissen
des Papieres entstandene Schaden ausgebessert,
und sehr wenig Schwierigkeit bereitete das Ent-
fernen der noch aufgeklebten Papierstücke auf
den dunklen Partien durch Aufweichen mittels
Wasser. Die neu zu malenden Teile und die
Ausbesserungen musste ich mit Tempera — ich
benützte die Urban-Tempera, weil sie sich beim
Auftrocknen am wenigsten verändert — vornehmen,
denn es waren mir alles in allem nur io Tage zur
Verfügung.
Am allerschlimmsten waren aber die Ränder und
Ecken der Leinwand zugerichtet! Durch das
vielfache Ab- und Aufspannen hingen die Fetzen
herunter und es wäre wohl ein Kunststück ge-
wesen, diese Leinwänden noch einmal auf Keil-
rahmen zu befestigen. Es blieb mir nichts anderes
übrig, als die Bilder auf neue Leinwand aufziehen
zu lassen, was mit Hilfe eines geschickten Buch-
binders in der verhältnissmässig kurzen Zeit eines
Nachmittags bewerkstelligt wurde. Wir befestigten
die Bilder mit Stiften auf dem Boden, mit der
Malseite nach oben; das war nur ein Notbehelf,
weil die Blendrahmen gar nicht zur Hand waren
und sie auszupacken zu umständlich gewesen
wäre. Aber am nächsten Tage zeigte sich zu
meinem Schrecken, dass die Oberfläche durch den
warmen Leim sehr ungleich aufgewellt war, und
dort am meisten, wo dickere Farbenschichten
(z. B. im Fleisch) lagen. Auch der dritte Tag
zeigte keine Veränderung, weil die aufkaschierte,
noch untenliegende Leinwand nicht trocknen
konnte. Schleunigst wurden jetzt die Nägel ent-
fernt, und so gut als es ging spannten wir die
Bilder, jetzt mit der Leinwandseite nach oben,
wieder fest auf den Boden, öffneten die Fenster,
damit die Leinwänden trocknen konnten, und nach
dem Ablauf der Frist war wenigstens die Haupt-
aufgabe als gelöst zu betrachten. Eine schlaflose
Nacht hatte ich zu überstehen, weil ich fürchten
musste, die Leinwänden könnten sich nicht wieder
in die frühere Lage zurückrichten!
So ist das Bild wieder auf der Rolle befestigt
worden, aber ohne Bänder zwischen den Bildern,

und wenn ich wieder Bilder verschiedener Breite
zu rollen hätte, würde ich lieber zwei Rollen dazu
nehmen, statt eine einzige. Jedenfalls hat man
was zu erzählen, wenn Bilder wieder zum Vor-
schein kommen, die lange Jahre aufgerollt gelegen
sind! — C. F.
Geschichte der Wandmalereien
des Domes zu Aachen.*)
Von Paul Gerhardt-Düsseldorf.
Die Wiege einer eigentlichen deutschen Volks-
kunst ist die ursprüngliche Kapelle Karls des Grossen
zu Aachen, mit deren äusserer und innerer Gestaltung
und Ausschmückung die ältesten deutsch-geschicht-
lichen Urkunden sich beschäftigen und deren Ueber-
reste ein Bild vom Werdegang deutscher Volkskunst
geben.
Was zunächst die von Karl erbaute Kapelle an-
betrifft, so wirkte diese durch ihre breite Masse, deren
einzige Unterbrechung durch die Rundbogenfenster
und -türen hervorgerufen wird. Und wenn auch als
eigentlich bau!eitender Architekt ein Meister Odo aus
Metz angesehen wird — ein Franke —, so herrschte
doch Mangel an geschulten Bauleuten und Arbeitern,
die infolgedessen aus Ländern, die auf einer höheren
Kulturstufe standen, herbeigebracht werden mussten.
Ebenso einfach wird ursprünglich auch die innere
Ausstattung der Kapelle gewesen sein, denn da auch
im Kunstgewerbe oder in der Kleinkunst nur über
recht schwache Kräfte verfügt werden konnte, so
mussten auch hierfür erst Meister, Vorbilder, Material
ebenfalls aus anderen Gegenden eingeführt werden.
So wird es Karl der Grosse freudig begrüsst
haben, dass ihm die Päpste Hadrian I. und Leo III.,
nachdem Karl den Langobardenkönig Desiderius
unterworfen hatte, der den Papst hart bedrängte, zur
Belohnung die Prachtbauten von Ravenna und ihre
Schätze zur Verfügung stellten. Karl schmückte nun
mit diesen Kunstschätzen, den Mosaiken des Bodens
und der Wände, den Säulen, den Gold- und Silber-
geräten, dem Gitterwerk und Türen seine Patäste, vor
allem aber die von ihm erbaute Kapelle, die er prunk-
voll auszustatten trachtete.
Auf diese Weise kamen Vorbilder und Meister
nach Aachen, die gelehrige Schüler und Arbeiter fanden,
gar bald aber selbstschaffende Künstler erzogen hatten.
Wie sehr sich die damalige Zeit noch nach den
guten römischen Vorbildern richtete, das beweist zu-
nächst die Behandlung des Mörtels, der ganz nach
den antiken Vorbildern gearbeitet war — bestehend
aus Kalk, scharfem Sand und Rheinkieseln, während,
da, wo das genaue Anpassen gehauener Quadern in
Frage kam, an Stelle der Kiesel gesiebtes Ziegelmehl
genommen wurde. Auch die übrige Zubereitung des
Mörtels, der heute noch fast so hart wie die Grau-
wacke selbst ist, deutet darauf hin, dass auch hierzu
ganz geschickte, erfahrene Bauleute Verwendung fanden.
Der aufgefundene malerische Schmuck, der unter
der Tünche hervorgeholt wurde, stammt wohl kaum
aus der karolingischen Zeit, sondern aus der Zeit
Ottos III.
Das einzige, was wir von Einhard über angewendete
Farbe wissen, ist die Auskunft, die er bei der Auf-
zählung der Vorzeichen des Todes Karls gibt. Es
heisst da u. a.: Es befand sich in derselben Kirche

*) Unter Zugrundelegung des Werkes von Dr. Fay-
monville: „Der Dom zu Aachen und seine liturgische
Ausstattung vom 9. bis zum 20. Jahrhundert." München,
Verlag von F. Bruckmann A.-G.
 
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