Bernhard Hoetger.
Abend (Stein).
fläche erhält. Diese Beruhigung geht bis ins einzelne
und kleinste. Die langsam sinkenden Aickzackfalten der
Reliefs aus dem Darmstädter Platanenhain und einiger
Gewandfiguren, die Haarbildung bei den großen Bronze-
köpfen und bei den Frauen vom Berner Volkshause, all
das weist denselben gehaltenen tropfenden Fall auf,
den Umriß und Lichtführung empfinden lassen. Es ver-
steht sich von selbst, daß auch die Bewegungsmotive anders
geworden sind. Es sind nicht mehr die lebhaften Tätig-
keiten, ist nicht mehr der Kraftaufwand, wie bei den
Arbeiterfiguren, was den Künstler reizt, sondern stille,
beschauliche Anstände, und selbst wenn er den Flug dar-
stellen will, ist es nicht das ungehemmte Vorwärts-
stürmen, sondern ein stilles, stetiges Getragensein.
Gleichzeitig mit den formalen Inhalten wandeln sich
auch die geistigen Inhalte der Hoetgerschen Kunst, und
auch dieser Vorgang vollzieht sich vollkommen organisch.
Seine ersten Werke, eben jene Arbeiter- und Straßen-
typen, stellten schon nicht mehr individuell bestimmte
Gestalten dar, sondern zeigten bereits eine Erweiterung
ins Allgemeinere, wenn auch nur bis zum Kastenmäßigen.
Dann folgten noch allgemeiner gehaltene Formulierun-
gen, die beiden Frauen und der Mann vom Berner
Volkshause, als elementarste Gegensätze menschlicher
Bildung, zugleich, ihrer Bestimmung als Bauschmuck
entsprechend, mehr tektonisch als frei gestaltet, und die
Torsen. Alle entbehrten aber noch des starken geistigen
Inhaltes. In dem Maße, wie die Form größer, allgemein-
gültiger und zugleich mehr von innen heraus belebt wird,
wächst auch die Empfindung, der geistige Inhalt ins All-
gemeine, Bedeutende. Es tritt jetzt das ein, was man
zumeist zum Ausgangspunkt für Betrachtungen Hoetger-
scher Bildwerke gemacht hat, wobei man aber übersah,
daß hier doch nur eine Seite des Problems liegt: Hoetger
versucht jetzt, seinen Gestalten als Inhalt das zu geben,
was über das Erlebnis des Einzelnen hinausgeht, all-
gemein menschliche Empfindungen, die den Einzelnen
nicht nur mit der Allgemeinheit seiner Artgcnossen, son-
dern auch mit dein ganzen Gebiet der übersinnlichen Welt
überhaupt verknüpfen. Seine Bildwerke führen jetzt
Aufschriften wie Schlaf, Auferstehung, Abend, Schauen.
Es geht um Empfindungen, seelische Austände, die so
vieldeutig sind wie die Musik, nur daß Hoetger als ge-
borener Plastiker wohl weiß, daß derlei eben nur in
bestimmtester Prägung und nur durch Form und Ge-
bärde darstellbar ist. Au gleicher Aeit macht sich auch in
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