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Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

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Nr. 17
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W., C.: Die Farben der Florabüste
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https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0073

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Manchen, 15. Mai 1911.

Beilage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Leipzig).
Erscheint )4tägig unter Leitung von Maier Ernst Berger.

YH.Jahrg. Nr. 17.

Inhalt: Die Farben der Florabüste. — Herstellung von Steinkitten. — Die neuen Teerfarblacke und die
,,Ei!ido"-Farben. Von Ernst Täuber. — -Kunsttechnische Literatur. — Druckfehlerberichtigung.

Die Farben der Florabüste.

Der Streit um die Echtheit der Florabüste (Kaiser-
Friedrich-Museum zu Berlin) schien für viele beendet
durch den von Prof. Pinkus erbrachten Nachweis, dass
sowohl im Wachs der Büste als auch im Wachsmaterial,
das der Engländer Lucas zu seinen Wachsarbeiten ge-
braucht hatte, Walrat enthalten war, also ein Be-
standteil, dessen Verwendung imXVI. Jahrhundert jeden-
falls unbekannt gewesen ist.
Dieses Ergebnis steht im direkten Widerspruch
mit der Raehlmannschen Untersuchung der Haar- und
der Gewandfarbe derFlorabüste, die nach dem schichten-
weisen Aufbau und den angewandten Farbstoffen als
ein Werk des XVI. Jahrhunderts angesehen werden
müsste. Dafür glaubte Raehlmann genügende Be-
weise zu haben in dem Vorhandensein des Flechten-
farbstoffes der Rocella sowohl in der Haarfarbe als
auch in der Unterlage des blauen Gewandes an den
von späteren Restaurationen unberührten Stellen der
Büste.
Diese Flechtensubstanz wurde, wie Raehlmann nach-
weisen konnte, in der Mal- und Vergoldertechnik der
Frührenaissance verwendet (Rezept im Bolognes. Ms.,
XV. Jh.) und sie fand sich auch in der Schichtung der
Vergoldung des Meisters Bertram und in einer ober-
italienischen Malerei des XV. Jahrhunderts sowie auf
einem Holztafelbilde des De Vrient (Frans Floris). Da
nun aber von dieser Rocellasubstanz in den Maler-
büchern und Farbverzeichnissen des XVIII. und XIX. Jahr-
hunderts nirgends mehr die Rede ist (weil sie durch
andere Farbstoffe verdrängt worden war), so schloss
Raehlmann daraus, dass die Florabüste jedenfalls viel
älter sein müsste, und dass Lucas als deren Schöpfer
sicherlich nicht in Betracht kommen könne*).
Dieser auf mikrochemische Analyse basierte Befund
ist demnach ganz und gar unvereinbar mit der che-
mischen Wachsanalyse von Prof. Pinkus !
In der Januarnummer der „Amtlichen Berichte aus
den königl. Kunstsammlungen" veröffentlicht Geh. Rat
Bode nunmehr die Ergebnisse der neuesten Unter-
suchungen, die geeignet sind, die Wagschaie zugunsten
der Echtheit der dem Leonardo zugeschriebenen Flora-
büste zu beschweren.
Zunächst von Bedeutung ist das Gutachten des

*) Vgl. Raehlmanns neue Schrift „Ueber die Mal- *
technik der alten Meister". (Berlin 1910, Verlag von
Georg Reimer). S. 27.

Prof. Rathgen, der es übernommen hatte, das
Wachsmaterial der verschiedensten Kunstwerke alter
und neuerer Zeit einer vergleichenden Untersuchung
zu unterziehen. Dieser namhafte Gelehrte schreibt
über die noch im Gang befindlichen Untersuchungen:
„Trotzdem bis zum Abschluss noch einige Zeit
vergehen wird, lässt sich doch schon heute sagen,
dass voraussichtlich die von Anfang an geäusserte An-
sicht bestätigt werden ward, dass durch analytische
Methoden die Frage nach der Herkunft und Alter des
Florawachses, wie aller Wachsarbeiten, nicht lösbar
ist." Wer die grossen Schwierigkeiten kennt, die sich
nach unserem heutigen chemischen Wissen den
Fragen der Fett- und Wachsanalysen entgegenstellen,
wird die Rathgensche Mitteilung begreiflicher finden
als die Sicherheit, mit der Prof. Pinkus sein Urteil
abgegeben hatte.
Um nun auch bezüglich der Farben eine Gegen-
probe anzustellen, hatte die Generaldirektion sich
einige Farbenteilchen der von Lucas herrührenden
Wachsnachbildung der Portlandvase (im Viktoria- und
Albert-Museum in London) erbeten und mit den
Farbenproben von ausgeflickten bezw. übermalten
Stellen der Florabüsten sowie dem originalen Farben-
auftrag in Vergleich ziehen lassen, eine Aufgabe, der
sich Exz. Raehlmann in bekannter verlässlicher Art
unterzogen hat.
Das Ergebnis dieser Analyse findet sich S. Sy—S9
der genannten „Berichte" und es ist daraus zu ent-
nehmen, dass jede Uebereinstimmung zwischen
demFarbenauftragbeiderPortlandvasemitder
Florabüste mangelt. Sowohl die blaue Farbe ist
vom Blau der Büste verschieden, als auch das Medium
und die Unterlage. Der Flechtenfarbstoff der Rocella
fehlt hier, ebenso wie das für die Renaissance charak-
teristische Medium des Farbstoffs. Dagegen zeigten
sich die ausgeHickten bezw. übermalten Stellen der
Florabüste in vieler Beziehung gleichwertig mit den
Farben und dem Material des von Lucas bei der
Portlandvase verwendeten Wachses.
Neben diesen Feststellungen treten alle weiteren
des Berichtes in zweite Linie. Es ist aller Grund vor-
handen zu der Annahme, dass die Zweifler an dem
Alter der Büste sich durch diese Beweise werden
überzeugen lassen.
Berlin, Januar 1911.

C. W.
 
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