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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

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Wolter, Franz: Ausstellung von Werken der Piloty-Schule$in der Galerie Heinemann (München)
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0315

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272

ASH AUSSTELLUNG VON WERKEN DER PILOTY-SCHULE

AUSSTELLUNG VON WERKEN
DER PILOTY-SCHULE
in der Galerie Heinemann (München)
Noch mehr als die seinerzeitige Ausstellung
von Werken der Diez-Schule bedeutet
diese an Pilotys Namen sich anknüpfende
künstlerische Rundschau aus seinem und
seiner Schüler Wirkungskreis ein Ereignis.
Wir haben uns im Jagen und Drängen neu-
zeitlichen Kunstschaffens angewöhnt, die Alt-
münchner Schultraditionen entweder zu ver-
gessen, oder sie als wenig wertvoll anzu-
sehen, hauptsächlich deshalb, weil mit Piloty
jene Historienmalerei verknüpft ist, die von
Belgien ihren Ausgangspunkt nahm, und all-
mählich jene theatralische Haltung sich an-
eignete, die mit dem wirklichen Leben im
Widerspruch stand. Betrachten wir nun
ganz vorurteilslos die Werke jener Zeit, die
mit Mühe und großen Opfern aus Galerien
und Privatbesitz zusammengebracht wurden,
so erkennen wir bald, daß es nicht das Thema
oder der stoffliche Inhalt war, was das da-
malige kunstbegeisterte Jungmünchen zur


OTTO RICHTER

BERLIN 0000

DER ZWÖLFJÄHRIGE
JESUS IM TEMPEL o

Piloty-Schule drängte, sondern der innere Wert
der Malerei, das positive Können, die mal-
technischen Errungenschaften, welche Piloty
seinen Schülern zu übermitteln vermochte,
kurz, die künstlerische Anregung nach jeder
Richtung. Das Wertvollste der pädagogischen
Methode Pilotys war die vollkommene Wah-
rung der persönlichen Eigenart des Schaffen-
den und wir haben weder vorher, noch
nachher an der Münchner Akademie eine
solch große Anzahl grundverschiedener Künst-
lernaturen zu verzeichnen, wie sie' in der
Piloty-Schule sich entfalten konnten. Man
mag sich auch keine größeren Gegensätze
denken als etwa, um nur ein paar Namen
zu nennen, Leibi und Makart, Habermann
und Grützner, Gabriel Max und Oberländer,
Lenbach und Alex, von Wagner usw.
Piloty verstand es eben, wie dies die noch
lebenden Künstler aus seiner Schule stets
betonen, auf die Ideen und Gedanken der
Schüler einzugehen und ihrer Neigung ent-
sprechend, die ihnen gemäße Bahn zu weisen.
Vor allem aber legte der Lehrer das größte
Gewicht auf das Handwerk der Malerei selbst
und wir sehen auch in dem reichen Material
Dinge, die von solch vorzüglicher Qualität
der Malerei sind, daß sie ruhig den Vergleich
mit manch großem altem Meister aushalten
können. Um gleich einen der interessan-
testen und genialsten, leider vergessenen
und verschollenen Künstler herauszugreifen,
nennen wir Jul. Berger, dessen Studien aus
Wohnräumen und Ateliers, von Landhäusern,
Akten und Bildnissen von ungemein feinem
Schmelz der Farbe und Duft der Technik
sind, wie wir dies etwa bei den besten Fran-
zosen oder Holländern kaum wiederfinden.
Skizzen und Studien wie sie Szinyei-Merse-
Pal in den sechziger und Anfang siebziger
Jahren schuf, glaubt man auf den ersten
Blick für eine Unmöglichkeit. Ein »Idyll«,
eine »Gartenszene«, der »Spaziergang«, vor
allem aber das »Picknick« sind Perlen einzig-
artiger Farbensymphonien, zu denen man
Parallelen unter den jetzt lebenden Künstlern
schwer finden wird.
Sind solche Talente allerdings selten, so
erfreuen wieder andere, weniger starke Na-
turen durch ihr gediegenes Können, das auch
ein Minderbegabter in Ausdauer und Fleiß
erreichen konnte, indem er sich eng an die
Schultradition anschloß. Gerade das, was
noch viel früher zurückliegenden Zeiten ein
einheitliches Kulturgepräge gab und in den
letzten Ausläufern der Münchner Schule der
siebziger und achtziger Jahre noch einen
starken Abglanz verlieh, fehlt unserer moder-
 
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