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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Die Bauten in Rom

„weder Griechen noch Römer hätten ihm Gleiches geschaffen". Die
schöne Einheit der unteren und oberen Hälfte des Kuppelraumes
und die lebendig pulsirende Wirkung der rhythmischen Traveen seien,
so meint H. v. Geymüller, die einzigen Elemente, welche etwa
Michelangelos hohe Befriedigung erklären könnten. Die Kuppel
erhebt sich gleichsam von unten, da alle Linien durchgeführt sind.
Es liesse sich bestreiten, ob dies Motiv, das wir übrigens bereits in
der Capella di S. Giovanni im Dom zu Siena am Anfang des
Jahrhunderts finden, ästhetisch sehr befriedigend gewirkt hätte - —
ich finde hier Das, was einmal gelegentlich der Peterskuppel v. Gey-
müller geistvoll als gothisches Element in Michelangelos Architektur
bezeichnet.
Wir müssen die Frage offen lassen, ob dieser Entwurf der zur
Ausführung bestimmte gewesen. Eine andere ist von Geymüller
aufgeworfen worden. Er meint, die Einfachheit der Formen lege
die Vermuthung nahe, die Zeichnung sei nicht 1559, sondern schon
gelegentlich jener Konkurrenz zu Leos X. Lebzeiten angefertigt
worden. Auch zeige sie Verwandtschaft mit einem jener Entwürfe
für einen Zentralbau, die er auf das erste Stadium des Juliusdenkmals
bezieht und die ich als Entwürfe für S. Giovannino in Florenz be-
zeichnet habe (s. oben I, 475). Dies ist unzweifelhaft richtig, ja, ich
selbst habe längere Zeit geschwankt, ob nicht jene Grundrisse eines
Zentralbaues überhaupt für S. Giovanni dei Fiorentini angefertigt
wurden. Doch ist die Annahme unhaltbar, weil, wie ich nachwies,
gerade auf dem besonders in Frage kommenden Blatte (unsere
Nr. XXXVII der Medicizeichnungen s. oben I, S. 477) unleugbare Be-
ziehungen zu den Medicigräbern vorhanden sind. Und dann haben
wir in jenen Studien, welche eine Mittelstellung von Säulen zeigen,
offenbar Pläne für einen viel kleineren Bau, als es die riesige Kirche
in Rom werden sollte. (Nr. XXXIV dürfte übrigens gar nicht in
Betracht kommen, da die an S. Stefano erinnernde Grundrissanlage
nicht mit den Fundamenten von S. Giovanni dei Fiorentini in Ein-
klang gebracht werden könnte.) Die Wahrheit scheint mir Dieses
zu sein: Michelangelo hat im Jahre 1559 jene älteren
Entwürfe für einen Zentralbau sich wieder in Erinne-
rung gebracht und an einen derselben angeknüpft.
Jene Einfachheit aber scheint mir der Datirung des Entwurfes
in die späte Zeit des Meisters nicht zu widersprechen. Durch seine
Beschäftigung mit den Problemen von S. Peter ist er Architekt
geworden — in der früheren Zeit bleibt er immer der Bildhauer,
selbst dort wo er einfache Formen anwendet. Nie auch würde er
damals auf plastischen Schmuck verzichtet haben, wie er es hier in
auffallender Weise thut. Nirgends aussen mehr eine Nische für eine
Statue! Nur durch sich selbst, durch Verhältnisse und Kräfteaus-
 
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