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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

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Doering, Oskar: Von der VIII. internationalen Ausstellung in Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0335

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VIII. INTERNATIONALE AUSSTELLUNG IN VENEDIG mas

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Von der Schilderung des Menschen-
werkes wenden wir uns zu der des
Menschen selbst. Daß unter den Re-
präsentanten der Malerei christlicher
Motive Darstellungen aus dem Volks-
leben verhältnismäßig zahlreich sind,
ist bei dem Interesse, dessen dieser
Gegenstand zurzeit sich erfreut, nur
natürlich. Da ist ein prächtiges Stück
des Polen Ladislaus Jarotzky,
eine »Bauern-Prozession in den Kar-
pathen«. Der Beschauer blickt dem
Zuge nach, der sich gegen den Hinter-
grund entfernt. Trotz des Umstandes,
daß die Figuren im allgemeinen von
rückwärts gesehen werden, ist doch
ihre Charakterisierung gut gelungen.
Es fesselt weiter die Vollsaftigkeit der
Farben, vor allem die Kulturschilde-
rung eines Volkes, dessen Eigentüm-
lichkeiten uns wenig vertraut sind
und das unbewußt ein inniges, für
uns vielfältig anregendes und lehr-
reiches Verhältnis zur primitiven Kunst
hat. Ähnliche Eigenschaften besitzt ein
»Ländliches Leichenbegängnis« des
Österreichers Fryderyk Pautsch.
Eine bunte Schilderung russischen
Volkslebens, wobei die lebhaften Far-
ben, die von unsern westeuropäischen
Begriffen von einer Leichenfeier gänz-
lich abweichen, durch die weißen
Töne der winterlichen Landschaft
noch besonders befördert und ver-
stärkt werden. Der Venezianer Luigi
Nono schildert in einem großen
Temperagemälde einen »Ersten Re-
gen«, der auf frische Kindergräber
niedersinkt. Eine Bäuerin schmückt
eins davon und schützt es zugleich
mit einem aufgespannten großen Re-

FELIX BAUMHAUER
Ausstellung für christliche Kunst, Düsseldorf igog
daß aus Frankreich überhaupt nichts dergleichen
da ist. Allerdings fehlen andere Nationen
auch, auf die im einzelnen nicht eingegangen
werden kann. Wir wollen aber nicht betrach-
ten, was nicht da ist, sondern das positive
Ergebnis anschauen.
Vorweg seien ein paar Architekturbilder
erwähnt. So schildert z. B. der Engländer
James G. Laing in geschickt, aber etwas
kalt durchgeführten Aquarellen mehrere bel-
gische und französische Kircheninterieurs, sein
Landsmann Axel Herman Haig in einer
tüchtigen Radierung das Äußere der Chor-
partie an der Kathedrale von Amiens.

christus genschirm. Ich kann nichtfinden, daß
dieser dem gewollten Ernst der Situa-
tion entspricht, vielmehr bekommt die
Szene für mich dadurch etwas Burleskes. In der
Malerei ist das Bild recht wirkungsvoll, zumal
das landschaftliche Element, bei dem das kräftige
Grün des Friedhofes gegen das Schiefergrau der
ihn umgebenden Berge einen erfreulichen,
feinen Kontrast gibt. Volle Lebenslust, echt
italienische Freude an Sonne und Farben leuch-
tet aus Ferruccio Scattolas »Kirchweih
des hl. Johannes«. Endlich sei hier zweier
interessanter Werke des Giuseppe Pellizza
da Volpedo gedacht, der vor zwei Jahren
gestorben ist. Er war ein Künstler, den seine
tiefe Liebe zur Natur befähigte, sein Bestes
in Einsamkeit und Zurückgezogenheit zu
 
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