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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 5.1908/​1909

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Gleye, Carl Erich: Julius von Klever
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Wolter, Franz: Die Frühjahrsausstellung der Secession München
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https://doi.org/10.11588/diglit.53749#0287

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246 SW FRÜHJAHRS AUSSTELLUNG DER SECESSION MÜNCHEN


JULIOS VON KLEVER

SELBSTBILDNIS

genwärtig sei, hervorruft, ist selten gemalt
worden.«
Seit mehreren Jahren lebt Klever in Berlin,
wo er sich schon in den achtziger Jahren einen
Freundeskreis, der ihm treu geblieben ist, ge-
schaffen hat. Aber er weiß es, was er Ruß-
land, und Rußland weiß es, was es ihm ver-
dankt. In der Geschichte der russischen Land-
schaftsmalerei, ja der Entwicklung des russi-
schen Naturgefühls wird sein Name stets einen
ehrenvollen Platz behaupten, und mit Recht
vermisste der feinsinnige Verfasser des be-
rühmten Buches über den russischen Roman,
der Graf de Vogue, wohl einer der besten
Kenner der russischen Kultur, als vor drei
Jahren .während der russischen Revolution die
Wanderausstellung moderner russischer Maler,
die sich anmaßte, ein Bild vom Gesamtschaffen
der russischen Malerei zu geben, auch nach
Paris kam, auf dieser russischen Ausstellung
die Landschaften Julius von Klevers.

DIE FRÜHJAHRSAUSSTELLUNG
DER SECESSION MÜNCHEN
Wiederum, wie jedes Jahr, taucht eine Fülle
malerischer und zeichnerischer Neuschöp-
fungen auf, die mehr Aufschluß geben über
den kolossalen Andrang zum Kunstgebiet und
seine Überproduktion, als über wertvolle Kul-
turdokumente. Alljährlich sehen wir dasselbe
Bild: Eine Anzahl frischer und fröhlich hin-
geschriebener Malereien, eine Menge Studien,
eine Menge Naturausschnitte, aber selten ein

Gemälde, selten ein innerlich empfundenes
künstlerisches Gebilde. Das Charakteristikum
der modernen Kunst ist die Technik und zwar
die Technik des Blendens, des Verblüffens.
Der Technik allein dient das Motiv, vom
hölzernen Gartenzaun bis zum mehr als natur-
großen Kohlstrunk, der Straßenlaterne, der
Stubentür etc. Es kommt einem immer so
vor, als ob die Jungen und Jüngsten dem
Beschauer zuschreien wollten: »Seht, was wir
alles mit der Farbe machen können, uns ist
nichts zu schwer, wir malen Erde, Luft, Was-
ser, Sonnenschein. Wir können alles!« Ja,
die heutige Kritik hat dies auch anerkannt
und sie spricht vor modernen Gemälden von
Erdgeruch, von Feuchtigkeit der Luft, von
heißer, zitternder Sonnenglut. Aber steckt in
all dem nicht doch auch ein großer Tadel?
Ist es der Endzweck der Kunst, Natur natür-
lich darzustellen? War nicht in allen hohen
Kunstepochen das Streben, die Erscheinungen
der Natur in feste Formen zu bannen, das
Natürliche herauszutreiben und auf der Grund-
lage von Natur, an Stelle der banalen Wirk-
lichkeit eine innerliche, vergeistigte zu setzen ?
Die Wirkung auf die Menschenseele, auf die
Empfindungen edler Seelenregungen ist doch
das erste und höchste, was wir unter dem
Worte »Kunst« uns vorstellen. Wir können
nur dann Fortschritte in der Kunst erkennen,
wenn sie uns aus der nüchternen Alltäglich-
keit zu höheren Zielen zu führen imstande
ist. Allerdings verlangen wir mit diesen Zielen
auch technisches Können, kurz eine klare,
sichere Sprache und Ausdrucksweise, aber sie
braucht ihre Übungen nicht an Gegenstände
zu hängen, die an sich schon geschmack-
widrig sind. »Kunst ist Wahl« hat irgend
einmal ein Kritiker gesagt und dies mit Recht.
Eine schlechte Wahl aber ist es, wenn z. B.
Walter Schnackenberg ein nacktes Frauen-
zimmer vor dem Toilettetische malt, das im
Begriffe ist, sich zu schminken und weiter
nichts anhat, als bis über die Kniee herauf-
gezogene knallgrüne Strümpfe, von einer Auf-
dringlichkeit der Farbe, die einer optischen
Ohrfeige gleichkommt. Überhaupt diese Ganz-,
Halb- und sonstigen weiblichen Akte! Bis
zum Überdruß tauchen diese akademisch-posie-
renden, langweiligen Gestalten auf. Sie ver-
folgen einen bis in den Kunstverein und jede
kleine Kunsthandlung. Julius Heß hat sich
drei solcher Frauenzimmer geleistet, dazu in
einer Farbe von trüber Süßigkeit und abso-
lutem Schmutz, die mehr als abstoßend wirkt.
Hans von Mar des’ Arbeiten, die noch
vor kurzem an derselben Stelle hingen, waren
dagegen von Phidiasischer Erhabenheit. Es
 
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