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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (1) — 1821

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No 5 (1821)
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https://doi.org/10.11588/diglit.20602#0022

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35 — —

Füͤr ihn wird jede neue Melodte, die ein ſolcher
Fruͤhling erfunden hat, elnen Reitz der Sinnigkeit
haben, dem er zartfuͤhlend nachdenkt, und der ihm.
ein Wort mehr, aus dem Himmel der Poeſie ſelbſ,
anvertraut. ‚
Niemand wird laͤugnen, daß, ſo wie überhaupt
manche Fremdartigkeit ſich in unſer teutſches Weſen.
eingeſchlichen hat, auch manche ſchoͤne Fremdartigkeit
ſich des eigenthuͤmlichen Geiſtes unſerer Poeſie be-
maͤchtigte. An der Anmuth des provenzaliſchen Ge-
ſangs entzuͤndete ſich zuerſt, mit ihr wetteifernd,
jene holde Begeiſterung, welche den Fruͤhling der
Minnelieder ſchuf, und gerade in jenen ungleich
teutſcheren Zeiten ſtanden ſich dennoch die teutſchen
und die ſuͤdlichen Geſangsweiſen ungleich naͤher, alz.
jezt. Willkommen waren uns daher zu allen Zeiten
die lieblichen, ſinnvollen Spiele der Kunſt/ die das
Leben, wie der Mai und die Jugend, anlaͤcheln;
doch nur den warmen und innigen Dichtergemuͤthernl.
kommt es zu mit ihnen zu ſpielen; wann aber war

ein kaltes und nur der Form huldigendes Gemuͤth ö

jemals ein anſprechendes Dichtergemuͤth? Von blos

bildender, nuͤchterner, kalter Proſodie und Verſtaͤn⸗

digkeit ergriffen, gerlnnt die Welle der ſuͤdlichen
Kunſtform zu Eis, wo aber Leben und Waͤrme ſich
mit der Kunſt verſchwiſtern, da wird die Erſcheinung
dieſer Bluͤthen und Blumen des Suͤdens erfreulich,
ſinnreich und erluſtigend; die Spielerel wird zum

— bedeutſamen Spiel, und alle Leere, Fantaſterei, Ab-
geſchmacktheit und laͤcherliche Geſuchtheit verſchwindet.

Wegen dieſer Unvollkommenheiten und Ungeſchickt-
heiten mancher Nachaͤffer alſo, iſt die Lebertragung.
der ſuͤdlichen Weiſen in die teutſche Poeſie ſo un-
bedingt verkannt, verſpottet und verworfen worden.
Beſonders hat man den Einwurf „ des urſerer
Sprache, in Vergleich mit der italieniſchen, ſpani-

ſchen und portugieſiſchen, mangelnden Wohlklanges,

hervorheben wollen. Jedes unverwoͤhnte Ohr mag
entſcheiden, ob ihr die antiken Versmagße mehr, als
die ſüdlichen Reime und Aſſonanzen, mit ihren
Waldklängen und Sehnſuchtsmelodieen zuſagen. Uns
duͤnkt ihr die Neigung zu dieſen Anklaͤngen fuͤhlbarz
ob aber der Vorzug dieſer Klaͤnge, durch Schwung.
und Fuͤlle, ſich dem zarten Bau der ſuͤdlichen

wir nicht zu entſcheiden.
anbetrifft, und dle dadurch herbeigefuͤhrte Gefaͤhrdung

36

Sprachen nicht · vlelleicht noch beſſer aneigne, wagen
Was aber das Kuͤnſteln

der Natuͤrlichkeit, ſo mochte beides wohl eben ſo gut
in der Abirrung von der durch Voß und Apel hoch-

geprieſenen antiken Metrik aufgeſtellt werden koͤnnen.

Sollte ſich die teurſche Sprache aber auch wirklich

den ſchoͤnen metriſchen Verhaͤltniſſen des Alterthums
beſſer anſchmiegen, ſo ſei man wenigſtens gegen jene

ſuͤdlich⸗ romantichen Weiſen nicht ganz ungerecht.
Wenn wir den Bau' der beruͤhmteſten Epopeen des

„Mittelalters, ſowie den der Minnelieder ſelbſt be-

trachten, ſo werden wir in der bei ihnen vorherr-
ſchenden Romantik einer Melodie und Kunſt begeg-
nen, die ſich nur in den Weiſen der ſuͤdlichen Dicht-
kunſt darſtellt, und nach einer langen dazwiſchen
liegenden Abendrothe finden wir in den Beſtrebungen
der vier Hauptdichter des 17 ten Jahrhunderts —
Weckherlin, Opitz, Flemming u. Gryph —
jere ſuͤdliche Art zu dichten und zu reimen wieder,
welche, mit mehreren Kunſtgenoſſen, der durch die
Reimflickerei der Meiſterſingerzuaft herabgeſunkenen
Poeſie wieder emporhalf. Immer umſchloß die
teutſche Dichikunſt⸗ mit Liebe, was ihr von allen
Seiten Schoͤnes entgegen kam, und wenn neuere
Dichter, die Gebruͤder Schlegel, Tieck, von
Schuͤtz, v. Fouqué, Gr. v. Loeben, Riemer

und Uhland, deren noch mehrere in unverwelklichen

Lorbeerkraͤnzen unter uns einherwandeln, dleſem

Streben jener unſterblichen Dichter, das Siegel-

hoͤherer Ausbildung und Idealitaͤt aufdruͤckten, ſo
wollen wir ſie nicht Neuerer, ſondern dankbar
Erneuerer nennen.
Die Erfindung der Ro ſeneſſenz.
Nach. Langle.

Eine ſchoͤne Perſerin ließ, eiuſt, bei einem⸗ paradie-
ſiſchen Feſte, Roſen an Roſen in ein ungeheures
Baſſin werfen, darin ſich eine klare Quelle murmelnd
ergoß, ſo daß die Flut nun Roſen/ ſtatt: Wum
ſchlug. Auf dieſen Roſenwogen fuhr ſie, bei⸗ dem
Zauberlichte, einer mondhellen Beleuchtung, mir ihren
Geſpielinnen umher. Am andern; Morgen, als die
 
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