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Münchner kunsttechnische Blätter — 7.1910/​1911

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Nr. 24
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Buss, Otto; Berger, Ernst: Briefe von Dr. Buss † über das punische Wachs, [3]: mit Einleitung von E. B.
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https://doi.org/10.11588/diglit.36591#0104

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Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 24,

noch nicht so gründhch durch mit dem Studium
des gütigst überlassenen Materials, um mir klar
zu sein, ob und inwieweit das punische Wachs
als Bindemittel in . Berücksichtigung gezogen
werden darf.
Jedenfalls ist mir das heute klar, dass meine
Wiederholung des Pliniusschen Rezeptes richtig
ist. Ich vermute auch, dass in dem von Ihnen
bereiteten punischen Wachs der Gehalt an freier
Soda oder Pottasche bei den praktischen Ver-
suchen Störungen geben musste, wogegen das
nach der Pliniusschen Vorschrift bereitete absolut
frei von Alkalien gewesen sein muss, denn die
wiederholte Kochung in Meerwasser bewirkt eben
eine Befreiung des Produktes vom Alkali.
Sie machen mich auf verschiedene Einwände
gegen meine Wiederholung aufmerksam, so z. B.
den von mir angewendeten höheren Gehalt an
Pottasche oder Soda, weil Dioskorides
MTpoy vorschreibe. Der Einwand ist leicht zu
widerlegen. ist eine Verhältniszahl und
kann mit genau derselben Berechtigung das Ver-
hältnis von MTpoi' zu Meerwasser bezeichnen, wie
das von w-rpov und Wachs. Nun muss aber,
wenn sich der Schaum bilden soll, also die Aus-
salzung erfolgt, das Meerwasser gegenüber dem
Wachs in grossem Ueberschuss sein, so dass
man wenig wrpor in viel Meerwasser hat und
auch wenig Wachs. Also diesen Einwand können
die Philologen nicht aufrechterhalten.
Die Frage, ob wzpoy Soda oder Pottasche
sei, ist eine philologische und kann für die Frage
des punischen Wachses ausgeschaltet werden,
denn die Pliniussche Vorschrift ist gültig für
wrpoy = Soda und gleich Pottasche. Den Philo-
logen, die Nitrum gern mit Soda übersetzen,
kann man punisches Wachs mit Soda machen,
und denen, die Pottasche lesen, lässt sich das
gleiche punische Wachs mit Pottasche bereiten.
Alles das gilt eben, wenn man aussalzt.
Es würde mich freuen, wenn Sie mir noch
mehr Einwände machen könnten, da ich dann
von vornherein alle berücksichtigen könnte. Ich
bin nun dabei, mir Gelegenheit zu verschaffen,
selbst Meerwasser auf hoher See zu schöpfen, um
endlich auch diesen Punkt klarzustellen und
Plinius genau zu kopieren. Das ist nicht so ein-
fach, weil ich bei verschiedenen Bureaus herum-
laufen muss, um eine Gelegenheit zu finden, auf
ein Boot zu kommen, das mir stillhält, wenn ich
meine Flaschen füllen will. Auch muss ich mir
noch eine Quantität einwandfreien Wachses be-
sorgen. Mit diesem Material soll dann ein Posten
punisches Wachs fabriziert werden. Die ganze
chemische Arbeit, nämlich die genaue Wieder-
holung der Pliniusschen Vorschrift, ist mir also
vollkommen klar. Was ich da zu machen habe,
und was ich bekommen werde, weiss ich heute
schon ziemlich sicher. Nun sollten Sie mir aber

noch sagen, zu was das punische Wachs gedient
haben kann und wie es angewendet worden sein
könnte. Es will mir nicht recht einleuchten, dass
es nur als Politur sollte verwendet worden sein.
Wollen Sie mir also, bitte, noch die springenden
Punkte, auf die es bei Ihrer Rekonstruktion an-
kommt, kurz angeben, wobei Sie Ihre „Maltechnik
des Altertums" als bekannt, aber nicht vollständig
durchstudiert voraussetzen dürfen.
Nachdem über das punische Wachs ja schon
so viel Druckerschwärze verbraucht worden ist,
möchte ich nicht mit einer fadenscheinigen Wieder-
holung älterer Sachen aufrücken, sondern die
Diskussion über das Pliniussche Rezept endgültig
abschliessen. Der Nachweis der maltechnischen
Verwendbarkeit des erhaltenen Produktes sollte
aber auch geliefert werden. Diese Mal- oder
Politurmittel sollte ich eben auch selbst anfertigen,
um mir über die Sache klar zu werden, und er-
bitte mir hierüber noch Ihre kurze Wegleitung.
Ihr ergebener
Dr. Buss.
5. Brief.
16. Mai 1906.
Ich danke Ihnen verbindlichst für Ihre aus-
führliche, gründliche Aufklärung vom fß. Mai
sowie Ihre Karte und die Sendung Ihrer früheren
Publikation. Ich bitte Sie, mir die Sachen noch
einige Wochen zu überlassen, da ich erst das
experimentelle Material zusammenstellen möchte,
bevor ich die Sache, unter Bezugnahme auf die
früheren Publikationen, zu Papier bringe.
Ich fange an, in der Sache klar zu sehen
und meine Aufgabe zu erkennen, darin bestehend,
festzustellen, was punisches Wachs gewesen sein
muss resp. ist, was für Eigenschaften es hat und
was für Verwendungsmöglichkeiten offenstehen.
Es wird nicht zu umgehen sein, auch Ihre Ver-
suche teilweise richtigzustellen, denn in einzelnen
derselben, z. B. der Ausmalung der Loggia in
München, sind Fehler, da Sie die Lauge mit
vermalten,*) was zu Störungen Anlass geben
muss. Im übrigen wird sich Ihre Anschauung
fast vollständig rechtfertigen lassen.
Natürlich habe ich mein punisches Wachs
sofort auf Polierfähigkeit untersucht, ä la Ganosis
angewendet. Auf die Marmorplatte gestrichen,
mit der Gaslampe erwärmt und abgerieben, gibt
es sofort Hochglanz, ebenso auf der trockenen
Kalkwand. Man hat hier in Belgien einen ganz
antik anmutenden Kalkverputz, nämlich eine erste
Schicht aus Kalkbrei, Sand und kleingehacktem
Heu, und darüber, auf die feuchte erste Lage

*) Dies ist nicht der Fall gewesen, da das freie
Alkali durch Kochung mit.etwas Oel (nach der Vor-
schrift Vitruvs: paulo oleo temperata) neutralisiert würde.
 
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