Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

DOI Heft:
Nr. 18
DOI Artikel:
Amsler, Richard: Prof. Ostwalds neue Technik für Monumentalmalerei
DOI Artikel:
Berger, Ernst: Ueber neu aufgedeckte pompejanische Wandgemälde
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0080

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
76

Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 18.

Sommer und auch der Winter mit seinen für hiesige
Verhältnisse ganz erheblichen Kälte- und Schneever-
hältnissen waren gewiss dazu angetan, die Wandmale-
reien auf eine harte Probe zu stellen. An dem Haupt-
bild und an dem Färbergesellen konnte bis jetzt nicht
die geringste Spur von einem Abblättern oder Ver-
waschen oder dgl. beobachtet werden. Beide Bilder
waren unter normalen Verhältnissen fertiggestellt worden.
Mit der Kartusche mit dem Firmenschiid hatte ich
Pech. Schon beim Fixieren kam zuviel Fixativ darauf
und dann war das Bild durch die an dem Gerüste an-
gebrachte Packleinwand zu wenig gegen Regen und
Wind geschützt. Schon beim Paraffinieren zeigten
sich schadhafte Stellen, die sich dann unter dem Ein-
fluss der Witterung weiter ausdehnten.
Ich habe diesen Teil der Malerei mit Einverständnis
des Hausbesitzers über Winter stehen lassen, um meine
Beobachtungen daran zu machen. Ich werde diesen
Teil der Arbeit nochmals neu machen und zwar in
derselben Technik, da ich die Schuld des Misslingens
nur in der mangelhaften Ausführung und dem Einfluss
von Regen vor dem Fixieren und Paraffinieren suche.
Wenn ich wieder in die Lage komme, ähnliche
Arbeiten, sei es an Aussenwänden oder Wandmalereien
überhaupt auszuführen, werde ich diese neue Technik
wieder anwenden; da ihre Vorzüge ganz hervorragende
sind, Nachteile dagegen ich bis jetzt noch keine kenne.
Der Farbcharakter ist ein sehr angenehmer und
vornehmer und ausserordentlich klar; man hat eine
reichere Farbenskala als bei der Freskomalerei; wäh-
rend der Arbeit findet keine Veränderung der Farben
statt, man kann die Arbeit an jeder beliebigen Stelle
unterbrechen oder beschleunigen und kommt äusserst
rasch zum Ziel. Es ist das denkbar billigste Verfahren,
und es kann jeder bei einigermassen sorgfältiger Be-
handlung sich selber ein durchaus zuverlässiges Material
herstellen.
Schaffhausen (Riethalde), 28. April 19 n.
Rieh. Amster.
Ueber neu aufgedeckte pompejanische
Wandgemälde
wird nach einigen Tagesblättern berichtet:
„Eine grossartige Entdeckung, die überraschen-
des Licht auf die Geschichte der griechischen
Malerei und der griechischen Kunst überhaupt
wirft, ist in der unmittelbaren Nachbarschaft von
Pompeji gemacht worden. Im vorigen Jahre waren
die Ueberreste eines prächtigen Hauses aüsgegraben
worden, das mehr als 20 Räume, prachtvolle Höfe
und Hofgärten enthielt. Nach Fortschaffung der Lava-
schichten, die die Trümmer bedeckten, sind nunmehr,
wie der Evening Standard berichtet, wundervolle
dekorative Malereien zutage getreten, die die Räume
schmückten. Diese Gemälde zeigen, bis zu welch
hohem Grade in der Antike die Technik ausgebiidet
war, Werke der Skulptur in all ihrer räumlichen
Plastik mit dem Pinsel wiederzugeben. Wir haben
hier die Sommerwohnung eines vornehmen Römers
vor uns, der sich in einer Vorstadt Pompejis eine
schöne Villa baute und sie von hervorragenden
Künstlern ausschmücken liess. Die Kunst der perspek-
tivischen Architekturmalerei steht hier auf einer Höhe,
wie sie erst von den niederländischen Meistern des
17. Jahrhunderts etwa wieder erreicht worden ist.
Zwei jonische Säulen z. B. erscheinen auf einem
Gemälde, als ob sie in Wirklichkeit völlig frei im
Raum stünden. Dann ist eine Doppeltür dargestellt,
mit einem ausserordentlich realistisch gegebenen
Gitter; die Zeichnung dieser Türen ist ganz identisch
mit dem Portal eines alten Grabes, das in der Nähe
von Ramleh entdeckt wurde. Es lassen sich also hier

dieselben Zusammenhänge mit dem dekorativen Stil
von Alexandria feststellen. Zahlreicher als die Archi-
tekturmalerei sind die Malereien, die Nachahmungen
alter Skulpturwerke enthalten.. Viele Gemälde stellen
Szenen aus dem Bacchuskult dar, den Gott selbst
und Silen begleitet von Satyrn, Bacchanten in Dra-
perien aus gazeartigen Stoffen, Priester und Priste-
rinnen. Auf einem Bilde ist ein pompejanischer Raum
dargestellt, in dem mit grösster Naturtreue die Statue
einer Priesterin plastisch herausgehoben wird. Eine
ähnliche Stellung hat ein ebenfalls als Skulpturwerk
gegebener junger, tanzender Faun. Unter all diesen
Gemälden ist aber die wichtigste Entdeckung eine
Serie von etwa neun Bildern, die augenscheinlich
eine grossartige Skulpturgruppe wiedergegeben, viel-
leicht ein langes Basrelief, von dessen Existenz bis
jetzt nichts bekannt war, oder auch eine Darstellung,
in der der Maler verschiedene Meisterwerke berühmter
Bildhauer verwendet hat. Diese Kopien geben jeden-
falls eine wertvolle Handhabe, uns eine Vorstellung
von für immer verlorenen berühmten Werken der an-
tiken Plastik zu verschaffen. Eine der Szenen zeigt
eine Familiengruppe, Vater und Mutter und einen
Sohn, der in einer Rolle liest, während ein Bedienter
einen Olivenkranz zu einer Priesterin trägt, die ein
Trankopfer darbringt. Andere Gemälde stellen wahr-
scheinlich Aufnahmezeremonien dar, durch die No-
vizen in die dionysischen Mysterien eingeweiht werden.
Manche der hier gegebenen Gestalten, eine schöne
Frau, die sich einer Geisselung unterwirft, eine andere,
die einen bacchantischen Tanz auiführt, sind Meister-
werke der hellenistisch-römischen Malerei. Eine ein-
gehendere Erforschung dieser wundersamen Bilder
wird viele Aufschlüsse gewähren, durch die uns kost-
bare Einzelheiten aus den antiken Kulten, aus antikem
Leben und antiker Kunst enthüllt werden."
Abbildungen dieser interessanten Malereien sind
zu finden in „IHustrated London News" vom 17. Dez.
teno und in „Gazette de beaux Arts" Januarheft 1911.
Was die Technik dieser und überhaupt der gleich-
artigen Malereien angeht, so schreibt darüber ein
namhafter römischer Gelehrter, Dr. P. Hartwig, in
einem den obigen Bilderzyklus behandelnden Auf-
satz der Wiener ,,N. Fr. Presse":
„Dem modernen Maler wird die Frage nach der
Technik eines solchen grossen, antiken Gemäldes
schon lange auf den Lippen schweben. Wir vermeiden
bei der Beschreibung absichtlich das Wort „Freske"
denn dieMalerei des Gemäldes ist vielmehrEnkaustik.(l)
Auf getrocknetem, festem, glattem Malgrunde aus
feinstem Kalk- und Marmorstaub sind Wachsfarben (?)
mit einem erwärmten Spatel (?) aufgetragen und mit
gleichfalls erwärmtem Zahneisen (?) und anderen In-
strumenten verrieben. Das ist absolut keine neue
Technik, sondern eine in Pompeji ganz gewöhn-
liche. (I!)
„Die Effekte, welche durch sie erzielt werden,
erreichen fast diejenigen der modernen Oelmalerei.
Die Farbe wirkt mit Wachs verbunden, tiefer und
satter als jede Art des reinen Fresko und auch als
Temperafarbe. Gute Beispiele dieser Malweise boten
uns bereits mehrere der seit Jahren berühmten
Mumienbilder aus dem Fayum, die sogenannten
Grafschen Porträts."
Aus diesen wenigen Sätzen kann ersehen werden,
wie unsicher die Ansichten über technische Dinge selbst
in Kreisen unserer Gelehrten sind im Obigen wird
die Enkaustik auf Holztafeln mit der Stukko-Technik
der Wände indentifiziert — und wie wichtig es dem-
nach ist, über die alten Malweisen Klarheit zu schaffen.
E. B.

Verlag der Werkstatt der Kunst (E. A. Seemann, Leipzig.
 
Annotationen