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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

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Stöckhardt, Ernst: Stuttgarter Kunstbericht
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Schmidkunz, Hans: Berliner Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0256

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220 ©W STUTTGARTER KUNSTBERICHT

BERLINER KUNSTBRIEF 5^3

VORTRAGKREUZ AUS OXYDIERTEM MESSING UND VERSIL-
BERT. ENTWURF VON BERNHARD WENIG, AUSFÜHRUNG
VON STEINICKEN & LOHR


dieses Genre gleicherweise hervorragend talentiert. Es
sind oft gewagte Farbenkontraste, die sie verwenden,
z. B. leuchtende hellgelbe »Margueriten« vor einem
grellgrünen Hintergrund, dann wieder manche vorsichtig
zusammengetönte Farbenskala, wie die rosa Puppe mit
dunkelroten Rosen vor einem tiefdunkelroten Hinter-
grund, wie sie es überhaupt lieben, lichtere Töne aus
dunklem Hintergrund hervorleuchten zu lassen. So
verstehen sie, stets gewaltsam unser Auge auf ihre
Arbeiten hinzulenken durch z. T. direkt hierauf ab-
zielende Experimente. Weniger erfreulich sind ihre in
Hodlerscher Art stilisierten figürlichen Arbeiten. Das
Porträt eines sitzenden jungen Mädchens von Frau
May-H. ist im Arrangement und seiner noblen grauen
Tönung gelungen, aber das Gesicht ist nicht ausgeführt
und ebenso skizzenhaft behandelt, wie »Die heil. Elisa-
beth als Kind«. Merkwürdig, was auf den Stilleben

an Farbe geradezu verschwendet wurde, haben beide
an den figürlichen Bildern üblerweise gespart.
G. Bechler-Maurach von der »Scholle« sandte eine
Reihe größerer interessanter Landschaftsbilder aus seiner
Hochgebirgsgegend, alle in der bekannten horizontalen,
rein auf dekorative Fernwirkung berechneten Flächen-
manier gemalt. Eine bedeutende Wirkung kann den
meisten von ihnen nicht abgesprochen werden, nament-
lich ist das Gemälde »Mein Fenster« mit dem Blick
auf das verschneite Gebirge vortrefflich zu nennen,
desgleichen das einzige nichtwinterliche Bild der Kol-
lektion »Maitag« mit dem sich erst vorsichtig hervor-
wagenden Grün der Berghalde und der klaren, noch
kalten Luft über den Bergspitzen, die fast so durch-
sichtig scharf behandelt ist, wie von Erich Erler. Violet
B. Wenner-Stuttgart zeigte sich als talentierte Porträt-
malerin. Auch Käthe Olshausen-Schönberger-
Berlin ist keine schlechte Malerin. Interesse beansprucht
auch die Büste des Bildhauers A. Brütt von Franziska
von Seeger.
BERLINER KUNSTBRIEF
Von Dr. Hans Schmidkunz (Berlin-Halensee)
TWer neuerliche Aufschwung der religiösen Kunst und
des Interesses für sie war bisher nicht gleichmäßig.
In Architektur und Malerei am lebhaftesten, in Plastik
und Kunstgewerbe schwächer, hat jener Aufschwung in
der künstlerischen Graphik, in der Grifteikunst, im Kunst-
druck, noch wenig geleistet und erst recht wenig Be-
achtung gefunden. Die technische Graphik, die mecha-
nische Reproduktion steht allerdings schon längst im
Dienste der Kirche. Die künstlerische jedoch hat ihren
Leistungen und ihrer tiefen Bedeutung, die sie zurzeit
Dürers besaß, seither wenig eigentlich Religiöses hinzu-
gefügt — oder man weiß es gewöhnlich nicht. Allmäh-
lich gelingt uns eine Rettung der christlichen Kunst des
19. Jahrhunderts; allein seit deren Beginn dauert es lange,
bis die Graphik schon überhaupt und gar erst im religiösen
Dienste wieder emporkommt. Die spärliche Zahl un-
serer graphischen Sammlungen erschwert dieses Empor-
kommen erst recht.
Ein Zurückgreifen jenes Interesses auf das 18. Jahr-
hundert und etwa noch weiter zurück steht erst bevor
und wird voraussichtlich bei den Malerstechern eigens
schwer zu tun haben. Scheint doch der auf ekstatische
Stimmungen gerichtete Geschmack des 17. Jahrhunderts
der Graphik wenig gefrommt zu haben! Trotzdem
dürfte sich ein solches Suchen lohnen, zumal da die
Griffelkunst oft intimer in die Weise der Zeit und des
Künstlers einführt, als die Gemälde. Schließlich haben
ja die meisten ausgedehnter arbeitenden Profankünstler
ab und zu religiöse Stoffe behandelt.
Für die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts (in der
uns aus Berlin vornehmlich G. F. Schmidt und C. B.
Rode angehen) sowie bis ins 19. hinein ist wohl auch
für uns der wichtigste Name der des Spaniers Goya.
Die nun wieder erweckte Neigung für ihn prägte sich
auch in Neuerwerbungen des B erliner Kupferstich-
kabinettes aus. Als er 50 Jahre alt war, wurde die
Lithographie erfunden; wie er auch sie sich angeeignet
hat, zeigen uns dort einige seltene Stücke (»Der Mönch«,
»Der Überfall« usw.). Auch an den seinerzeit hoch,
jetzt niedriger geschätzten Nachfolger der Niederländer,
an C. W. E. Dietrich in Dresden, werden wir dort
erinnert, z. B. durch die Radierung der Geburt Christi
in Rembrandtscher Weise. Neuerwerbungen aus älterer
Zeit brachten besonders Deutsche und Franzosen vom
Ende des 15. Jahrhunderts, natürlich mit weit mehr Re-
ligiösem, als aus jener rationalistisch-weltlichen Zeit;
 
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