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Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

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Nr. 3
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Gerhardt, Paul: Geschichte der Wandmalereien des Domes zu Aachen, [1]
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Mai, Johann: Das Schriftzeichnen
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https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0015

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Nr. 3.

Münchner kunsttechnische Blätter.

11

an dem Rande des Gesimses, das zwischen den oberen
und den unteren Bögen auf der Innenseite des Ge-
bäudes herumlief, eine Inschrift in roter Farbe, die
den Namen des Erbauers dieser Kirche enthielt und
in deren letzten Vers man lesen konnte: „Carolus
princeps". Einige haben auch bemerkt, dass in seinem
Todesjahre wenige Monate vor seinem Tode die Buch-
staben, die das „princeps" ausdrückten, so zerstört
gewesen seien, dass sie nicht mehr ganz zu sehen
waren.
Als Otto III. im Aachener Pataste Aufenthalt nahm,
bemerkte er den Mangel an malerischem Schmuck in der
Kapelle. Er berief daher 997 den Maler Johannes aus
Italien, den seine Zeit als überaus geschickt bezeichnet.
Dieser schuf ein besonderes Kunstwerk, das aber
schon zu Zeiten des Biographen — eines Anonymus,
der um 1033 über das Leben des Lütticher Bischofs
Balderich I. schrieb — einen grossen Teil seines
Glanzes eingebüsst hatte. Der Geschichtsschreiber
berichtet: „Man sagt von ihm (Johannes), dass er durch
seine Malkunst in jener Zeit ungemein geglänzt hat.
Wer hierfür einen Beweis fordert, den weisen wir auf
Aachen hin, wo das Werk dieses grossen Künstlers
bis heute noch berühmt ist, mag es auch durch das
Alter, wie alle anderen Dinge auch, schon zum grossen
Teil seine Schönheit verloren haben. Welcher Kaiser
ihn aber aus dem Schoss seines Vaterlandes geholt
hat, sagt er in eben dieser Malerei mit folgendem
Versehen: ,Aus dem heimatlichen Nest holte mich
Otto III.'"
Es ist noch ein anderer Vers dort hinzugefügt,
der das Ansehen dieses Künstlers kundtut, er lautet
so: „Durch Aachen erhellt vollkommen, wie kunstreich
deine Hand ist."
Der Geschichtsschreiber fährt nun fort, indem er er-
zählt, dass, als Otto III. nach Aachen kam und die
Schmucklosigkeit der Wände der Kapelle Karls sah,
er ein Gelübde tat und die Kirche beschenkte. Es heisst
da wörtlich: „Es schmückte diese (Kapelle) nämlich
noch nicht die Farbe irgendwelcher Maleret, deswegen
berief er (Otto III.) durch eine Gesandtschaft den
obengenannten Johannes, den hervorragenden Künstler,
aus Italien, und bat ihn und befahl ihm, er solle seine
kunstfertige Hand dieser Aufgabe widmen. Jener ge-
horchte dem königlichen Befehl und zeigte auf das
prächtigste, was er in dieser Kunst leistete."
Otto III. belohnte den Künstler mit einem in
Italien freigewordenen Bischofssitz. Der Herzog jener
Provinz soll sogar dem Maler als Auszeichnung die
Hand seiner Tochter angeboten haben, allein Meister
Johannes verzichtete auf diese Art der Ehrung, er
verliess Italien und starb zu Lüttich.
Also schon um die Mitte des 11. Jahrhunderts,
nachdem die Malereien kaum 50 Jahre alt waren, hatten
sie ihren Glanz verloren.
Die Malerei selbst, soweit ich dieses noch fest-
stellen konnte, waren al fresco gemalt, und zwar wieder-
um auf einem Malgrunde, der dem altrömischen Mal-
grunde nachgebildet war und oben eine feine, weisse,
helleuchtende Stuckschicht hatte. Heiligenscheine,
Gesichter, Gewänder usw. waren teilweise mit einem
Zirkel oder Pinselstiel oder dgl. in den noch feuchten
Mörtel eingeritzt. Die Konturen der Gewänder usw.
waren mit Sienna oder dgl. jedenfalls mit einer rot-
braunen Farbe (Sinopis?) vorgezeichnet und die Flä-
chen scheinbar gleichmässig ausgetuscht. Da die Mauer
aus schweren, teilweise nur roh behauenen Bruchsteinen
bestand, konnte auch der Mörtel nicht überall gleich-
mässig aufgetragen werden. So fand ich an einigen
Stellen, dass nur die Fugen sorgsam zugemacht waren,
während der Zirkel des Heiligenscheines und das Ge-
sicht mit jener rotbraunen Farbe direkt auf den nackten
Stein gemalt war, ein Beweis dafür, dass die Alten
trotz der Anwendung der sogenannten Freskotechnik

ihre Farben mit einem Bindemittel, ausser Kalk, an-
machten und mit diesem in den noch nassen Stuck
hineinmalten.
An Resten dieser ottonischen Malereien fanden
sich im Tonnengewölbe der Vorhalle ein dreifacher
Mäander in roter Farbe, dazwischen grosse und kleine
Medaillons, welche ehemals mit Halbhguren gefüllt
waren. An der unteren Leibung des Scheidebogens
zwischen Vorhalle und Rundkirche zogen sich auch
rote Konturen hin, während die innere Fläche mit
einem weissen Zickzackmuster auf gelbem Grunde be-
deckt war. Aehnliche Muster in den Fensternischen
oder in den Bogen kamen als Bordüren mit Hachen
geometrischen Mustern, in roter Farbe in Form eines
gemalten Teppichs oder in der Art eines bunten Stein-
grundes vor.
Die Farbenskala dieser Malereien ist die denkbar
einfachste. Sie besteht nur aus wenigen Farben, näm-
lich Rot, Braun, Weiss, gelbem Ocker, Schwarz und
Grün.
Jedenfalls hat sich auch diese ottonische Malerei
nicht lange gehalten, sie verblasste mehr und mehr
und das spätere Mittelalter überwucherte die Reste
der Johannesmalerei mit Putz und Mörtel. Auf diese
Weise sind uns die Reste dieser Malerei erhalten ge-
blieben.
Wir kommen nunmehr zur gotischen Chorhalle,
deren Bau um die Mitte des 14. Jahrhunderts in Angriff
genommen wurde.
Hier befanden sich reiche, farbige Ausmalungen,
deren Farben, wie zuverlässige Augenzeugen berichten,
schon um die Mitte des 17. Jahrhunderts verblichen
waren. Sie hatten jedenfalls unter grosser Feuchtig-
keit zu leiden und mehrfache Ausbesserungen, die das
Stiftskapitel 1693, 1696 und !7i3 vornehmen liess,
konnten sie nicht dauernd erhalten. 178: sah noch
der städtische Archivar Meyer der Aeltere einen Teil
derselben, während sie im darauffolgenden Jahre der
Uebertünchung anheimhelen.
(Fortsetzung folgt.)
Das Schriitzeichnen.
Von Johann Mai.
Dass die genaue Kenntnis der Schriftformen bei
allen KunstbeHissenen zur unbedingten Notwendigkeit
geworden ist, wenn sie auf der Höhe der Leistungs-
fähigkeit stehen wollen, wird allgemein anerkannt, nicht
minder dass dem Studium und den Uebungen im Schrift-
zeichnen nicht die Sorgfalt zuteil wird, um form-
gerechtere, stilvollere Zier- und laufende Schriftzeilen
auf den Erzeugnissen anbringen zu können.
Viele, sonst sehr gefällig im Aufbau der Zeichnungen
wirkende kunstgewerbliche Arbeiten leiden ganz wesent-
lich an den Unzulänglichkeiten der Schriften, denen
man das unfertige und stümperhafte Wesen sofort an-
merkt, und nicht selten wird das ganze Aussehen der
Arbeiten durch solche Schriften geradezu verdorben.
Würden sich die Künstler wegen ihrer absoluten Un-
kenntnis im Schriftenzeichnen in solchen Fällen
der Anbringung der Schriften enthalten und das Ein-
zeichnen von anderer Seite besorgen lassen, so wäre
es weit vorteilhafter gewesen, sie hätten dadurch an
ihrem Ruhme weit weniger eingebüsst, als wenn die
Zeichnungen selbst durch abstossende Buchstaben-
gebilde das Ansehen verlieren.
Dass es nicht leicht ist, die einzelnen Buchstaben
ohne gründliche Uebungen im richtigen Verhältnis zu-
einander korrekt zu zeichnen, bedarf nicht der Er-
wähnung, denn die Schriftbilder erfordern eine gründ-
liche Vertiefung und das Studium der Formen in ihren
Grundregeln, und sollte jeder Künstler — gleichviel wo
 
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