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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

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Heilmeyer, Alexander: Moderne religiöse Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0013

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DONATELLO

DAS ESELWUNDER DES HL. ANTONIUS

Bronzerelief am Hochaltar von S. Antonio in Padua. Text S. 7

MODERNE RELIGIÖSE PLASTIK
Von ALEXANDER HEILMEYER
I. Arten der Plastik

KAie Kirche hat sich von jeher als treue
L^ Mutter der Künste erwiesen. Sie hat sie
großgezogen und genährt und ihnen den
weitgehendsten Spielraum für ihre Entwick-
lung eingeräumt. Es liegt im Geiste ihrer
Organisation, daß auch der im Dienste der
Kirche arbeitende Künstler gewisse traditio-
nelle, durch den Kultus bedingte Formen an-
nehmen mußte. Die Kirche hat aber auch
hierin wieder eine glückliche Fähigkeit der
Einfühlung und Anpassung gezeigt, da sie die
in ihrem Dienste stehende Kunst niemals
hinderte, die im künstlerischen Leben zutage
tretenden Imponderabilien aufzunehmen und
zu verarbeiten. Sie konnte das tun, ohne die
Einheitlichkeit der christlichen Kunst zu ge-
fährden. Diese Einheit, die schon durch den
Stoff gegeben ist, beeinträchtigt nicht die
Mannigfaltigkeit der künstlerischen Gestaltung.
Ungemein reich und groß, fast unerschöpf-
lich ist das Stoffgebiet der christlichen Kunst.
Der christliche Künstler schöpft den Inhalt
seiner Kunstvorstellungen aus der so anschau-
lich gedachten Bilderwelt der Bibel, der christ-
lichen Evangelien, Legenden und Heiligen-
geschichte. Er schafft Werke, die für alle
Gläubigen eine allgemeingültige, im gewissen
Sinne objektive Bedeutung haben. Es handelt
sich demnach bei der christlichen Kunst um

den Ausdruck des Erlebnisses eines bestimmten
Stoffes innerhalb einer typischen Form, eine
Parallele zum religiösen Leben überhaupt.
Die älteste christliche Kunst hat einen rein
symbolischen Charakter; sie ist Mitteilung
geistigen Lebens für die in der kirchlichen
Gemeinschaftverbundenen Gläubigen. Die Dar-
stellung abstrakter Ideen birgt für den christ-
lichen Künstler allerdings eine gewisse Ge-
fahr, indem er sich leicht Stoffen zuwendet,
die der sinnlichen Anschauung nicht zugäng-
lich. oder auch für seine Kraft zu schwierig
sind, denn in der Kunst handelt es sich nicht
allein um das innere »Erlebnis«, sondern auch
um ein »Können«. Der bedeutendste Gegen-
stand wirkt als ästhetische Erscheinung un-
bedeutend, sofern ihm nicht der Künstler
Form und Gestalt verleiht. Der christliche
Künstler entgeht dieser Gefahr am ehesten,
wenn er sich den Eindrücken der Natur rück-
haltlos hingibt, denn auch die Natur bietet
ihm eine unversiegbare Quelle geistiger An-
regung. Freilich darf er die Natur nicht mit
den Augen des »Naturalisten« betrachten, der
den Leib photographiert und die Seele ver-
gißt. Zwei Wege stehen dem christlichen
Künstler offen, auf denen er zum Ziel einer
religiösen Kunst, wie sie die Kirche bedarf,
gelangen kann. Der gangbarste Weg ist der

Die christliche Kunst. V. i. i. Oktober 1908
 
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