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Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

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Nr. 4
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Gerhardt, Paul: Geschichte der Wandmalereien des Domes zu Aachen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0020

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)6

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 4.

Mit den durchgreifenden bauhchen Wiederher-
stellungsarbeiten hietten die Arbeiten für die innere
Ausschmückung des karoiingischen Oktogons keines-
wegs Schritt. Man befand sich in Widersprüchen.
Während die einen die Ausschmückung der Kuppe]
mit Mosaiken wünschten, forderten die anderen eine
Ausmatung a! fresco.
Am 24. Februar 1825 legte deshalb Prof. Deger-
Düssetdorf dem Stiftskapite) einen Entwurf zur Aus-
matung a) fresco vor. Hiernach sollte die Kuppe!
durch dreimai acht grosse Figuren, das Königtum von
Gottes Gnaden, dargesteüt werden. Die Flächen neben
den Fenstern des Tambours sollten mit Figuren von
32 Fürsten und Fürstinnen der verschiedensten christ-
[ichen Nationen geschmückt werden und die Unter-
kirche soHte 16 lebensgrosse Brustbilder der in Aachen
gekrönten deutschen Könige erhalten.
Nach längerem Hin und Wieder, auch Zeitungs-
kriegen, endete die Angelegenheit durch erzbischöf-
lichen Beschluss zugunsten des Mosaiks und Degers
Plan wurde hinfällig, und zwar kaum zum Schaden des
Aachener Münsters.
Zwecks Anbringung des Mosaiks war die Bloss-
legung der Gewölbe und Wandfiächen notwendig. Dabei
traten schwache Reste alter einfacher Malereien zutage,
die von einigen für Reste von Malereien aus der Zeit
Ottos III. gehalten wurden, während von anderer Seite
diese Malerei für Umrisszeichnungen erklärt wurden,
welche die Mosaikleger in den Mörtel einritzten, um
die Konturen festzuiegen. Erst in allerneuester Zeit
wurde wieder einer inneren würdigen Ausschmückung
des Oktogons Karls des Grossen nähergetreten und
endlich auch ausgeführt.
Die Verhandlungen währten lange, man wurde sich
wegen der Art dieser Ausschmückung nicht schlüssig,
nämlich, ob dies durch Malerei geschehen sollte oder
durch Mosaiken und Inkrustation der Wände und
Pfeiler durch Marmorbelag.
Als Vorbilder für eine figürliche Malerei wurde
auf die neugefundenen Wahdmalereien der Stiftskirche
St. Georg auf der Insel Reichenau hingewiesen, sowie
auf den bekannten Codex Eckberti in Trier. Betreffs
der ornamentalen Verhandlung auf die karolingischen
Handschriften in Paris, Wien und Gotha.
Eine Farbenskizze von Prof. Schneider genügte
nicht. Man entschloss sich, zur Erhaltung von Farben-
skizzen eine allgemeine Konkurrenz auszuschreiben,
an der sich auch jüngere Künstler beteiligen sollten.
Die Aufstellung dieses recht schwierigen Programms
hatten die beiden Archäologen Essenwein und Kraus
im Jahre :886 in die Hand genommen. Danach wurden
den Künstlern als mustergültige Stilvorbilder die
Sophienkirche in Konstantinopel, St. Nazaro e Celso
in Ravenna und St. Georg in Salonichi empfohlen,
ebenso St. Vitale in Ravenna und St. Marco in Venedig.
Vorschrift für die Ausstattung des karolingischen Baues
war eine dem Mosaik- und Marmorbelag jener Kirchen
entsprechende gemalte Dekoration.
Das Resultat dieser allgemeinen Ausschreibung
war in summa summarum eine einzige Zeichnung eines
Berliner Dekorationsmalers, die unbrauchbar war. Es
wurde deshalb eine beschränkte Konkurrenz zwischen
den Malern Geiger in Freiburg, Schaper in Hannover
und den beiden Architekten Linnemann in Frankfurt
a. M. und Schneider in Kassel erlassen.
Von den eingesandten Entwürfen erhielt Prof.
Schaper-Hannover den ersten Preis, der aber nicht
eine Ausmalung anstrebte, sondern musivischen Schmuck
und Marmorbekleidung vorsieht.
Schapers Entwurf ist dann auch endlich zur Aus-
führung gekommen und auch kaum zum Nachteil
der grandiosen Schönheit des karolingischen Bau-
werkes.
Alle Kunstepochen vom 9. bis zum t8. Jahrhundert

sind an dem Dom vorübergegangen und haben ihre
Spuren hinterlassen.
Merkwürdigerweise macht die Renaissance eine
Ausnahme, sie allein ist dort nicht eingedrungen.
Literatur.
Die Materialien des Maier-, Anstreicher-, Lackierer-,
Tüncher- und Vergoldergewerbes. Von Cornelius
Heb in g, Redakteur der Deutschen Malerzeitung
„Die Mappe". Verlag von Georg D. W. Callwey,
München 1910.
Es ist eine alte Tatsache, dass der Praktiker
immer am besten weiss, was für die Leute vom Hand-
werk passend ist, weil er deren Gedankengang, ihre
Auffassungsgabe kennt und ihnen nur soviel schwere
Kost darreichen wird, als sie just zu vertragen im-
stande sind. In dem vorliegenden Band des auch den
Lesern dieser Blätter bekannten Verfassers*) hat er
alle Einzelartikel gesammelt, die im Laufe der Zeit
unter der Ueberschrift „Materialienkunde" in der von
ihm mitgeleiteten Deutschen Malerzeitung erschienen
sind. Die Sammlung enthält, wie der Titel besagt,
eine Beschreibung aller vom Maler, Tüncher, Lackierer
und Vergolder benützten Materialien, Farben, Firnisse,
Drogen usw., und zwar in alphabetischer Anordnung.
Der Leser findet unter jeder Bezeichnung oder Schlag-
wort alles, was für ihn wissenswert ist: Ursprung, che-
mische Zusammensetzung, Herstellungsweise, Handels-
namen und Anwendungsformen. Auch Hinweise auf
die Marktpreise werden dem Praktiker geboten. Für
den „Kunstmaler" sind viele Artikel deshalb von Inter-
esse, weil er einen Einblick in die Werkstatt seines
Kollegen vom Handwerk gewinnen kann, so z. B. wenn
er unter „Abbeizemittel" die Arten erfährt, wie der Prak-
tiker alte Anstriche entfernt; er findet auch eine
Menge Artikel über im Gewerbe verwendete Alkalien
und Säuren, über Beizen des Holzes, Lacke, Farben,
Oele und alle bekannten Bindemittel. Dieselbe Art
einer Darstellung, mit Umsicht geleitet, könnte auch
dem „Kunstmaler" vieles bieten, insbesondere wenn
der Inhalt durch Artikel optischer Natur, durch die
für den Illustrator wichtigen Reproduktionsarten, durch
geschichtliche Hinweise u. dgl. vermehrt und ergänzt
würde. Denn von unseren hochwissenschaftlich ge-
haltenen neueren Fachbüchern können die Praktiker,
seien es nun Künstler, Dekorationsmaler oderLackierer,
wenig Nutzen ziehen, weil sie mit dem chemischen
Formelwesen ungenügend vertraut, die Feinheiten der
Analysen oder Prüfungsmethoden, wie sie zur Bestim-
mung der Echtheit oder Verfälschung von Oelen,
Harzen und Balsamen geschildert werden, nicht ver-
stehen, und auch die „wissenschaftliche Einführung
in die Chemie und die Physik" nur als gelehrten
Ballast empfinden werden. Was sollte auch der Lackierer
oder Dekorationsmaler mit den Newtonschen Lehren
anfangen, die für ihn in seiner praktischen Tätigkeit
gar keine Bedeutung haben? Mit seinen Farben kann
er ja niemals die Gesetze des prismatischen Farben-
spektrums befolgen und das alte Dreifarbensystem
wird ihm stets brauchbarer scheinen als alle übrigen
Theorien von der Zerlegbarkeit des Sonnenlichts und
der Mischbarkeit der komplementären Farben zu Weiss.
Ein Buch wie das Hebingsche kommt seinen Be-
dürfnissen demnach voll entgegen und ich möchte
wünschen, auch dem „Kunstmaler" stände bald ein
ähnliches Buch zur Verfügung. E. B.
*) Vgl. den Abschnitt „Die Oelfarben" aus C. He-
bings „Oelfarbe und Oelfarbanstriche" in Nr. 2 und 3
des vorigen Jahrganges.
 
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