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Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

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Nr. 23
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Berger, Ernst: In eigener Sache
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Buss, Otto; Berger, Ernst: Briefe von Dr. Buss † über das punische Wachs, [2]: Mit Einleitung von E. B.
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https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0098

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94

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. 23.

wir hier das Schauspie] einer feindsehgen Kritik, die die Grenze nicht zu ziehen weiss zwischen
der Sache und der ihr dienenden Person.
Mich wird aber dieser neueste Angriff nicht davon abhatten, was ich für richtig erkannt
habe, auch weiter zu verteidigen, wann und wie ich es für gut erachte. E. Berger.

Briefe von Dr. Buss t über das punische Wachs.
Mit Einleitung von E. B.

Denn a]s ich jüngst den Urheber der an-
geführten gelehrten Abhandlung deshalb befragte,
gab er mir zur Antwort: „Ja, darum habe ich
mich überhaupt nicht gekümmert!" Wie
dieser, so haben auch alle übrigen es unter-
lassen oder nicht für nötig erachtet, diese
Probe, die wichtigste, auf die es zualler-
erst ankommt, zu machen. Die Vornahme
einer einfachen Sache, die so wenig Schwierig-
keiten macht, denn es gehört doch nur ein Pinsel
dazu und ein Stück Marmor oder ein Ziegelstein,
war den Experimentatoren schon zu umständlich.
Sie könnten vielleicht einwenden, das Ganosis-
Verfahren wäre ausnahmsweise angewendet, nur
auf an Aussenseiten befindlichen Zinnoberwänden
beschränkt gewesen, so dass der Gebrauch des
punischen Wachses hier kaum in Betracht käme.
Aber sie alle irren, die sich hinsichtlich obiger
Einschränkung auf die Vitruvstelle (VII 9, 3) be-
rufen, denn wir haben eine nicht anzuzweifelnde
sichere Nachricht des Piinius (XXI § 83), wo-
nach ein Wachsüberzug aufWänden allgemein
üblich gewesen sein muss.
Die Stelle findet sich nur einige Zeilen
weiter als das viel erörterte Rezept und lautet:
„Wachs.dient den Menschen zu unzähligen
anderen Zwecken, sogar zum Schutz von Wänden
und Waffen" (cera... ad innumeros mortalium usus
parietumque etiam et armorum tutelam).
Warum hat Donner, warum haben die Gelehrten,
Philologen und Chemiker der „Tech. Mitt." diese
wichtige Stelle, auf die ich schon vor
Jahren und in meiner Maltechn. d. Altert., S. 100
eindringlich verwiesen hatte, konsequent
verschwiegen (Die Kraftausdrücke liebenden
„Techn. Mitt." würden sagen: unterschlagen!) und
unterdrückt?
Hier die Antwort: Weil sie für mich spricht,
einen der Hauptstützpunkte für meine An-
nahme der Schlusspolitur des Stucko bildet, und
weil, die allgemeine Anwendung zugegeben, diese
Stelle allein genügen würde, der Theorie
der „reinen" Freskotechnik bei den Alten
den Todesstoss zu versetzen!
Und worin sollten denn die besonders gerühmten
Eigenschaften der Cera punica bestanden haben,
die von den Alten als optima und medicinis uti-
lissima bezeichnet wurde?
Auch das erfahren wir nicht, da von keiner
Seite (Donner vielleicht ausgenommen) auch nur
der kleinste Versuch unternommen wurde, über

(Fortsetzung.)
die Anwendungsmöglichkeiten des punischen
Wachses Aufschluss zu erlangen*).
Darin unterscheidet sich die Arbeits-
weise des Dr. Buss in ganz offensichtlicher
Weise von der seiner Berufs genossen,
dass er der wissenschaftlichen Erklärung
sofort die praktische Anwendung folgen
liess und mit der von ihm hergestellten
Wachsmasse als erstes die Prozedur des
Ganosisverfahrens vornahm. Dadurch kam
er auch zu ganz anderen Resultaten als jene. Er
steht zwar mit seinen Chemikerkollegen im Ein-
klang hinsichtlich der festen Form des punischen
Wachses, aber im Widerspruch hinsichtlich
der Emulgierbarkeit des fertigen Produktes. Er
hat, in Uebereinstimmung mit anderen, zwar auch
den Bleichungsprozess von den übrigen Operationen
getrennt, und er hat nur Versuche mit Salzwasser
anstellen können (die Todeskrankheit hat ihn
leider daran verhindert, auch mit Meerwasser zu
experimentieren, wie er es vorhatte), aber durch
dieinnigeWechselwirkungzwische n Wi s s e n -
*) Es wird dem punischen Wachs eine „grössere
Duktilität" zugesprochen, wodurch es von den Alten zu
„vielerlei Anwendungen besser geschickt befunden
worden sein" soll. Dies scheint mir eine vage
Annahme. Die „Duktilität" ist durch die Kochungen
mit Salz- oder Meerwasser im Gegenteil verringert!
Sonst würde z. B. Donner nicht nötig gehabt haben,
zum punischen Wachs Olivenö! zuzumischen, um es
für seine Enkaustik duktiler, d. h. streichbar zu
machen. Zur „Ganosis" verwendet, war die Duktiiität
auch nicht erste Bedingung, da nach der Vorschrift
Vitruvs der Zusatz von Oel (paulo oleo temperata)
diese Eigenschaft ohnehin beförderte.
Ich möchte einen einfachen Stuckarbeiter vor
die beiden Wachspräparate stellen und ihn wählen
lassen, was er für einen Ganosis-Ueberzug für prak-
tischer hält, das punische Wachs nach Schwitzer,
Eibner u. a. oder das emulgierte Wachs? Das erstere
wird für ihn wertlos sein, weil es, wegen des
viel höheren Schmelzpunktes, unmöglich wäre, einen
Pinsel (dessen Borsten sich in der Hitze kräuseln und
unbrauchbar werden) zu benutzen, während er mit der
Emulsion alles machen kann. Und die Praktiker
des Altertums sollten das nicht auch heraus-
gefunden haben??
Nach meiner Meinung müsste die gebleichte
Wachsmasse, die Piinius als „optima" und „medicinis
utilissima" bezeichnet, das „punische Wachs" der Aken,
die Eigenschaft gehabt haben, sich sowohl mit
Oelen, als auch mit wässrigen Flüssigkeiten
zu vermischen, also zu Salben, Pflastern u. dgl. ver-
wendbar sein (Sammonikus z. B. erwähnt die Eigeib-
zugabe zur Wachsemulsion für dig, Heilung von Ge-
schwüren), ebenso wie es sich auch zum Farbenanreibe-
mittei, zur Wachspolitur auf Marmor und Stuck und
vielen anderen Zwecken eignete.
 
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