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Das Jüngste Gericht
dem Papst die Idee nahegelegt, das Gemälde in Öl ausführen
zu lassen. Michelangelo sagte weder Ja noch Nein und enthielt
sich, da die Wand nach dem Willen Sebastianos hergerichtet wurde,
einige Monate der Arbeit. Dann aber sagte er, gedrängt, endlich:
er wolle das Gemälde nur al fresco ausführen; die Ölmalerei sei
eine Kunst für Weiber und träge und bequeme Personen, wie Fra
Bastiano eine sei. Er liess den Bewurf herunterschlagen und die
Mauer für Freskomalerei bereiten (Vasari V, 584. Vgl. auch Stein-
mann: „Altes und Neues aus der Sixtinischen Kapelle". Allgemeine
Zeitung 1897, Nr. 149, Beilage S. 2). Am 4. Februar 1537 suchte
der Papst den Meister, den er beständig drängte (nach Brief Giov.
Maria della Portas an Herzog Francesco Maria 21. Januar 1537,
s. Gronau, J. d. k. pr. K. XXVII, Beiheft S. 8), bei seiner Arbeit
auf (Leon Dorez a. a. O.), der in diesem Jahr sein Werk sehr ge-
fördert haben muss, denn im September antwortet er auf den Brief,
in dem Aretino seine Phantasievorstellung von einer Darstellung
des Jüngsten Gerichtes entwickelt hatte, er bedauere diese Ge-
danken nicht für das Gemälde verwerthen zu können, da dieses
zum grossen Theile vollendet sei. Auch in einem Brief della
Portas an den Herzog von Urbino heisst es, der Künstler sei con-
tinuamente occupato alla pictura della Capella (Gronau a. a. O.
S. 9). Dies war freilich eine absichtliche Übertreibung, wie Stein-
mann richtig bemerkt: wir dürfen uns aber den Eifer, mit dem
Michelangelo an's Werk ging, gross denken. Vermuthlich durch
mancherlei andere Arbeiten und Präokkupationen: die Angelegen-
heiten des Juliusdenkmales, die Pläne für die Neugestaltung des
Kapitols, auch durch seinen Fall vom Gerüst wiederholt unter-
brochen, wurde er mit dem grösseren oberen Theile Ende 1540
fertig, denn wir erfahren, dass am 15. Dezember dieses Jahres der
Zimmermeister Ludovico Bezahlung für das Niedrigermachen des
Gerüstes erhielt. Im Oktober 1541 war die grosse Schöpfung voll-
endet und wurde am 31. des Monats enthüllt. So sagt das Dia-
rium des Petrus Paulus Gualterius (St. S. 776, 2). Nach Vasaris
freilich unbestimmter Angabe hätte die Enthüllung zu Weihnachten
stattgefunden. Urbino, der seinem Meister als Farbenreiber Ge-
hülfendienste geleistet, erhielt vom Papst ein Geschenk von 60 Skudi
(18. November) und bald darauf (26. Oktober 1543) das Amt eines
Mundator picturarum capellarum palatii apostolici (St., Pogatscher,
S. 770, II und 757, 7).
Michelangelo musste es selbst noch erleben, dass Veränderungen
mit seinem Werke vorgenommen wurden. Der finstere Caraffa,
der 1555 Papst wurde, war nur mit Mühe von dem Befehl, das
Fresko herabzuschlagen, abzuhalten. Daniele da Volterra erhielt
den Auftrag, die nackten Gestalten zu bekleiden, und veränderte
Das Jüngste Gericht
dem Papst die Idee nahegelegt, das Gemälde in Öl ausführen
zu lassen. Michelangelo sagte weder Ja noch Nein und enthielt
sich, da die Wand nach dem Willen Sebastianos hergerichtet wurde,
einige Monate der Arbeit. Dann aber sagte er, gedrängt, endlich:
er wolle das Gemälde nur al fresco ausführen; die Ölmalerei sei
eine Kunst für Weiber und träge und bequeme Personen, wie Fra
Bastiano eine sei. Er liess den Bewurf herunterschlagen und die
Mauer für Freskomalerei bereiten (Vasari V, 584. Vgl. auch Stein-
mann: „Altes und Neues aus der Sixtinischen Kapelle". Allgemeine
Zeitung 1897, Nr. 149, Beilage S. 2). Am 4. Februar 1537 suchte
der Papst den Meister, den er beständig drängte (nach Brief Giov.
Maria della Portas an Herzog Francesco Maria 21. Januar 1537,
s. Gronau, J. d. k. pr. K. XXVII, Beiheft S. 8), bei seiner Arbeit
auf (Leon Dorez a. a. O.), der in diesem Jahr sein Werk sehr ge-
fördert haben muss, denn im September antwortet er auf den Brief,
in dem Aretino seine Phantasievorstellung von einer Darstellung
des Jüngsten Gerichtes entwickelt hatte, er bedauere diese Ge-
danken nicht für das Gemälde verwerthen zu können, da dieses
zum grossen Theile vollendet sei. Auch in einem Brief della
Portas an den Herzog von Urbino heisst es, der Künstler sei con-
tinuamente occupato alla pictura della Capella (Gronau a. a. O.
S. 9). Dies war freilich eine absichtliche Übertreibung, wie Stein-
mann richtig bemerkt: wir dürfen uns aber den Eifer, mit dem
Michelangelo an's Werk ging, gross denken. Vermuthlich durch
mancherlei andere Arbeiten und Präokkupationen: die Angelegen-
heiten des Juliusdenkmales, die Pläne für die Neugestaltung des
Kapitols, auch durch seinen Fall vom Gerüst wiederholt unter-
brochen, wurde er mit dem grösseren oberen Theile Ende 1540
fertig, denn wir erfahren, dass am 15. Dezember dieses Jahres der
Zimmermeister Ludovico Bezahlung für das Niedrigermachen des
Gerüstes erhielt. Im Oktober 1541 war die grosse Schöpfung voll-
endet und wurde am 31. des Monats enthüllt. So sagt das Dia-
rium des Petrus Paulus Gualterius (St. S. 776, 2). Nach Vasaris
freilich unbestimmter Angabe hätte die Enthüllung zu Weihnachten
stattgefunden. Urbino, der seinem Meister als Farbenreiber Ge-
hülfendienste geleistet, erhielt vom Papst ein Geschenk von 60 Skudi
(18. November) und bald darauf (26. Oktober 1543) das Amt eines
Mundator picturarum capellarum palatii apostolici (St., Pogatscher,
S. 770, II und 757, 7).
Michelangelo musste es selbst noch erleben, dass Veränderungen
mit seinem Werke vorgenommen wurden. Der finstere Caraffa,
der 1555 Papst wurde, war nur mit Mühe von dem Befehl, das
Fresko herabzuschlagen, abzuhalten. Daniele da Volterra erhielt
den Auftrag, die nackten Gestalten zu bekleiden, und veränderte