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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

DOI Heft:
Lüthgen, G. E.: Kölner Kunstbrief
DOI Artikel:
Schmidkunz, Hans: Berliner Kunstbrief
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0187

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5® BERLINER KUNSTBRIEF

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fachen, geraden Strichen besteht, ähnlich der Art, die
das Kind für seine Zeichenversuche wählt, offenbart sich
in diesen kleinen Zeichnungen eine Prägnanz der Aus-
drucksfähigkeit, die nur einem großen Stile eigentüm-
lich. Durch die starke Intensität ungebrochener Farben-
töne — es steht ein tiefes Blau und Rot neben sattem
Grün und leuchtendem Gelb — wird eine Lustigkeit und
heitere Fröhlichkeit des Eindruckes erreicht, wie man
sie bei diesen scheinbar primitiven Mitteln nicht erwarten
zu können glaubt.
An Farbengeschmack verwandt, aber von anderem
Formgefühl ist E. R. Weiß. Auch hier ist der Stil der
Zeichnung durch die einfache Knappheit der Umriß-
linien bestimmt. Aber an Stelle des vollkommenen Ver-
zichtes auf die Wirklichkeitsdarstellung ist bei Weiß eine
klare Beobachtung der Naturformen getreten, auf Grund
deren sich die gewählten Formen der Zeichnung ent-
wickeln.
Darin nähert sich Weiß dem Berner Künstler Ernst
Kreidolf, der zwar einen ganz anderen Farbensinn
betätigt. Statt ungebrochener Lokaltöne wählt Kreidolf
zarte, helle Farben, ein lichtes Rosa und Gelb, ein hei-
teres Blau und Grün. Auch liebt er es, die Farben ab-
zutönen und nuancenreich ineinander übergehen zu lassen.
Möglich, daß dieses Gefühl für die Farbe seine Ursache
in dem stark ausgeprägten Wirklichkeitssinn des Schwei-
zers hat. Mit der bekannten alemannischen Gründlich-
keit der Beobachtung, die zu einem fast nüchtern-wissen-
schaftlichen Naturstudium drängt, mit einer unbedingten
Achtung vor dem Objekt tritt Kreidolf den Dingen gegen-
über. Aus liebevollem Eingehen in die Natur erwuchs
ihm eine Formenkenntnis, die keine Verzeichnung zu-
läßt. Seine »Blumenmärchen« sind dafür besonders cha-
rakteristisch. Trotz eines phantasievollen Anthropomor-
phismus war das Gefühl für das Organisch-Gewordene
in ihm so stark, daß der Charakter jeder einzelnen Blume,
daß ihre organische Struktur vollkommen sichtbar ge-
blieben ist.
Auf die anderen Künstler, auf von Volkmann, auf
Eichler, Münzer, S chmi dham m e r, die alle bei
ihrer gewohnten Eigenart verharren, sei nur hingewiesen.
Doch auch sie fügen sich in den Rahmen des Verlages
ein, so daß die Ausstellung eine Fülle von Kinderbüchern
zeigt, die aus dem Gefühl heraus entstanden sind, daß
das für Kinder bestimmte von Kindern verstanden wer-
den und ihnen Freude machen soll. G. E. Lütbgen
BERLINER KUNSTBRIEF
»fT r ab s t ei n ku ns t« hieß die Sonderausstellung,
welche das Berliner Kunstgewerbemuseum im
Sommer und Herbst 1908 veranstaltete. Man kann diese
Bestrebungen bereits aus Anläufen in München usw.
kennen, zuletzt aus dem, eine Ausstellung von 1905
fortsetzenden, Flugblatte der »Wiesbadener Gesellschaft
für bildende Kunst«, deren Vorsitzender Dr. v. Grol-
man auch die jetzige Ausstellung angeregt und geför-
dert hat. Wir sehen im Freien einen Friedhofgarten
mit einigen fünfzig Grabmälern und im Lichthofraum
Abbildungen aus Gegenwart und Vergangenheit. In
dieser beginnen wir mit griechischen »Stelen« und rö-
mischen »Cippen« usw., freuen uns bei den letzteren
über viel guten Realismus, besonders im Ornament, wäh-
rend das Altchristliche durch viel Stilisierung absticht,
und wandern dann an dem mittelalterlichen »Tischgrab«
und »Wandgrab« vorbei in die reiche Barocke hinein,
nicht zuletzt mit Beispielen aus Görlitz. Die Gegen-
wart hat es dieser Vergangenheit gegenüber nicht leicht.
Sie will die Unkunst von heute überwinden, nicht durch
Reichtum, sondern durch Schlichtheit. Sie strebt kaum
nach dem Aufgebote der dort zu bewundernden alten

Liegefiguren und Grabplatten, ihrer herrlichen Metall
kunst usw., der Symbolfülle und dergl., weicht sogar
der Plastik überhaupt lieber aus; doch bieten die Mün-
chener A. Flildebrand (mit viel Renaissance-Tektonik)
und F. Hoser, die Berliner F. Klinisch und O. Stich-
ling auch darin Gutes. Die eigentliche Baukunst tritt
hinter die Denkmalkunst zurück. Das Herausarbeiten
aus felsartigem Gestein pflegt der Münchener H. Olbrich;
das Hineinarbeiten in landschaftlichen Eindruck zeigen
besonders die Waldfriedhöfe bei Köln und bei Hamburg.
In bekannter Weise überwiegt Eckiges, Hartes, schmal
Hochliniges, wohl am nüchternsten bei dem Wiener
J. Hoffmann; in weicheren, rundlicheren Formen und
etwas mehr dekorativ arbeiten die Münchener O. O.
Kurz und C. Sattler, die Berliner M. Landsberg,
W. Schmarje, C. Stahl und besonders F. Seeck,
dem auch der Plan des Gartens zu danken ist — aller-
dings mit der Frage, ob dessen rechteckige Wege das
günstigste Muster sind. Metall wird selten verwendet,
mit Ausnahme des Dresdeners F. Schumacher. Dazu
kommt auch die jetzige Abneigung gegen Umfriedungen
der Gräber; doch sei der hübschen Gitterornamentik
des Dresdeners W. Kreis gedacht. Auf die dekorativen
Güter des Kunstgewerbes, wie z. B. Mosaik, scheint eben-
falls beinahe ganz verzichtet zu werden. Inhaltlich über-
wiegen hellenistische Ideale vor christlichen und deut-
schen, ausgenommen manche Proben aus Münchener
Friedhöfen und besonders von F. Hoser. — Gilt das
Gesagte zunächst von den Abbildungen, so tritt es in
den Werken selbst, wie sie der Garten zeigt, noch mehr

ALFRED KLEM (MÜNCHEN) HAUDEGEN
 
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