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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

DOI Artikel:
Schmidkunz, Hans: Berliner Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0428

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375


HERMANN URBAN

SPÄTSOMMER

X. Internationale Künstausstellung München 1909. Text S. 369

Muttergottes- und Heiligenkronen zurück. Bei einigen
finden sich Bestandteile aus Reliquiarkronen des 12. Jahr-
hunderts.
Textilien mit biblischen Szenen, Symbolen usw. sind
namentlich in Norddeutschland so häufig, daß sie ein
Verweilen verdienen würden. Westfälische Kreuze und
Motivplatten, bayerische Wachsopfer u. dgl., süddeutsche
Wandtafel-Stickereien usw. kennzeichnen ein heimisches
Religionsleben. Reich an einer mehr inhaltlich als sinn-
lich markanten Religionskunst sind unsere Küstenlande
von Schleswig bis Friesland. Die schleswigsche »Beider-
wand« aus Wolle und Leinen, für Bettvorhänge u. dgl.
mit Sprüchen, Bibelstellen u. dgl. versehen, ist eine jetzt
besonders beliebte Entdeckung (vgl. die Veröffentlichung
von E. Sauermann, Frankfurt a. M., bei H. Keller); und
die Vierlande mit ihren von der Zimmerdecke herab-
hängenden Taufkronen usw. sind seit längerem ein
Liebling der Museen.
Die »biblischen Wandteppiche« lassen sich durch
Dänemark hindurch in den skandinavischen und britan-
nischen Norden hinein verfolgen — auch durch sonstige
Ausstellungen dieser Zeit. Schwedens reiche Spitzen-
technik erinnert an Birgittas Kloster von 1346; die neuen
Bestrebungen in England und besonders in Irland wer-
den durch dortige Klöster unterstützt; Südamerika scheint
noch von den früheren Jesuitenklöstern zu zehren.
Neben Österreich, dessen neue staatliche Spitzen-
industrie seit einem Jahrzehnt vielbewundert ist, hat
Ungarn, besonders das obere, das alte Werkstättenwerk
der Königin Gisela wieder aufgenommen und seine
mittelalterlichen Kirchengewänder usw. neu verwertet.

Frankreich benutzt seine volkstümlichen Schätze, zumal
die bretonischen, anscheinend nur erst in vereinzelter
Weise; Italien dagegen hebt sich durch systematische
Vereinstätigkeit, und in Assisi geben Chorhemden und
Altardecken neue feine Arbeit. Griechenland scheint sein
Altertum und byzantinisches Mittelalter mit Hilfe einer
königlichen Schule besonders zu ornamentalen Stilisie-
rungen zu verwerten, die erträglicher sind als viele
andere. Bulgariens und Rumäniens Förderung des Haus-
fleißes wird aufs neue bekannt; bulgarische Kreuze u. dgl.
fallen gut auf. Doch vielleicht das Hauptereignis
der Ausstellung bedeutet abermals Rußland. Seine sehr
alte, speziell kirchliche Stickerei, mit Tendenz zu byzan-
tinischer Pracht, wird staatlich und privat neu gefördert,
und das Ergebnis scheint hier überhaupt zum ersten
Male deutlich erkennbar zu sein. Eine »Muttergottes-
Spitze« zeigt Pfauen in Strahlenschein; Bilder von Christi
Grablegung u. dgl. zeigen sich auf Textilien; Löffel ent-
halten in ihrem breiten durchbrochenen Stiel Heiligen-
szenen; und am beneidenswertesten dürften gegenüber
abendländischer Kirchenstickerei die russischen Popen-
mäntel sein. —
Haben wir zugunsten einer auch für christliche Kultur
überhaupt so lehrreichen Exposition eine Ausnahme von
unserer sonstigen Beschränkung auf »hohe« Kunst ge-
macht, so kehren wir zu dieser zurück durch ein paar
Blicke auf die ständigen Ausstellungen des Kupfer-
stichkabinettes und bedauern, nicht länger verweilen
zu können bei den Buchmalereien und Miniaturen, die
im 11. Jahrhundert mit deutschen Evangeliarien beginnen
und ins 14., 15. Jahrhundert hinein einen gewaltigen
 
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