Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

DOI Artikel:
Wolter, Franz: Die X. internationale Kunstausstellung in München 1909, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0377

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
328 SW X. INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG IN MÜNCHEN m?3


Ausstellung für christliche Kunst, Düsseldorf 1909

DIE X. INTERNATIONALE KUNST-
AUSSTELLUNG IN MÜNCHEN 1909
Von FRANZ WOLTER

TXie Kunstdarbietungen im großen Stile, die
von Jahr zu Jahr nicht allein in Bayerns
Haupt- und Residenzstadt veranstaltet, sondern
in jeder, durch die Natur der Sache einiger-
maßen ähnlich veranlagten Stadt geboten
werden, regen zu dem Gedanken an, ob denn
auch wirklich das Publikum in ein näheres

Verhältnis zur Kunst gebracht wird. Handelt
es sich um eine internationale Kundgebung,
wie in diesem Falle, so wird die Frage noch
dringender. Was eine Nation, eine Generation
verlangt, erhält sie und je stärker sich das
äußerliche Leben entwickelt, je rascher die
lockenden Vergnügungen des Alltags einander
ablösen, je raffinierter die Leckerbissen der
Tafel und Variete-Freuden ersonnen werden
und je rascher die Autodroschken die Straßen
durchsausen, je oberflächlicher und schneller
wird auch die Kunst genommen, denn . die
Zeit zur Vertiefung fehlt, und wahrhaftig, um
zur Kunst zu gelangen, gehört mehr Zeit als
der bildungshungrige Mensch nur ahnt. Ein
stilles Versenken, ein gemütvolles sich Ergehen
kostet Zeit, darum nur schnell das Sensa-
tionelle, Packende und Pikante, das momentan
reizt und erquickt, gekostet — nicht einmal
genossen. Die FolgeerscheinungistderTriumph
der Technik, der äußerlich blendenden Mache,
kurz das Virtuosentum. Wir stehen auch in
dieser großen, fast 3000 Kunstwerke umfas-
senden Ausstellung des Glaspalastes durch-
wegs vor Problemen der Technik des äußer-
lichen Scheins. Ein ziemlich gleiches Niveau
allüberall, der Höhepunkt des Malenkönnens
mit unseren, nun einmal gegebenen Mitteln
ist erreicht und viele, ja recht viele können
malen und meißeln. Der Unterschied ist nicht
mehr so groß wie in vergangenen Jahrzehnten,
eine gewisse Gleichmäßigkeit ist fast erreicht.
Es hat keinen Wert, dies zu beklagen oder
hierüber sich zu ereifern, es ist nur die Pflicht
des Chronisten, diesen künstlerischen Baro-
meterstand abzulesen, denn das, was entsteht,
entwickelt sich mit Naturnotwendigkeit in der
Weltordnung. Die überaus hohe Bewertung
des technischen Könnens charakterisiert im
Zeitalter der Elektrizität, der Dampfmaschinen
und des Luftschiffes unsere Epoche und wie
von den rein technischen Erfolgen der neuesten
Erfindungen alles berauscht wurde, so setzt auch
als Spiegelbild die Kunst den höchstenTriumph
daran, auch auf ihrem Gebiet zu zeigen, was
mit den Mitteln der Farbe, des Pinsels und
des Meißels geleistet werden kann. Die Freude,
jede noch so erdenkliche Schwierigkeit zu
überwinden, ist an die Stelle einer edleren,
inneren Gestaltungskraft getreten. Die Wir-
kung auf die Seele, auf das Gemüt, das was
man bisher in jeder Kunst vergangener Zeit
als erste und heiligste Aufgabe ansah, mußte
ersteren Bestrebungen weichen. Und doch
sind noch genügend Dinge da, die als Offen-
barungen echter, wahrhafter Kunst zu betrach-
ten sind, Dinge, die uns über die Verkörpe-
rung der Idee, des Könnens vergessen machen.
 
Annotationen