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Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr. n.
nur solange malen kann, als der Grund feucht ist. Daraus folgt auch die Notwendigkeit des stück-
weisen Auftrages für die täglich auszuführende Malarbeit.
Die aufgetrocknete Kalkfarbe ist stets matt, weil der kristallinische Ueberzug, das Häutchen
des gebildeten kohlensauren Kalkes, nicht glasartig durchsichtig ist und erst durch den Trocken-
prozess seinen Wassergehalt verliert, und die Porosität optisch sich auf diese Art äussert.
Glänzende Freskomalerei gibt es demnach nicht.
Es hat sich gelegentlich des Streites über die pompejanisch-römische Malerei die Ansicht
Geltung verschafft, und die Vertreter dieser Ansicht glauben aus einigen Stellen bei Vitruv diesen
Schluss ziehen zu sollen, dass die antiken Wandmalereien in Rom und Pompeji als „reine Fresko-
malerei" anzusehen seien. Sie behaupten, dass die Temperamalerei wohl in einzelnen Fällen,
doch jedenfalls nur aushilfsweise bei den Alten Anwendung gefunden haben kann, weil Tempera
auf die Dauer den Einflüssen der Feuchtigkeit nicht Widerstand leisten könnte; eine innige Ver-
bindung der Tempera mit dem Wandgrunde findet auch nicht statt, sondern nur eine
oberflächliche Haftung.
Die Vertreter dieser „Freskotheorie" bei den Alten nehmen an, dass der überaus dicke
Marmormörte! den Zweck gehabt hätte, ein längeres Arbeiten auf dem Nassen zu gestatten,
und dass überdies die Festigkeit der Oberfläche desto stärker werde, je mehr kohlensaurer Kalk
sich bilden könne.
Wiegmann, der erste Vertreter dieser Theorie, meinte überdies, dass sich hierbei ein firms-
artiger Kristallisationsüberzug bilde, der die eigentliche Ursache des Glanzes sei (Malerei der Alten,
S. 44 u. 175). Wiegmann machte auch zuerst auf Grund der chemischen Analysen von Chaptal
(1809) und Davy (181$) darauf aufmerksam, dass die antike Enkaustik mit der Wandmaltechnik in
keinem Zusammenhänge stehe und die sog. Ganosis der Wände ausschliesslich bei Zinnober An-
wendung gefunden habe.
Wiegmanns Annahmen wurden dann vom Maler O. Donner weiter ausgeführt. Er trat im
Jahre 1869 durch eine äusserlich glänzende Beweisführung für die „Freskotheorie" ein und über-
zeugte — da er in technischen Dingen als Fachmann gelten durfte — die Gelehrten der Altertums-
wissenschaft darin, dass die antike Wandmalerei im wesentlichen reines Fresko gewesen sei und
von den Malern des Altertums „mit wahrer Leidenschaft" ausgeübt wurde, dass enkaustische Bilder
in Pompeji absolut nicht Vorkommen, der Tempera- und Leimmalerei jedoch eine sehr untergeordnete
Rolle zuzuteilen sei.
Diese Ansicht befriedigte die gelehrte Welt um so mehr, als damit der Beweis erbracht
schien, dass schon die alten Griechen die später, zur Renaissancezeit, zu grossen Ehren gelangte
Technik längst besessen hatten, ja sie sogar in unvergleichlich besserer Weise auszuführen
verstanden als ihre Epigonen. Dabei kann freilich Donner der Vorwurf nicht erspart bleiben, dass
er es unterlassen hatte, durch ausreichende Proben den Beweis für die Richtigkeit seiner An-
nahmen zu erbringen. Da sich aber die meisten Gelehrten der Donnerschen Theorie anschlossen,
schien die Frage endgültig gelöst.
Als ich vor 18 Jahren das Donnersche Buch (Die erhaltenen antiken Wandmalereien in
technischer Beziehung, Leipzig 1869) mit gläubiger Hingabe gelesen und bald darauf in Neapel,
Pompeji und Rom die antiken Malereien mit Bewunderung studiert hatte, war mein Verlangen
darauf gerichtet, die Wiegmann-Donnersche Freskotheorie in die Praxis umzusetzen und so ihre
Wahrheit ausser Zweifel zu stellen. Ich versuchte es wiederholte Male, auf genau nach Vitruvs
Angaben hergestelltem Marmormörtelgrund al fresco zu malen. Aber der Erfolg blieb jedesmal aus,
wie auch immer ich es ansteilte. Der angebliche Kristallisationsüberzug, welcher von selbst
entstehen und die Ursache von Glanz und Glätte des Vitruvschen Tektoriums sein sollte, stellte
sich nicht ein. Die Oberfläche blieb immer matt, wie bei jeder Freskomalerei, auch wenn der
sechsfache dicke Bewurf an einem Tage aufgetragen war. Dies führte mich auf den Gedanken,
dass die Rekonstruktion nach Wiegmann-Donner unrichtig sein müsse, und es war der direkte
Anlass, die Rekonstruktion der antiken Wandtechnik von neuem zu versuchen. Nach vielfachen
Misserfolgen kam ich schliesslich auf ein Verfahren, das in bezug auf die Schichtung des Bewurfes
und den durch ein besonderes Glättungsverfahren erzielbaren Glanz der Stuckoberfläche mit dem der
antiken Stuckwände auffallende Gleichartigkeit zeigte, nämlich auf die Stuccolustro-Manier
der Italiener, worin ich die fortgesetzte Tradition der Technik des Altertums erkennen zu
sollen glaubte.
Diese nur von italienischen Stukkateuren (zur Imitation von Marmormalerei) angewandte, den
Malern aber völlig unbekannte Art der Technik besteht nun darin, auf einem entweder weissen
oder oberflächlich gefärbten Marmorstuck, solange die Schichten noch weich sind, Dekorationen
aufzumalen, und wenn die Farbschicht eine gewisse Festigkeit erlangt hat, mittels besonderer Glätt-
Münchner kunsttechnische Blätter.
Nr. n.
nur solange malen kann, als der Grund feucht ist. Daraus folgt auch die Notwendigkeit des stück-
weisen Auftrages für die täglich auszuführende Malarbeit.
Die aufgetrocknete Kalkfarbe ist stets matt, weil der kristallinische Ueberzug, das Häutchen
des gebildeten kohlensauren Kalkes, nicht glasartig durchsichtig ist und erst durch den Trocken-
prozess seinen Wassergehalt verliert, und die Porosität optisch sich auf diese Art äussert.
Glänzende Freskomalerei gibt es demnach nicht.
Es hat sich gelegentlich des Streites über die pompejanisch-römische Malerei die Ansicht
Geltung verschafft, und die Vertreter dieser Ansicht glauben aus einigen Stellen bei Vitruv diesen
Schluss ziehen zu sollen, dass die antiken Wandmalereien in Rom und Pompeji als „reine Fresko-
malerei" anzusehen seien. Sie behaupten, dass die Temperamalerei wohl in einzelnen Fällen,
doch jedenfalls nur aushilfsweise bei den Alten Anwendung gefunden haben kann, weil Tempera
auf die Dauer den Einflüssen der Feuchtigkeit nicht Widerstand leisten könnte; eine innige Ver-
bindung der Tempera mit dem Wandgrunde findet auch nicht statt, sondern nur eine
oberflächliche Haftung.
Die Vertreter dieser „Freskotheorie" bei den Alten nehmen an, dass der überaus dicke
Marmormörte! den Zweck gehabt hätte, ein längeres Arbeiten auf dem Nassen zu gestatten,
und dass überdies die Festigkeit der Oberfläche desto stärker werde, je mehr kohlensaurer Kalk
sich bilden könne.
Wiegmann, der erste Vertreter dieser Theorie, meinte überdies, dass sich hierbei ein firms-
artiger Kristallisationsüberzug bilde, der die eigentliche Ursache des Glanzes sei (Malerei der Alten,
S. 44 u. 175). Wiegmann machte auch zuerst auf Grund der chemischen Analysen von Chaptal
(1809) und Davy (181$) darauf aufmerksam, dass die antike Enkaustik mit der Wandmaltechnik in
keinem Zusammenhänge stehe und die sog. Ganosis der Wände ausschliesslich bei Zinnober An-
wendung gefunden habe.
Wiegmanns Annahmen wurden dann vom Maler O. Donner weiter ausgeführt. Er trat im
Jahre 1869 durch eine äusserlich glänzende Beweisführung für die „Freskotheorie" ein und über-
zeugte — da er in technischen Dingen als Fachmann gelten durfte — die Gelehrten der Altertums-
wissenschaft darin, dass die antike Wandmalerei im wesentlichen reines Fresko gewesen sei und
von den Malern des Altertums „mit wahrer Leidenschaft" ausgeübt wurde, dass enkaustische Bilder
in Pompeji absolut nicht Vorkommen, der Tempera- und Leimmalerei jedoch eine sehr untergeordnete
Rolle zuzuteilen sei.
Diese Ansicht befriedigte die gelehrte Welt um so mehr, als damit der Beweis erbracht
schien, dass schon die alten Griechen die später, zur Renaissancezeit, zu grossen Ehren gelangte
Technik längst besessen hatten, ja sie sogar in unvergleichlich besserer Weise auszuführen
verstanden als ihre Epigonen. Dabei kann freilich Donner der Vorwurf nicht erspart bleiben, dass
er es unterlassen hatte, durch ausreichende Proben den Beweis für die Richtigkeit seiner An-
nahmen zu erbringen. Da sich aber die meisten Gelehrten der Donnerschen Theorie anschlossen,
schien die Frage endgültig gelöst.
Als ich vor 18 Jahren das Donnersche Buch (Die erhaltenen antiken Wandmalereien in
technischer Beziehung, Leipzig 1869) mit gläubiger Hingabe gelesen und bald darauf in Neapel,
Pompeji und Rom die antiken Malereien mit Bewunderung studiert hatte, war mein Verlangen
darauf gerichtet, die Wiegmann-Donnersche Freskotheorie in die Praxis umzusetzen und so ihre
Wahrheit ausser Zweifel zu stellen. Ich versuchte es wiederholte Male, auf genau nach Vitruvs
Angaben hergestelltem Marmormörtelgrund al fresco zu malen. Aber der Erfolg blieb jedesmal aus,
wie auch immer ich es ansteilte. Der angebliche Kristallisationsüberzug, welcher von selbst
entstehen und die Ursache von Glanz und Glätte des Vitruvschen Tektoriums sein sollte, stellte
sich nicht ein. Die Oberfläche blieb immer matt, wie bei jeder Freskomalerei, auch wenn der
sechsfache dicke Bewurf an einem Tage aufgetragen war. Dies führte mich auf den Gedanken,
dass die Rekonstruktion nach Wiegmann-Donner unrichtig sein müsse, und es war der direkte
Anlass, die Rekonstruktion der antiken Wandtechnik von neuem zu versuchen. Nach vielfachen
Misserfolgen kam ich schliesslich auf ein Verfahren, das in bezug auf die Schichtung des Bewurfes
und den durch ein besonderes Glättungsverfahren erzielbaren Glanz der Stuckoberfläche mit dem der
antiken Stuckwände auffallende Gleichartigkeit zeigte, nämlich auf die Stuccolustro-Manier
der Italiener, worin ich die fortgesetzte Tradition der Technik des Altertums erkennen zu
sollen glaubte.
Diese nur von italienischen Stukkateuren (zur Imitation von Marmormalerei) angewandte, den
Malern aber völlig unbekannte Art der Technik besteht nun darin, auf einem entweder weissen
oder oberflächlich gefärbten Marmorstuck, solange die Schichten noch weich sind, Dekorationen
aufzumalen, und wenn die Farbschicht eine gewisse Festigkeit erlangt hat, mittels besonderer Glätt-