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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

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Bone, Karl: Sinkel-Ausstellung: in der Kunsthalle zu Düsseldorf
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Herbert, M.: Michel Angelo
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Herbert, M.: Lionardo
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0082

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MICHEL ANGELO — LIONARDO

künstlerischer Höhe stehen die Porträts des Gra-
fen August von Spee (Nr. 73), der Gräfin M. von
Spee (Nr. 74), des Grafen Ferdinand von Ga-
len (Nr. 75), auch der Baronin von der Leyen
(Nr. 79) u. a. Aus dem strengen Porträt noch
mehr in die Wirklichkeit, sozusagen in das
Momentane, führen Bildnisse, wie die der ver-
storbenen Nazarener Professor Ittenbach und
Professor Ernst Deger (Nr. 81), und die ju-
gendlich und persönlich ausgeprägten einer
jungen Frau Sch. (Nr. 91) und einer Nichte
des Künstlers Frl. M. B. (Nr. 86).
Besondere Beachtung verdienen für das Stu-
dium des Meisters, seiner Art und Auffassung
die ausgestellten Zeichnungen, mögen diese
auf dem unmittelbaren Boden der Wirklich-
keit stehen oder aus dieser in idealere Regi-
onen hinausführen.
Zum Schlüsse darf als ein erfreuliches Zei-
chen für wiederkehrende unbefangene Schät-
zung des älteren Guten nicht unerwähnt blei-
ben, daß gegenüber dem verkäuflichen Teile
der Ausstellung sich regere Kauflust zeigte,
als das sonst bei künstlerischen Nachlässen der
Fall zu sein pflegt. Bone
MICHEL ANGELO
Ich kannte keine Furcht, Gott war mit mir.
Ich kannte keinen Lug, denn ich war treu.
Die Kraft, die Reinheit sind in meinem Werk.
Des Zweifels Hydra schuf mir keine Reu.
Ich ging den graden stolzen Weg zum Ziel.
Ich sah die Menschen, wie sie Gott erschuf!
Nackt; stark und trotzig, ein Titanenvolk,
Das sich emporgereckt auf seinen Ruf.
Ich sah Gott Vater, wie aus seiner Hand
Des Lebens Strom in Adam niederging
Und wie er still in seines Mantels Schutz
Des ersten Weibes Liebes-Seel’ umfing.
Aus tiefen Vorweltzeiten kam mein Geist.
Des Lichtes erste Strahlen zog er ein,
Die ersten Kräfte ersten Schöpfungstags,
Die unverbrauchten, heil’gen waren sein.
Ich schuf der Menschenzeiten Anbeginn —
Den Mutterschoß der urgewalt’gen Nacht.
Ich schuf im Moses ehernes Gesetz,
Im Weltenrichter des Verwerfers Macht.
So ging ich durch die Zeiten, ein Gigant,
Und hob aus deiner Niedrung, altes Rom —
Hoch in die blaue Luft des Vaterlands
Mein Herrscherdenkmal, den Sankt Peters Dom.
M. Herbert

LIONARDO
I.
O nicht mehr gehn, nein fliegen! Sieh, ich ward
Für dieser Erde Hemmnis nicht geboren!
An ewig göttliche Vollkommenheit
Hab ich dies arme Menschenherz verloren!
Mir gab der Herr zu wissen und zu schaun!
In seine Himmel ließ er einst mich treten,
Daß ich sein göttlich Antlitz niedertrüg
Zu denen, die in heißer Sehnsucht beten.
Auf Seiner Welt hat er mir nichts verwehrt!
Er hieß Natur vor mir sich ganz entschleiern,
All sein Geheimnis gab er lächelnd preis
Undlud mich zu der Schönheithöchsten Feiern.
Des Weibes allertiefste Gültigkeit,
Sein süßes Lächeln ließ er mich erleben.
Die große Zauberformel war in mir,
Durch die sich die verborgnen Schätze heben.
So ging ich strahlend in Allwissenheit,
EinHalbgottstolz. Und sollte mich nicht wiegen
Wie Adler tun in freier Lüfte Reich.
Und sollte wie ein Wurm im Staube kriechen,
Und sollte mehr nicht sein als Ikarus ?
Die letzten Ziele sollt ich nicht erreichen,
Mich aufzuschwingen in der Sterne Kreis,
Eh ich versinke in das große Schweigen!
O nicht mehr gehn! Nein fliegen! Sieh, ich ward
Für dieser Erde Hemmnis nicht geboren!
An ewig göttliche Vollkommenheit
Hab’ ich dies arme Menschenherz verloren.
II.
Ach, du erdrückst mich, Michel Angelo!
Wer kann vor deinem wilden Sturm bestehn?
Dem Blatt gleich muß ich im Orkan vergehn,
Denn sanfterSchönheit ward das Flerz mir froh.
Mir graut vor deines Moses Richterzorn
Und des Verwerfers grimmer Majestät.
Ich bin ein Stiller, der um Güte fleht
Und aus der Wunde zieht den scharfen Dorn.
Dein »Fiat Lux«, es hat auch mich erfaßt,
Da schauernd ich in der Sixtina stand,
Das Sucherauge hoch emporgebannt
Zum Urweltstraum, den du erschaffen hast.
Da ging mir auf die Ahnung höchster Kraft.
In Demut legt’ ich meinen Pinsel hin:
Daß ich im Himmel einst gewesen bin
Ward dem Gedächtnis dazumal entrafft. —
—■ Nun weiß ich’s wieder! Ich nur — ich allein
Hab des Erlösers tiefe Müdigkeit
Herabgetragen in des Lebens Streit.
— Und alles andre! — Laßt es sein! Laßt sein.
M. Herbert

Für die Redaktion verantwortlich: S. Staudhamer (Promenadeplatz 3); Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, G. m. b. H.
Druck von F. Bruckmann A.-G. — Sämtliche in München.
 
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