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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Mitarb.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Die alten Bildnisse Michelangelos

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stellt sich dann aber die Vermuthung ein, das kapitolinische Bild-
niss sei nicht von Marcello Venusti, dem es ohne irgend welche
sichere Begründung zugeschrieben wird, sondern das von Vasari
genannte Werk Jacopos del Conte. Gewiss hätte Vasari davon
Kenntniss gehabt, wenn Venusti Michelangelo porträtirt hätte, denn
er ist über Dessen Arbeiten nach Michelangelo'schen Zeichnungen
doch sehr wohl unterrichtet. Verrathen nun seine eigenen Michel-
angelobildnisse (in der Cancelleria und in der Uffizienzeichnung)
die Kenntniss, ja vielleicht mehr als dies: die Benutzung des
kapitolinischen Porträts und zeigt die grosse Zahl der Kopien, die
überhaupt nach diesem angefertigt worden sind, dass man es als
ein authentisches Werk allgemein anerkannte und hoch schätzte,
so scheint mir der Schluss sehr nahe zu liegen: der Künstler des
Bildes im Kapitol ist Conte. Eine definitive Entscheidung hierüber
würde erst der von mir nicht angestellte Vergleich mit Contes be-
glaubigten Werken ergeben. Vasari theilt uns mit, dass er, aus
der Schule des Andrea del Sarto hervorgegangen, unter Paul III.
nach Rom kam und dort der Porträtmaler des päpstlichen Hofes
ward. (Vasari VII, 575 ff. Baglione, Ausg. 1649. S. 75.) Das früher
erwähnte Fresko der Verkündigung des Zacharias in S. Giovanni
decollato ist in den Jahren 1535 oder 1536 gemacht worden. Nicht
sehr lange nachher, etwa Ende der dreissiger oder Anfang der
vierziger Jahre, dürfte er Michelangelo porträtirt haben. Dass das
Bildniss nicht von Venusti gemalt, scheint mir der Vergleich mit
dem Porträt auf Dessen Jüngstem Gericht in Neapel zu ergeben. —
Bemerken möchte ich, dass der Meister in dem schwarzen
Damastrock und in dem Seidenfilzhut „all' antica", die wir in
Porträts kennen lernten, bestattet worden ist. An den Füssen trug
er Stiefel mit Sporen. (Gaye III, 138. Vgl. oben II, S. 518.)
Verzeichniss der authentischen Porträts in zeit-
licher Anordnung.
I. 1498. Anonymer Kupferstich im British Museum, unsere
Nr. XV. Der am Fenster schlafende Jüngling. Ich nenne
den Stich, weil es möglich, dass er nach einer Zeichnung aus
jenem Jahre angefertigt ist.
2. Um 1520 etwa (oder früher?). Die fälschlich Daniele da
Volterra zugeschriebene Röthelzeichnung in den Uffizien
Nr. XXIII.
3. 1522? Gemälde von Bugiardini in der Casa Buonarroti.
Nr. XXVI. Mit dem Kopftuch, Wiederholung im Louvre.
4. 1527. Holzschnitt in Fantis Triompho di Fortuna. Nr. XVI.
Ich erwähne ihn, obgleich kein Porträt, wegen des in ihm
wiedergegebenen allgemeinen Eindruckes von des Künstlers
Persönlichkeit und Arbeit.
 
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