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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

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Heilmeyer, Alexander: Moderne Plastik in der Kirche
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0049

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HEINRICH WADERE

MADONNA, SIMEON UND ANNA (1896)
Tympanon am Seitenportal der St. Ursulakirche in München

MODERNE PLASTIK IN DER KIRCHE
Von ALEXANDER HEILMEYER
II. HEINRICH WADERE

Canova nannte die Plastik eine ars poetica.
Die Form schien ihm Stoff, Mittel zum
Zweck, poetische Gefühle und Stimmungen
auszudrücken. Er bekannte sich zu einer rein
idealistischen Kunstweise, als deren Prüfstein
ihm die Antike galt. Er hielt viel auf das Stu-
dium der auf Grund der Antike zur Schön-
heit geläuterten Natur, und zwar aus Ehrfurcht
vor dem Adel der Schönheit. Canova hatte in
Italien große Vorgänger. Correggio war sein
Ideal. Diese Kunst fand aber zu jeder Zeit
ihre Anhänger. Um die Wende des 18. zum
19. Jahrhundert waren es außer Canova u. a.
auch Grenze und Prudhon, die sich nach dieser
Richtung hin betätigten. Auch heute hat die
Kunst der schönen Linie, die eigentlich die
Verkörperung des natürlichen rhythmischen
Gefühls, des sozusagen angeborenen Schön-
heitsgefühls ist, zahlreiche. Vertreter. Ganz
von selbst wenden sich diese zur Antike und
zur Renaissance, weil in diesen künstlerischen
Epochen dieses Gefühl in der Kunst am voll-
endetsten in die Erscheinung getreten ist. Die
ferne Schönheit der Antike und der Renaissance
schwebt wie ein holder Traum hernieder. Sie
wird das Ideal ihrer Sehnsucht. Ihr Leben
und Dasein bestätigt geradezu den Satz, daß

das Ideal beim Künstler die Stelle der Wahr-
heit vertritt, daß er ein Ideal haben muß, an
das er unbedingt glaubt, um dessentwillen er
sich müht, es für sich und andere zur An-
schauung zu bringen. Es hat immer Künstler
gegeben, die ein solches Ideal im Herzen ge-
tragen haben, mochte die Kunst ihrer Zeit auch
andere Wege gehen. Waderes bisheriges künst-
lerisches Schaffen bestätigt diese Annahme.
Ihm war von Anfang an klar, daß sich im
Schönen die Seele der Dinge widerspiegle;
die Kunst soll der Schönheit geweiht sein.
Die Richtung seines künstlerischen Werde-
ganges wurde dadurch frühe bestimmt. Dem-
gemäß entwickelten sich auch bald alle zur
Kunst nötigen Eigenschaften.
Heinrich Wadere wurde am 2. Juli 1865
in Colmar i. E. geboren. Seine Vorahnen
waren in den alten Kulturländern Burgund
und Elsaß ansässig.
Der Großvater und der Vater schmückten
Schlösser und Kirchen mit herrlichen Stukko-
arbeiten. Der für künstlerische Dinge früh
empfängliche Knabe wurde auf häufigen Wan-
derungen mit seinem Vater in diese Welt ein-
geführt. Tiefe und dauernde Eindrücke hinter-
ließen in Wadere die Schöpfungen zweier

Die christliche Kunst. V. 2. 1. November 1908

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