Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 11.1911/​1912

DOI Heft:
Heft 32.
DOI Artikel:
Redaktioneller Teil
DOI Artikel:
D.W.D.K.: Eröffnung der Großen Berliner Kunstausstellung
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.52948#0446

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Werkstatt der Kunst.

Heft 32.

H36

ich mir ganz zu eigen machen. Je mehr nach Goethes
Wort die tägliche Zerstreuung jeden in sich selbst zu zer-
stören droht, um so mehr möchte auch ich wünschen, daß
weihevolle Versenkung in die Kunst vielen der Ruhepol
zur eigenen Stärkung und Erhaltung sei. Mit Recht ist
hervorgehoben worden, daß die Künstler selbst durch Los-
sagung von Schmutz in Wort und Bild die Augen des
Publikums in richtige Bahnen zu lenken vorzugsweise ge-
eignet sind. Der Künstler sollte nie vergessen, daß er nicht
nur der Freiheit Priester, sondern vor allem der Vasall
des Schönen bleibt, und daß er sich selbst aufgibt, wenn er
das Schöne nicht als eine heilige Flamme nährt. Die
Hebung des allgemeinen Kunstverständnisses endlich darf
auch vom Standpunkte der Volkserziehung, die mir begreif-
lich besonders am Herzen liegt, größte Bedeutung bean-
spruchen. wenn anderen Völkern der Sinn für Kunst von
einer heiteren Muse in die wiege gelegt zu sein scheint,
so müssen wir — aber wir dürfen es auch — die Er-
reichung höchster Ziele wie auf anderen Gebieten von
ernster treuer Arbeit erwarten. So hoffe ich, daß
auch Ihre diesjährige Ausstellung an ihrem Teile dazu
beitragen wird, die Liebe zu guter Kunst im Volke zu be-
leben und zu stärken, und so der glücklichste Erfolg das
Werk derer kröne, die ihm in mühevoller Vorarbeit ihre
Kräfte gewidmet haben. Ich wünsche, nachdem auch die
geschäftlichen Schwierigkeiten, die der Nutzbarmachung des
Ausstellungs parks entgegenstanden, dank hingebender
Arbeit, vor allem von seiten des Vertreters des Herrn
Finanzministers, behoben sein dürften, daß auch der wirt-
schaftliche Erfolg Ihrem Unternehmen nicht fehle.
So eröffne ich die Große Berliner Kunstausstellung
indem wir nach alter Preußensitte unseres Allergnädigsten
Kaisers gedenken, unter dessen mächtigem Schutze wir
uns der Künste des Friedens geruhsam erfreuen.
Se. Majestät hoch!
Am Abend wurde die Eröffnung der Ausstellung durch
ein Festmahl gefeiert in dem Restaurant des Landes-
ausstellungsparkes, das von demselben Tage an Stelle des
in Konkurs geratenen Pächters Zweig nun von Aschinger
bewirtschaftet wird.
Der Präsident der Ausstellung, Maler Max Schlich-
ting, begrüßte die zahlreich erschienenen Vertreter der
Behörden, Mitglieder und Gäste und feierte die Kunst, die
alle Völker verbindet.
Herr Ministerialdirektor, Geheimer Gberregierungsrat
Or. Friedrich Schmidt, brachte ein Hoch auf den Deut-
schen Kaiser aus, nm den uns alle Ausländer beneiden.
Erst kürzlich habe dem Redner ein Franzose gesagt: „wenn
wir nur euren Kaiser hätten, was wollten wir aus ihm
machen, — aber für euch ist er ja viel zu gescheit."
Prof. Schulte im Hofe, der Präsident des „Vereins
Berliner Künstler", hielt folgende Ansprache:
Unser Präsident sagte vorhin so schön, daß die Kunst
nicht nur Menschen, sondern auch die Völker verbinde.
Das Wort ist nicht nur schön, sondern auch wahr, wenig-
stens wir deutschen Künstler haben stets mit unseren Nach-
barn treue Waffenbrüderschaft gehalten, und sie sind stets
gut dabei gefahren.
Man kann es heute wohl, ohne diplomatische Verwick-
lungen befürchten zu müssen, offen aussprechen, daß wir
sicher einen Krieg bekommen hätten, wenn wir unsere
französischen Kollegen nicht im Künstlerhause bei Monet
und Lhandon versöhnt haben würden. Nur durch unser
Dazwischentreten sind die Friedensbedingungen glatt unter-
zeichnet worden, und das durch bloßen Austausch von
Monet gegen Monnaie. — Allerdings, als wir dann riefen:
„Sesam tu dich auf!", da verstanden unsere neuen Freunde:
„Läzanne tu dich auf!" — Doch auch das ist ja nun alles
samt dem ganzen To-Ti für alle Zukunft durch den Aus-
tausch der Futuristen wieder gutgemacht. So zeigt schon

dieses eine Beispiel zur Erwiderung, wie die Kunst selbst
die schrecklichsten Völker verbindet.
Ls sind bloße Spötter, die da meinen, die deutschen
Künstler marschieren getrennt und würden entzweit ge-
schlagen. wir deutschen Künstler führen unsere Kriege
grundsätzlich nur mit Prinzipien — wenn man will, mit
Prinzipien in Del und Gips und allenfalls mit Drucker-
schwärze. Als echte ideale Künstlernaturen sind wir uns
klar und einig darüber, daß jeder seine Prinzipien hoch-
halten muß! Man kann doch nicht mit einem ganz an-
deren Prinzip zusammen ausstellen! Da könnte ja das
andere Prinzip zur Geltung kommen! Und überhaupt:
Wenn wir Deutschen nicht so prinzipienfest wären, wie
sollte da das Ausland auf die Kosten kommen! Das gäbe
ja Krieg! Kurz der Weltfriede wird durch uns, und zwav
nur durch uns, gesichert. Berta Suttner ist gänzlich über-
flüssig. wir begreifen gar nicht, wie angesichts einer so
klaren und einfachen Sachlage sich so viele kluge Abgeord-
netenköpfe diesen über eine Wehrvorlage zerbrechen können;
Uns würde noch nicht einmal die Deckungsfrage Schwierig-
keiten machen. Die hier anwesenden Abgeordneten werden
sich jetzt ja auch überzeugt haben und nun dafür ein.reten,
daß die durch uns ersparte Summe für die Kunst ver-
wendet wird. — wenn uns Herr von Iagow dann noch
ruhig unsere Bilder im sechsten Stock reflexfrei malen läßt,
dann wird die Welt bald ein einziges Paradies sein, so
voll Farben und seltsamen Wesen, daß unser Herrgott
endlich einmal seine Freude daran haben wird.
Sorgen wir so für den Frieden mit den fremden
Nationen, so halten wir Preußisch-Berliner die engste unk
treueste Waffenbrüderschaft erst recht mit den engeren deut-
schen Bundesbrüdern, in erster Linie mit den Münchenern
samt ihren 735 prinzipiellen Linzelgruppen, dann auch
mit den Dresdenern, Königsbergern, Weimaranern, Kasse-
lanern. Und mit den Düsseldorfern führen wir sogar
einen gemeinsamen Haushalt. Mehr kann man doch füv
den Frieden nicht tun. wir schicken ihnen allen ja manch-
mal auch unsere gemalten Kriegsschiffe, wofür sie uns
dann ganz einfach ihre Kanonen auf die Brust setzen»
wir sind dabei aber von solcher Liebenswürdigkeit, daß
wir sogar die Borsigschen Panzerplatten erst eigens von
Meyerheim malen lassen*). Na, da kann ja weiter kein
Unglück passieren.
Im Vollbewußtsein unserer Reichshauptstadtwürde —
drücken wir voller Inbrunst alle Bundesbrüder an unseren
nährenden Busen. Und wenn wir ja auch meistens keine
Gegenliebe finden — na, dafür verbindet die Kunst alle
Menschen und Völker. Und wir freuen uns alle Jahre
wieder, unsere Meißel-, pinsel- und Aetzbundesbrüder, und
insbesondere ihre Delegierten, hier begrüßen zu können.
Ihnen soll unser Glas gelten! Unsere Gäste leben hoch!
Als vierter Redner erhob sich Herr Bürgermeister
Or. Reicke zu einer temperamentvollen Ansprache, die sich
gegen die neueste Richtung der Malerei wandte, d. h. gegen
die „französischen Importen" in der diesjährigen Aus-
stellung der Berliner Secession, die er einen fremden
Tropfen in unserem Blute nannte. „Slevogt, Liebermann,
Lorinth, mir tut es in der Seele weh, wenn ich euch in
der Gesellschaft seh'!" Aber diese Importen habe nicht
der Kunstgeist, sondern nur sensationslüsterner Ge-
schäftsgeist hergebracht. Für die Große Berliner
Kunstausstellung, die er ja schon jetzt subventioniere,
werde der Magistrat stets alles tun, was er könne. Line
Städtische Galerie sei noch nicht beschlossen, doch werde
man in einem neuen städtischen Gebäude schon jetzt ge-
eignete Räume für die Unterbringung von Kunstwerken
vorsehen. Die Ansichten des Redners über die Jury
haben sich seit der letzten Zeit sehr geändert, denn es ist

*) Prof. p. Meyerheim hat in der Grobeka mehrere
Werke aus seiner frühesten Zeit ausgestellt, die im Auf-
trag Borsigs auf Panzerplatten gemalt sind und die Ent-
stehungsgeschichte einer Lokomotive darstellen.
 
Annotationen