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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1901)
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Welti, Albert: Bei Böcklin
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https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0427

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habe er auf der Höhe so eincn sonderbaren Kasten gesehen, da war's
bigott sein Atelier.

Mcin Vater erklärte mir s88ö, nachdem ich sieben Semester an
der Münchner Akademie zugebracht, er lasse mich nicht weiter studieren,
es sei denn, dasz ich von Böcklin ein Attest bringe, daß ich zum Maler
beanlagt sei. Mit Zittern und Zagen schickte ich also ein Packet Zeich-
nungcn und einiges Gemaltes hinauf mit einem Brief und klopfte tags-
drauf beim Meister an, der mir aber ganz freundlich aufthat. Freilich,
meine lebcnsgroßen Akte und Köpfe von München her würdigte cr kaum
eines Blickes, ich glaube sogar, er schimpfte auf das G'lump. Aber
meine Bilderversuche hatte er eingehend besichtigt, auch meine Furcht,
farbenblind zu seiu, die ich durch ein ganz buntes Selbstbildnis be-
kommen, redete er mir aus, und führte mich hinter eincn Vorhang, wo
sein Bildnis mit dcm erhobenen Glas fertig dastand: „Sehen Sie",
sagte er, „man kann auch einen Kopf malen, ohne so dick aufzustreichen,
fast ohne Weiß, abcr wcnn dcr Lindenschmitt in München einen Krieger
malt mit vorwärtsschreitendem Bein, so malt er zwischen das vordere
uud das hintere Bein schon eine Luft hinein." Was seitdem noch alles
sich entwickclt hat in Luftmalerei, von dem hatte man damals noch keine
Vorstcllung, denn von Schotten, Sezession und so weiter sprach noch
lange nicht wer.

Jm Atelier stand aber damals auch die Pietu von der Natioual-
galerie (noch nicht fertig), da wurde ich mächtig ergriffen davon. Da-
neben eine wunderschöne Skizze sür die Museumsgemälde in Breslau.
Böcklin war damals in einer patriotischen Stimmung, wie ich sie nic
mehr an ihm gesehen, wie er mit Begeisterung auf unsere alten Schweizer
Künstler hinwies, und dabei Salomon Geßner erwähnte. Auf einen
Brief an meinen Vater, den der gutc Mcister schrieb, konnte ich wieder
weiterstudieren an der Akademie in Münchcn bei Löfftz, wo ich vorher
schon gewescn. Aber wiederum ging's mir über die Maßen schlecht mit
dem Malen, und nach einem verzweifelten Winter kam ich im Frühjahr
nach Zürich uud traf an einem Sonntag Morgen den Profcssor an.
Er war verwundert, mich wieder hier zu sehen, ich klagte ihm, wie es
mir gegangen, und kriegte auch gleich wieder Trost von ihm, er nahm
die Sache nicht schwer. Bei der Gelegenheit sagte er, die modernen
Naturalisten benützten so viele Studien nach der Natur, daß das Bild
zuletzt ganz anders ausschaue, als es zuerst in ihrer Vorstellung ge-
wesen sei. Daß es bald Maler geben würde, die überhaupt keine Vor-
stcllungen mehr wollten, ja solche verpönten, und nur das als ein Kunst-
werk betrachtcten, was ganz nach der Natur gcmalt sei, kounte er (886
noch nicht wissen. Damals rict er mir schon, nach Jtalien zu gehen,
doch hatte ich kein Geld und malte und radierte bis (887 im Herbst
in mcinem Stübchen zu Haus. Auf neucrliche Vorstellungeu Böcklins
hatte ich dann einen fleißigen Wintcr in Venedig verlebt, im Frühjahr
heimgekehrt, war ich im Herbst nach München gegangen, und hier er-
fuhr ich nun, daß Böcklin einen Schüler und Famulus suche. Jch schrieb
dies sofort mcincm Vatcr, er ging zum Prosessor hinauf, und in cin
paar Tagen saß ich selig im Zuge nach Hause. Böcklin suchte eincu,
der ihm bei der mit neuem Anlaus wiederbegonnencn Temperatcchnik
behilflich sein sollte und dcn er zugleich in seinen Ersahrungen über dic

I- Februarheft 1901

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