Die Pieta, die Beweinung und die Grablegung
489
kannten Stiche des Marcantonio Raimondi (B. 34) erhalten ist, den
Ausgangspunkt für die Gestaltung gegeben zu haben. Sie zeigt
Christus auf einer niedrigen, in zwei Stufen sich erhebenden Mauer
ausgestreckt liegend, die Füsse auf dem Boden, hinter ihm die
stehende Maria, welche, die nach unten ausgestreckten Hände
schmerzlich öffnend, nach oben schaut. Das Motiv des liegenden
Christus ist aus Darstellungen der Beweinung übernommen worden.
Kompositionell ist die Gruppe in Raphaels Zeichnung glücklicher
gestaltet, da durch die Arme Marias und die erhöhte Stellung des
Oberkörpers Christi die lineare Einheit in Dreiecksform hergestellt
ist, indess in Sebastianos Bilde die Horizontale des Leichnams und
die Vertikale der Maria unvermittelt auf einander stossen. Eine
höhere Macht der Erscheinung und Erhabenheit der Empfindung
ist dem Entwürfe Michelangelos zu eigen.
In seiner Petersburger Beweinung hat Sebastiano, in der Stel-
lung Christi sich wieder mehr Raphael nähernd, aber sein Unver-
mögen in der Komposition bedenklich offenbarend, die Grösse jener
Konzeption abgeschwächt.
Das Modell zu einem todten liegenden Christus, „nur eine
Skizze, aber eine der ausgezeichnetsten Sachen", befand sich in der
Sammlung Crozat und kam an Dessen Erben (Mariette: Observ. 78).
B. Christus auf einem Sitze zurückgelehnt.
Zwei originale Zeichnungen zeigen uns dieses Motiv, und zwar
die Christusgestalt allein, so dass wir im Unklaren darüber bleiben,
welche Figuren sie umgeben sollten.
II. Florenz, Casa Buonarroti XIV, 69. Thode 61. Ber. 1416.
Abb. Frey 15. Phot. Alinari 1013. Kreide. Der nach links
geneigte, dem Beschauer zugewendete Oberkörper eines nach
rechts gewandt sitzenden Mannes (der Kopf nicht ausgeführt).
Sein linker Arm hängt schlaff schräg nacli vorne über das
rechte Bein herab, der rechte, herabfallend, scheint mit der
Hand auf dem Sitze zu ruhen. Darunter ein muskulöser rechter
Arm, der in der geschlossenen Hand einen Gegenstand hält.
Dass die Zeichnung, wie Berenson und Frey meinen, der frühen
Zeit (der Sixtinafresken) angehöre, glaube ich nicht. Der Be-
handlung nach möchte ich sie in die Zeit der Studien für das
Jüngste Gericht, in die dreissiger Jahre, versetzen. Berenson
nennt sie mit Recht eine Studie zu der gleich zu erwähnen-
den (III) im Louvre. Frey bezweifelt, ob der Entwurf für eine
Pietä gedacht gewesen. Er findet Ähnlichkeit mit dem Jüng-
ling, der von einem Manne getragen wird, in der Mitte der
Sündfluthkomposition, was ich nicht finden kann, und bemerkt,
ein ähnliches Motiv zeige auch der Soldat rechts auf der
489
kannten Stiche des Marcantonio Raimondi (B. 34) erhalten ist, den
Ausgangspunkt für die Gestaltung gegeben zu haben. Sie zeigt
Christus auf einer niedrigen, in zwei Stufen sich erhebenden Mauer
ausgestreckt liegend, die Füsse auf dem Boden, hinter ihm die
stehende Maria, welche, die nach unten ausgestreckten Hände
schmerzlich öffnend, nach oben schaut. Das Motiv des liegenden
Christus ist aus Darstellungen der Beweinung übernommen worden.
Kompositionell ist die Gruppe in Raphaels Zeichnung glücklicher
gestaltet, da durch die Arme Marias und die erhöhte Stellung des
Oberkörpers Christi die lineare Einheit in Dreiecksform hergestellt
ist, indess in Sebastianos Bilde die Horizontale des Leichnams und
die Vertikale der Maria unvermittelt auf einander stossen. Eine
höhere Macht der Erscheinung und Erhabenheit der Empfindung
ist dem Entwürfe Michelangelos zu eigen.
In seiner Petersburger Beweinung hat Sebastiano, in der Stel-
lung Christi sich wieder mehr Raphael nähernd, aber sein Unver-
mögen in der Komposition bedenklich offenbarend, die Grösse jener
Konzeption abgeschwächt.
Das Modell zu einem todten liegenden Christus, „nur eine
Skizze, aber eine der ausgezeichnetsten Sachen", befand sich in der
Sammlung Crozat und kam an Dessen Erben (Mariette: Observ. 78).
B. Christus auf einem Sitze zurückgelehnt.
Zwei originale Zeichnungen zeigen uns dieses Motiv, und zwar
die Christusgestalt allein, so dass wir im Unklaren darüber bleiben,
welche Figuren sie umgeben sollten.
II. Florenz, Casa Buonarroti XIV, 69. Thode 61. Ber. 1416.
Abb. Frey 15. Phot. Alinari 1013. Kreide. Der nach links
geneigte, dem Beschauer zugewendete Oberkörper eines nach
rechts gewandt sitzenden Mannes (der Kopf nicht ausgeführt).
Sein linker Arm hängt schlaff schräg nacli vorne über das
rechte Bein herab, der rechte, herabfallend, scheint mit der
Hand auf dem Sitze zu ruhen. Darunter ein muskulöser rechter
Arm, der in der geschlossenen Hand einen Gegenstand hält.
Dass die Zeichnung, wie Berenson und Frey meinen, der frühen
Zeit (der Sixtinafresken) angehöre, glaube ich nicht. Der Be-
handlung nach möchte ich sie in die Zeit der Studien für das
Jüngste Gericht, in die dreissiger Jahre, versetzen. Berenson
nennt sie mit Recht eine Studie zu der gleich zu erwähnen-
den (III) im Louvre. Frey bezweifelt, ob der Entwurf für eine
Pietä gedacht gewesen. Er findet Ähnlichkeit mit dem Jüng-
ling, der von einem Manne getragen wird, in der Mitte der
Sündfluthkomposition, was ich nicht finden kann, und bemerkt,
ein ähnliches Motiv zeige auch der Soldat rechts auf der