Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1901)
DOI Artikel:
Schultze-Naumburg, Paul: Vom Schaffen eines Malers: persönliches und Allgemeines
DOI Artikel:
Welti, Albert: Bei Böcklin
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0426

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ja, das wär's, was ich selbst von meinen Arbeiten zu erzählen
wüßte.

Es mag vielleicht mancher, der sich den Künstler nur sehr unklar,
wissenschaftlich ungebildet, „nervös", „vor Leidenschaft fiebernd" vor-
stellen kann, Anstoß daran nehmen, da einen Maler in aller Seelen-
ruhe über seine eigenen Bilder reflektieren zu hören. Jch kann ihm nicht
helfen. Jch bin gar nicht nervös und muß sogar gestehen: jener Typus
von Künstler, wie man ihn jetzt so häufig festnagelt, ist mir schrecklich.
Der Künstler sollte wie jeder andere Mensch sich bemühen, ein schlichter
klarer Mensch zu sein, der sein Menschentum in seiner Allseitigkeit.so-
weit ausbildet, als er es vermag. Dann werden seine Werke davon
Zeugnis ablegen. Die großen Alten waren so, und die großen Zu-
künftigen werden es wieder sein, und wie die Großen, so überall die
Gesunde n. Dem zuckenden Nervcnbündel aber wird auch unsere Zeit
nicht gehören.

Allzu bescheiden klingt das nicht, was ich da geschrieben habe.
Wollt' ich aber anders zu sprechen versuchen, so lög' ich eben. Und ich
glaube, daß man nur dann etwas zu schaffen vermag, wcnn man fest
daran glaubt. Da wir moderne Menschcn mit ausgebildetem Jntellekt
sind, heiht aber dieses Glauben nicht nur gläubig hinnehmen, sondern
uns den Glauben mit den Waffen des Denkens erkämpft haben.

Paul S ch u l tz e - N a u m bur g.

8ei köcklin.^

Tagebücher habe ich in der Zeit, die ich in Meister Böcklins Werk-
statt zubrachte, nicht geführt, wie das Schick that, der gerade s887 ge-
storben ist, ein Jahr bevor ich ins Atelier kam. Wenn ich diese Tage-
bücher Schicks lese, bin ich imstande, zwischen Böcklins Anschauungen
damals und zu meiner Zeit scharf zu unterscheiden. Oefters hat er
aber auch eine Ansicht beibehalten.

Soll ich Jhnen vom Menschen Böcklin sprechen und dem inner-
lichen Künstler, wie er sich mir zeigte, so muß ich vor allem seiner
rührenden Güte gedenken, die mich armen von jedem braven Seldwyler
als eine verfehlte Existenz betrachteten Kunstjünger mit neuem Mut und
Sonnenschein erfüllte. Jch hätte es nie gewagt, vor ihn zu treten, trotz-
dem mich nur schon der Gedanke, daß Böcklin jetzt nach Zürich komme,
und später, daß er da wohne, ganz seelig machte. Als ich ihn zum
ersten Mal auf der Straße sah, wußte ich, daß er's war, und er war's
auch. Sein Atelier, das Professor Lasins nach seinen Angaben und
Skizzen (die er von Jtalien aus schickte) baute, haben Sie wohl gesehen.
Böcklin erzählte mir einst, wie er nach Zürich gekommen und sein Atelicr
gesucht habe. Wie er dann dic Englisch-Viertel-Straße herauf gekommen.

* Der Schreiber dieses in seiner Schlichthcit so ansprechcnden und inter-
cssanten Briefes an den Herausgeber dcs Kunstwarts ist jener Maler Albert
Welti, von dem wir mit den Beilagen zu HeftXIlI, ,5 den Lesern zwei Bilder
gezeigt haben. Wir werden dcmnächst mit andern Bildern dcn Eindruck be-
stärken, daß Welti von den wenigen intimen Schülern Böcklins dcr am meisten
ihm wesensverwandte ist.

Ilunftwart
 
Annotationen