Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

DOI issue:
Nr. 8
DOI article:
Berger, Ernst: Die Geschichte der Maltechnik in der neueren Literatur, [4]
DOI article:
Ueber Leimsorten des Handels
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0035

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Nr. 8.

Münchner kunsttechnische Blätter.

3'

Beweise aus? Eibner sagt a. a. O., die Angaben Vasaris
in der Introduzione wären ,,sehr bestimmt"; aber wo
finden sich diese Angaben? Weder in dem 21. Ab-
schnitt „Von Oeimalerei auf Tafeln und auf Leinwand",
noch im 22. „Von Oeimalerei auf der Mauer, die
trocken sei", noch im folgenden 23. „Vom Oelmaien
auf Leinwand", noch im 24. „Wie man auf Stein mit
Oei malt und welche Steine dazu gut sind".*)
Man blättert weiter und findet endlich im 28. Ab-
schnitt „Von der Art, Gold mit Bolus mittels der
Beize und auf andere Art aufzulegen", die Stelle, in
der es bezüglich der Beizenvergoldung heisst:
„Diese Beize (mordente) macht man aus trocknenden
Oelfarben verschiedener Art und gekochten Oelen,
in denen Firnisse gelöst sind". Damit wäre ja
das Rätsel der van Eyck-Technik mit einem Schlage
gelöst! Also wozu noch länger suchen! Aber sein
Missliches hat diese Entdeckung dennoch, solange es
nicht gelingt, den Nachweis zu bringen, dass diese
Mischungen vor den van Eycks, also vor ca.
1400, gänzlich unbekannt gewesen sind. Dies dürfte
aber schwer gelingen; denn solche Mischungen waren
seit Jahrhunderten bekannt; sie finden sich im
Lucca-Ms. (9. Jahrhundert), im Theophilus (n. Jahr-
hundert) als Vernition bezeichnet und als Pictura
aureola, selbst in den italienischen Quellen des Cennini.
in der ältesten deutschen Malerhandschrift, im Strass-
burger Ms., kommen die gleichen Angaben vor,
und wenn eingewendet wurde, dass die Mischungen
von Oelen mit Firnis früher nicht zur Malerei ge-
dient hätten, so bietet das genannte Manuskript den
Gegenbeweis. In dem Abschnitt 71 meiner Ausgabe
(Quellen und Technik des Mittelalters, S. 170) heisst
es von den „oli varwen" (Oelfarben): „Hie merke dis
varwen so! man alle gar wol riben mit dem oli und
ze jungest (d.h. zuletzt) so sol man under jeglich
varwe drie troph. virnis riben usw." Das Strass-
burger Ms. ist aber nach dem Urteil von Fachmännern
vor van Eycks Erfindung geschrieben!
Dass das Rätsel der van Eyck-Technik weder
durch Quellenforschung allein, noch durch die Mal-
probe gelöst werden kann, sondern dessen Lösung der
neuerer Zeit bekannt gewordenen mikrochemischen
Untersuchung Vorbehalten bleibt, wie es S. 424 an-
gedeutet ist, erachte auch ich für sehr wahrscheinlich.
Bis jetzt hat jeder nur Versuche beigesteuert. Auch
meine Annahme ist nur als „Versuch einer Lösung"
gedacht gewesen; allerdings hatte ich später die Freude,
zu sehen, dass bedeutende Männer die gleiche oder
eine ähnliche Ansicht hatten, und darunter befindet
sich gerade der beste Kenner alterTechniken, Böcklin,
und einer unserer besten Gelehrten des Faches. W.
Ostwald.**) Auch aus den bisherigen Ergebnissen
der mikro-chemischen Analysen an Bruchstücken alter
Gemälde von E. Raehlmann ist zu ersehen, dass bei
den Altdeutschen „das Oel als Malmaterial bzw. als
Bindemittel für Farben völlig zurücktritt" (s. Raehlmanns
Abhandlung im Ili. Jhg. dieser Blätter, S. 94***). In
der obenerwähnten Eastlake-Uebersetzung finde ich
S. 148 die Bemerkung, dass gegen eine „Kombination
von Wasser (d. i. Gummitempera) mit Oelfarbe sich
kein Widerspruch erheben" liesse, obwohl der Ueber-
setzer Dr. Hesse zum Harzölbindemittel neigt, und
von einem Maler Schad erzählt, er habe den Genter

*) Eine deutsche Uebersetzung dieser Kapitel ist
enthalten in meiner „Geschichte der Maltechnik"
Bd. IV (Renaissance und Folgezeit), S. 21 f.
**) S. „Malerbriefe", S. 146.
***) S. auch dessen eben erschienenes Werk:
„Ueber die Maltechnik der Alten." Mit besonderer
Berücksichtigung der röm.-pompej. Wandmalerei.
(Berlin 19:0.) S. 37.

Altar mit Mussinifarben „täuschend" kopiert. Dies
spricht gewiss für die vielseitige Verwendbarkeit
dieses Fabrikates, aber beweist wenig für die van Eyck-
Frage. Dem könnte ich Beispiele anreihen von Kopien,
die mit Emulsionstempera ausgeführt wurden; so die
seinerzeit berühmte Kopie von Dürers Selbstporträt von
Vermehren, die allgemeines Aufsehen machte und
Dr. Bayersdorfer (gewiss ein Kenner!) zu einem latei-
nischen Distichon begeisterte, dann die Kopien von
Wolter in ähnlicher Tempera (hl. Lukas von Roger
von der Weyden und Verkündigung des gleichen
Meisters), deren eine Lenbach (gewiss auch ein Kenner!)
so sehr gefiel, dass er sie durchaus besitzen wollte,
und da der Maler sie nicht für Geld abgeben wollte,
zwei grosse Lenbachs dafür in Tausch erhielt — man
weiss, was Lenbachs wert sind! —, die zweite Kopie
befindet sich noch in des Künstlers Besitz, sie ist
nicht minder gut als die erste und von täuschender
Aehnlichkeit mit dem Original. Mir sind auch noch
Kopien des Malers Böhnke erinnerlich, die ganz emi-
nent die Wirkung altmeisterlicher Technik imitierten
und nicht mit Oelfarben gemalt waren.
Hesse führt S. 148 der Eastlake-Uebersetzung
als Beweis, dass van Eycks Genter Altar mit einem
Oelharzbindemittel gemalt sein dürfte, die an unsere
heutige Oel- oder Oelharzmalerei anklingende Art
der Sprünge an, die sich insbesondere auf dem
Gewände des musizierenden Engels (Bild Nr. 5:3)
deutlich zeigten. Auch Eibner erwähnt S. 423 diese
Sprünge auf dem Mantel der heil. Cäcilie und vermutet
hier öliges Bindemittel (Asphalt), während die übrigen
Teile (ausgenommen die Leimsprünge des Grundes auf
den Grisaillen) zumeist tadellos erhalten seien.
Mir scheint dieser Umstand vielmehr gerade das
Gegenteil zu beweisen! Wenn das fragliche Brokat-
gewand der Figuren „millimeterbreite und 3—6 cm
lange klaffende Risse zeigt", die übrigen Teile des
Bildes aber nicht, so muss daraus geschlossen werden,
dass der Mantel in andererWeise, d. h. mit einem
öligen oder harzartigen Vehikel, gemalt wurde, das
eben zur Riss- und Sprungbildung neigt. Wir wissen
ja aber aus manchen Stellen der alten Anweisungen,
z. B. Cenninis, dass Brokatmäntel und alles auf Gold-
grund auszuführende Beiwerk mit öligem Binde-
mittel gemalt werden sollte, weil auf der Oelbeize
eine andere Farbe nicht haften würde und weil die
solchen Zwecken dienlichen Lacke so am transparen-
testen erscheinen In diesem Zusammenhänge erklärt
es sich zur Genüge, dass die Brokatmalerei von Rissen
durchfurcht ist, die übrige Malerei aber nicht!
Man sieht aus dem allen, dass es eine gar nicht
so leichte Aufgabe ist, maltechnische Fragen, wenn sie
so komplizierter Natur sind, zu lösen. Viel Arbeit ist
hier schon geleistet worden, und ich will gerne die
Verdienste anerkennen, die sich andere dabei erworben
haben. In diesen Dingen wird aber dem Chemiker
der Kunsthistoriker stets zur Seite stehen müssen.
Und auch diese werden einen im Technischen sehr
erfahrenen Praktiker nicht entbehren können, um
zwischen feststehenden, wohlbegründeten Tatsachen
und vielseitig ausgesprochenen Vermutungen richtig
unterscheiden zu können.

Ueber Leimsorten des Handels.
Unter Leim versteht man bekanntlich ein Fabri-
kationsprodukt, welches durch Kochen leimgebender
Stoffe (Knochen, Knorpel, Sehnen, Abfälle der Gerbe-
reien und Fleischereien usw.) mit Wasser erhalten wird.
Chemisch betrachtet unterscheidet man nur zwei Leim-
sorten, das aus Knorpeln hergestellte Chondrin, welches,
da wenig Klebkraft zeigend, technisch nicht in Frage
kommt, und das aus Haut und Knochen bereitete
 
Annotationen